„Wahrer Fußball statt Ware Fußball“ – Christoph Metzelder hat eine Kampagne für den Amateurfußball ins Leben gerufen. Und befürchtet eine „Vollkatastrophe“.
Was fasziniert Sie so am Amateurfußball?
Die Gemeinschaft, das Miteinander ohne Geschäftsmäßigkeit und die Einordnung dieses Sports als schönste Nebensache der Welt, unabhängig von Sieg oder Niederlage. Die charmanten Spielstätten. Und vor allem die Menschen. Sei es unserer Kassierer Rolf, der für jeden einen flotten Spruch parat hat. Oder Albertino Pinto am Grill, der seit der Geburt seines Sohnes Sergio vor 36 Jahren mit Stolz seinen Schnurrbart trägt und nach eigener Aussage Rekordstadtmeistertrainer in Haltern am See ist. Oder die Spieler, die zum Teil bei anderen Verein spielen könnten, aber trotzdem bleiben, weil das ihr Verein ist.
Treten Sie selbst noch gegen den Ball?
Ab und an schmeiße ich mich als Stürmer unserer Dritten in der Kreisliga B in Ring.
Was macht den Reiz aus, mit 35, nach 13 Jahren Profifußball, in der Kreisliga zu spielen?
Nur weil ich nicht mehr in den großen Arenen spiele, heißt es ja nicht, dass die Liebe zu diesem Sport aufgehört hat. Und jetzt darf ich für den Verein spielen, für den mein Herz schlägt. Und auch wenn ich weiterhin unbedingt gewinnen will, bleibt immer Zeit für einen Plausch mit dem 40-jährigen Libero, der entweder Schalke- oder Dortmund-Fan ist. Da kriege ich auch ordentlich auf die Socken, aber nie unfair! Und spätestens beim ersten Bier nach dem Spiel ist das vergessen,
Wann mussten Sie zuletzt einen Kasten spendieren?
Nach meinem Debüt in der Kreisliga 2014. In der 89. Minute schoss ich das 1:1. Danach musste ich natürlich einen ausgeben.
Geht es denn bei den Profis so viel steriler zu?
Nur nach außen. Am Ende kommen in jeder Mannschaft 25 junge Männer zusammen, die gemeinsam Erfolg und Spaß haben wollen. Überspitzt gesagt, wenn Cristiano Ronaldo bei Real Madrid mit pinken Schuhen zum Training kam, hingen die direkt als „Mahnmal“ unter der Decke. Wie in jeder anderen Kabine auch. Und diese Gemeinschaft, dieses ganz besondere Mannschaftsgefühl, vermisse ich auch manchmal.
Sie wollen mit Ihrer Kampagne für den Amateurfußball werben. Hat der denn Werbung nötig?
Ja! Denn wir müssen auch in Zukunft junge Menschen dafür begeistern, als Spieler, Trainer oder Offizielle Verantwortung zu übernehmen. Ohne dafür immer einen finanziellen Gegenwert zu bekommen. Nur mit dem Ehrenamt kann die breite Basis des Fußballs überleben.
Brauchen die Amateure die Profis?
Auch hier ein eindeutiges „Ja“. Spitzenfußball, der Menschen in die Stadien lockt und Idole produziert, ist und bleibt der Grund, warum Jungen und Mädchen überhaupt anfangen, Fußball zu spielen.
Brauchen die Profis die Amateure?
Natürlich! Woher kommen denn die vielen Talente in den Nachwuchsleistungszentren? Aus den kleinen Vereinen, die noch vor den Profiklubs eine Vorauswahl der Talente vornehmen. Die offen sind für ALLE fußballbegeisterten Jungen und Mädchen, während die Proficlubs nur noch die besten Spieler aufnehmen. Das ist wichtige Basisarbeit, die Amateurklubs sind das Fundament der großen Vereine. Dessen müssen sich die großen Clubs bewusst sein. Und sich zu regelmäßigen kostenlosen Auftritten bei Amateurvereinen verpflichten. Als wir 2012 den FC Schalke 04 zu Besuch hatten, war ganz Haltern im Ausnahmezustand. Die Kids sehen ihre Idole und der Kassierer freut sich über die Einnahmen. Das wirkt bis heute nach!
Was ist für den Sky-Experten und Amateurfußball-Förderer Christoph Metzelder aktuell der größte Dorn im Auge?
Die Diskussion über die Anstoßzeiten. Ich kann verstehen, dass die Vereine und die DFL erstmal für sich selber verantwortlich sind. Aber für den Amateursport wären Spiele am Sonntagmittag, also zur Kernspielzeit in den unteren Ligen, eine Vollkatastrophe. Wenn beispielsweise Dortmund oder Schalke am Sonntag um 13.30 Uhr spielen sollten, verlieren Vereine wie der TuS Haltern nicht nur Zuschauer, sondern auch Spieler, die Dauerkarteninhaber der beiden Revierklubs sind.