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Es gibt da diese Tage im Leben eines Fuß­ball-Fans. Diese Tage, wenn du mor­gens auf­stehst, ein breites Grinsen im Gesicht hast und am liebsten den ganzen Tag nichts anderes machen wür­dest als zu warten. Warten auf den Abend. Warten auf dieses eine Spiel. Warten auf 90 Minuten Fuß­ball.

Erin­ne­rungen an Bochum

Aus Glad­ba­cher Fan-Sicht gab es in den ver­gan­genen Jahren trotz des sport­li­chen Erfolgs nur eine Hand­voll solch bedeut­samer Par­tien. Viel­leicht waren es einige Derbys gegen den 1. FC Köln, viel­leicht war es das erste inter­na­tio­nale Spiel seit 16 Jahren gegen Dynamo Kiew im August 2012, viel­leicht war es das Rele­ga­ti­ons­spiel gegen den VfL Bochum.

Heute ist es nun wieder so weit: Borussia Mön­chen­glad­bach bestreitet sein erstes Cham­pions-League-Heim­spiel der Ver­eins­ge­schichte. Irgendwie kommen an so einem Tag noch einmal alle Emo­tionen des eigenen Fan-Lebens hoch.

Groß­väter erzählten vom Euro­pa­pokal

In der Ver­eins­his­torie knüpft das erste Cham­pions-League-Heim­spiel unmit­telbar an die großen Erfolge der 1970er an. Gerade die jün­gere Fan-Gene­ra­tion, zu der sich der Autor zwei­fels­frei zählt, hätte ver­mut­lich nie gedacht, dass sie dieses Spiel über­haupt mal live mit­er­leben würde. Borussia Mön­chen­glad­bach, das war von klein auf gelebter Abstiegs­kampf. Die euro­päi­sche Bühne kannten die meisten nur aus den Erzäh­lungen der Väter, Groß­väter oder betagten Nach­barn im Steh­platz­block – oder eben aus dem Fern­sehen.

Statt­dessen sahen die Fans in den 1990ern und 2000ern sport­li­ches Mit­telmaß – und oft­mals noch nicht einmal das. Die Borussia wurde immer mehr zur grauen Maus, die vor allem von ihrer glor­rei­chen Ver­eins-His­torie zehrte. Die Rea­lität am Bökel­berg hieß Kahê, Gio­vane Elber, Bernd Kor­zy­nietz, Jörg Kaess­mann, Jörg Böhme oder Morten Skuobo. Ver­ehrt wurden Helden“ wie Jeff Strasser, Kasey Keller, Thomas Kas­ten­meier oder Igor Demo. Spieler, die den Fuß­ball – wenn man heute mal ehr­lich zu sich ist – nicht wirk­lich erfunden haben. Doch das war egal. Es zählte der Fuß­ball, es zählte Borussia.

Wir haben die Schnauze voll!“

Nie­der­lagen waren vor­pro­gram­miert – nicht nur auf dem Platz. Das Wort Trai­ner­ent­las­sung gehörte zum Stamm-Voka­bular. Im neun­mo­na­tigen Rhythmus brüllte eine erboste Nord­kurve Wir haben die Schnauze voll“ oder skan­dierte Trainer raus“. Funk­tio­näre kamen, Funk­tio­näre gingen. Dick Advo­caat, Peter Pander, Horst Köppel, Chris­tian Ziege, Ewald Lienen, Jos Luhukay.

Glad­bach-Man­City: Heute im 11FREUNDE-Live­ti­cker (Link)

Irgendwie schien alles in diesem Klub aus­tauschbar. Außer die Fans. Die blieben, litten meis­tens und durften nur äußerst selten jubeln. Zweimal stieg ihre Elf vom Nie­der­rhein“ in die Bun­des­liga auf. Die Anhänger zele­brierten diese Ereig­nisse wie Meis­ter­schaften. Doch ein Neu­an­fang blieb aus. Statt­dessen: Ernüch­te­rung. 
Jetzt bestreitet dieser lang­jäh­rige Chaos-Klub plötz­lich sein erstes Cham­pions-League-Heim­spiel. Egal wie lange man auch dar­über nach­denkt: Diese Ent­wick­lung ist und bleibt unwirk­lich.

