Mit 18 Jahren stieg er in die fünfte Liga auf, mit 22 wurde er Profi beim Effzeh, mit 24 Nationalspieler. Jonas Hector hat einen raketenhaften Spätstart hingelegt – und geht jetzt mit Köln in die zweite Liga. Wie sagt man auf Kölsch eigentlich „Ehrenmann“?
Liebe Fans des 1. FC Köln, ihr müsst jetzt ganz stark sein: Schon heute gegen Freiburg könnten eure Geißböcke absteigen. Gut, das war euch wahrscheinlich schon bekannt. Acht Punkte hinter dem Relegationsplatz bei drei ausstehenden Spielen, eins davon gegen die Bayern. Um es vorsichtig auszudrücken: Das könnte eng werden.
Aber hier soll nicht der Kölner Abstieg herbeigeredet werden, den hat die Mannschaft schon selbst herbeigespielt. Hier soll euch Hoffnung gemacht werden – für nächstes Jahr. Denn ihr habt da jemanden im Team, der, wenngleich er das nie zugeben würde, einen ganzen Klub tragen kann. Auch in der zweiten Liga. Jonas Hector nämlich.
Dabei konnte er sich mit 18 noch nicht vorstellen, Profi zu werden. Sein Heimatklub SV Auersmacher war gerade in die fünfte Liga aufgestiegen, Hector als Spielmacher wichtigster Mann, ein Angebot aus Bochum schlug er aus. 2010 wechselte er dann doch zu Kölns zweiter Mannschaft. Der Beginn eines raketenhaften Aufstiegs bis hin zur EM-Teilnahme.
Der beste Kölner
Hector ist kein extrovertierter, abgehobener Typ. Im Gegenteil. Er ist ruhig und bescheiden, „vor allem fokussiere ich mich auf das, was ich kann“, sagte er 2016 im 11FREUNDE-Interview. Was er kann, kann er hingegen ziemlich gut. Egal, ob er als Linksverteidiger, im linken Mittelfeld oder wie früher auf der Zehn spielt: Jonas Hector ist der beste Feldspieler des FC Köln. Das ist nicht despektierlich gemeint dem Rest der Mannschaft gegenüber. Im Kader eines Tabellenletzten ist es kaum verwunderlich, dass ein 36-facher deutscher Nationalspieler und Confed-Cup-Sieger der beste im Team ist.
Diese Saison stand er 17 Mal im Kader, davon 17 Mal in der Startelf, 15 Mal spielte er durch, zwölf Mal war er Kapitän als Ersatz für Matze Lehmann. Die 14 restlichen Spiele war er verletzt. Syndesmosebandriss, zugezogen im Europa-League-Gruppenspiel beim FC Arsenal, der womöglich größten Effzeh-Party des Jahrzehnts, des besten Saisonauftritts von John Cordoba – und der bittersten Nacht in Hectors Karriere. Zuvor hatte er seit 2011 nur sechs Spiele wegen Verletzungen verpasst.
Wie wichtig Hector ist, konnte man allerdings auch während seiner Verletzungspause sehen. Klar, auch er war nicht unschuldig daran, dass die Mannschaft nach drei Spieltagen mit null Punkten und eins zu sieben Toren am Tabellenende stand. Genauso wäre es reine Spekulation zu behaupten, dass Köln sich mit einem fitten Hector am eigenen Schopf aus dem Abstiegssumpf gezogen hätte.
Und dennoch: Nach Hectors Ausfall gab es erstmal richtig Backenfutter beim 5:0 gegen Dortmund. Aus den 14 Spielen ohne ihn holte der Effzeh nur sechs Punkte, in den ebenfalls 14 seit seiner Rückkehr 16. Dass das aller Voraussicht nach nicht reichen wird, um die Klasse zu halten, ist genauso klar wie bitter. Auch und gerade für Jonas Hector, der den Großteil der Hinrunde zum Zusehen verdammt war.
Nach der 2:1‑Niederlage in Berlin am vorletzten Spieltag wollte Hector einem Fan im Auswärtsblock sein Trikot schenken. Es kam postwendend zurückgeflogen. Mit Tränen in den Augen ging er Richtung Kabine, das Trikot blieb auf der Tartanbahn des Olympiastadions zurück.
Der Mann, der laut Nationalmannschafts-Spielanalytiker Christofer Clemens „das Spiel verstanden“ hat, hatte sich 90 Minuten erfolglos gegen die Niederlage gestemmt. Dafür bekam er dann noch emotional auf die Fresse. „Damit hält man den Jungen nicht“, meinte Stefan Ruthenbeck anschließend.
Wie sagt man auf Kölsch „Ehrenmann“?
Dass Hector trotzdem in Köln bleibt, zeugt von seiner Demut und seinem Charakter. Der direkte Wiederaufstieg nach dem bevorstehenden Abstieg muss das Ziel des FC sein. Und es ist das von Jonas Hector. „Ich gehöre zum FC und will mit dem Team und den Fans im Rücken in der neuen Saison wieder voll angreifen“, begründete er seine Entscheidung. Obwohl er die Hälfte der Saison verletzt verpasste, möchte er die Fehler der Vergangenheit wieder gut machen.
Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihm das gelingen wird. Weil er der beste Spieler des FC und (quasi) Kapitän ist, weil er die Mannschaft trägt und weil er mit seiner Zusage für eine Verlängerung die Basis für jenen Wiederaufstieg gelegt hat, für den er, der ganze Verein und die ganze Stadt kämpfen werden. Wer weiß, ob Timo Horn ohne Hector mitgezogen wäre. Auch Leonardo Bittencourt wird seinem Beispiel womöglich folgen.
„Ich blieve he, wat och passeet“, singen Die Höhner in ihrem Lied „Hey Kölle! Du bes e Jeföhl“. Jonas Hector hat es sich zu Herzen genommen. Liebe Fans des 1. FC Köln: Wie sagt man auf Kölsch eigentlich „Ehrenmann“?