Lothar Matthäus’ Wechsel von Gladbach zu den Bayern sorgte für viel Wirbel – auch wegen der Rivalität zwischen Puma und Adidas. Hier erinnert er sich an den Aufruhr und an eine geteilte Stadt.
Kannten Sie auch Rudolf Dassler, den Firmengründer?
Natürlich. Ich durfte jederzeit in sein Büro und mir von den weggeworfenen Briefumschlägen die Briefmarken ablösen. Unser Verhältnis war fast so wie zwischen Großvater und Enkel. Er ist mit mir an der Altmühl angeln gewesen, ich habe ihn auch zu Hause besucht und bekam ab und an neue Schuhe, einen Trainingsanzug oder einen Ball von ihm geschenkt.
In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dass Sie von Dassler auch Ihr erstes Auto bekommen haben.
Ja, das war so. Aber nicht von Rudolf, sondern von seinem Sohn Armin, der die Geschäfte nach dem Tod seines Vaters geführt hat. Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich schon meinen Führerschein gemacht hätte. Ich war gerade dabei. Dassler ging in seinem Büro ans Fenster und zeigte nach draußen auf einen grünen Golf. „Wenn du den Führerschein hast, kommst du zu mir. Dann ist der Golf deiner“, sagte er. „Aber bring eine D‑Mark mit!“
Wieso das?
Als ich ihm paar Wochen später meinen Führerschein zeigte, sagte Armin Dassler, ich solle zu seiner Sekretärin gehen und von ihr einen Kaufvertrag aufsetzen lassen. Die Sekretärin wusste schon Bescheid. Ich gab ihr eine Mark und bekam einen Pfennig zurück. So hatte ich für 99 Pfennig mein erstes Auto gekauft, einen gebrauchten Golf mit 50 PS und 60 000 Kilometer auf dem Tacho.
„Ich war Borussia Mönchengladbach durch und durch“
Welche Rolle hat Puma 1979 bei Ihrem Wechsel zu Borussia Mönchengladbach gespielt?
Durch Puma bin ich Fan von Borussia Mönchengladbach geworden. Es hat Poster gegeben, Schuhe mit den Namen der Spieler. Ich hatte die ganze Mannschaft von Borussia Mönchengladbach über dem Bett hängen, und Günter Netzer war mein Hero. Als ich elf war und der Fotograf für das Klassenfoto in die Schule kam, hatte ich ein T‑Shirt mit dem Konterfei von Günter Netzer an. Das war eben die große Anfangszeit von Borussia in der Bundesliga, mit den ersten Meisterschaften und den ersten internationalen Erfolgen. Ich war Borussia Mönchengladbach durch und durch. Und irgendwann war man selbst dabei.
Wissen Sie noch, ob Borussia mal bei Puma in Herzogenaurach zu Besuch war?
Ab und zu hat man einzelne Spieler von Borussia bei Puma gesehen, Berti Vogts, Jupp Heynckes oder Günter Netzer. Und ein- oder zweimal war auch die ganze Mannschaft da. So wie die Bayern bei Adidas. Aber die sind natürlich etwas häufiger in Herzogenaurach gewesen.
„Du weißt doch, dass ich Borussia-Mönchengladbach-Fan bin, und natürlich wäre es super, wenn ich für diesen Verein spielen könnte“
Wie ist Ihr Wechsel nach Mönchengladbach vonstattengegangen?
Dass ich zu Borussia gewechselt bin, lag speziell an Pumas PR-Chef Hans Nowak, einem ehemaligen Nationalspieler, der für Bayern, Schalke und Offenbach gespielt hatte. Er war nicht nur PR-Chef bei Puma, sondern auch Ratgeber und teilweise sogar Trainer bei dem Verein, für den ich damals gespielt habe.
Beim 1. FC Herzogenaurach.
Genau. Hans kannte ich sehr gut. In seinem Büro hatte er einen eigenen Kühlschrank, der ist immer von meinem Vater aufgefüllt worden. Puma war ja wie eine große Familie, man ist sich einfach häufig über den Weg gelaufen. Deshalb wusste Hans natürlich auch, für welchen Verein ich schwärmte. Trotzdem hat er mich irgendwann einmal provokativ gefragt: „Lothar, wenn du die Möglichkeit hättest, in der Bundesliga zu spielen: Zu welchem Verein würdest du am liebsten gehen?“ – „Hans“, habe ich geantwortet, „du weißt doch, dass ich Borussia-Mönchengladbach-Fan bin, und natürlich wäre es super, wenn ich für diesen Verein spielen könnte.“
Wussten Sie, dass er den Kontakt zu Borussia hergestellt hatte?
Ja, ich wusste alles. Helmut Grashoff hatte mich angerufen, und dann ist Jupp Heynckes nach Herzogenaurach gekommen. Damals war er noch Assistent von Udo Lattek, aber es war schon klar, dass er ihn im Sommer 1979 als Cheftrainer ablösen würde. Jupp Heynckes hat sich ein Spiel von mir angeschaut. Ich weiß sogar noch, welches.
Nämlich?
Gegen die Spielvereinigung Vohenstrauß aus der Oberpfalz, Landesliga, Senioren. Ich war damals 17 Jahre alt. Dass Jupp Heynckes sich das Spiel angeschaut hat, war natürlich ein Riesengesprächsthema. Man wusste auch, dass er meinetwegen da war. Wir haben das Spiel 5:1 gewonnen, und ich habe zwei Tore gemacht.
Bei dem Beitrag handelt es sich um die gekürzte Fassung eines Interviews aus dem Buch „Das Gladbach-Trikot. Von 1900 bis heute“ von Stefan Appenowitz, Matthias Gorke und Tagesspiegel-Redakteur Stefan Hermanns. Es ist im Verlag Die Werkstatt erschienen (256 Seiten, 29,90 Euro). An dieser Stelle erscheint das Interview im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel.
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