Favre, der Tröster

Zuge­geben, die ver­gan­genen vier Jahre waren schon sehr erfolg­reich. Daher kommt der heu­tige Tag nicht voll­kommen unver­hofft. Die sport­liche Sta­bi­li­sie­rung unter Heils­bringer Lucien Favre, die Teil­nahme an der Europa League 2012/13, der gran­diose dritte Platz in der ver­gan­genen Saison – all das trös­tete bereits über die jah­re­langen Leiden hinweg.

So schien es im Sommer vor drei Jahren schon das Größte zu sein, mit Freunden und anderen Borussen in ein Flug­zeug in Rich­tung Ost­eu­ropa zu steigen und Ste­war­dessen und nor­male Pas­sa­giere mit Fan-Gesängen zur Ver­zweif­lung zu treiben. Per Bord­karte zum Aus­wärts­spiel? Diese Idee exis­tierte im Glad­ba­cher Fan-Kosmos lange gar nicht! Prä­gend auch die Erin­ne­rungen an das kurze Inter­mezzo Tau­sender Borussen auf der Spa­ni­schen Treppe in Rom oder ein legen­däres Party-Gelage an einem zyprio­ti­schen Strand. Schon all das hätte sich in Glad­bach nie­mand erträumen lassen.

Die Cham­pions League, das sind die anderen

Und den­noch: Was ist die Europa League gegen die Cham­pions League, die Königs­klasse, das viel zitierte Kon­zert der Großen? Die Cham­pions League, das sind eigent­lich Real Madrid, der FC Bayern, Bar­ce­lona, Juventus Turin oder Man­chester United – und nicht Borussia Mön­chen­glad­bach.

Des­halb sehen die meisten Anhänger am Nie­der­rhein die Teil­nahme an der Königs­klasse und damit auch den heu­tigen Abend nur bedingt als sport­li­chen Wett­be­werb an. Es geht um mehr. Um die fan­tas­ti­sche Ent­wick­lung eines Klubs: Um Emo­tionen, um His­torie, um das Dabei­sein. Fuß­ball­ro­man­ti­scher Blöd­sinn, mögen einige Leser nun ein­wenden. Nur wer es mit­ge­macht hat, kann es wirk­lich ver­stehen.

Dieser Tag ist Ent­schä­di­gung

Alleine der Gedanke an die berühmte Cham­pions-League-Hymne kurz vor dem Anstoß erzeugt schon seit Wochen Gän­se­haut. Das wohl ein­zige Lied, bei dem selbst hart­ge­sot­tene Fuß­ball­fans ein Trän­chen ver­drü­cken. Die Ränge des Borussia-Parks werden dann in eine rie­sige Cho­reo­grafie gehüllt sein. Es sind Momente für die Ewig­keit. Plötz­lich scheint sich die jah­re­lange Schin­derei für den geliebten Verein gelohnt zu haben, die ewige Frus­tra­tion über 0:1- oder 1:2‑Niederlagen am ver­reg­neten Bökel­berg. Irgendwie ist dieser Tag heute Ent­schä­di­gung.

Zumal sich die meisten aktiven Fans in Mön­chen­glad­bach über eines im Klaren sind: Viele Cham­pions-League-Abende wird es ver­mut­lich nicht mehr geben. Die Teil­nahme an der Königs­klasse war nur auf­grund einer Saison mög­lich, in der die eigene Mann­schaft über ihren Mög­lich­keiten spielte und die große Kon­kur­renz, etwa aus Dort­mund und Gel­sen­kir­chen, patzte.

Und so ist dieser Tag eben einer dieser Tage in einem Fuß­ball-Fan-Leben. Einer dieser Tage, von denen es nur ganz wenige gibt. Einer dieser Tage, an denen es nur um 90 Minuten Fuß­ball geht. Um ein Spiel, das die Welt bedeutet. Ein Abend für die Ewig­keit.