Der FC Bayern wird zum zehnten Mal in Folge deutscher Meister. Furchtbar öde? Furchtbar öde! Findet auch unser Autor, Bayern-Fan seit Kindesbeinen.
Wie die Ansprüche des FC Bayern hat sich auch das Fansein weiterentwickelt. Das einzige, was mich noch richtig packt, sind die großen Spiele. Also alles ab Achtelfinale Champions League und (in der Theorie) Viertelfinale DFB-Pokal. In diesen Momenten bin ich wieder kindlicher Fan, bin den ganzen Tag aufgeregt und ziehe mir ab 19 Uhr die Vorberichterstattung ein. Das 0:5 im Pokal in Mönchengladbach und das Ausscheiden gegen Villareal habe ich im Stadion miterlebt und habe mich maßlos geärgert, die nächsten zwei Tage waren für mich im Eimer. Ich weiß nicht, wann es mir bei einem Bundesliga-Spiel das letzte Mal ähnlich ging. Selbst die überraschenden Niederlagen gegen Bochum und Augsburg nahm ich mit einer Reaktion der Kategorie „Egal“ bis „Total egal“ zur Kenntnis. So wenig wie ich in diesen Spielen Trauer empfinde, so wenig Freude empfand ich am Samstag, als die Mannschaft die Meisterschaft eingetütet hat.
Ich gebe zu: Das Spiel gegen Borussia Dortmund hatte mich gekriegt. Ich verspürte so etwas wie Nervosität und freudiger Erregung ob des Ereignisses. Bei den Toren legte ich einen Jubellauf a la Jürgen Klopp durch mein Wohnzimmer hin, bei der strittigen Elfmetersituation argumentierte ich mich in WhatsApp-Gruppen durch die pure Bayern-Brille um Kopf und Kragen und manch einer meiner Nachbarn wird vielleicht gehört haben, wie ich mit voller Lautstärke ein höhnisches „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia!“ synchron zu den Fans im Stadion grölte. Kurzum: Ich hatte einen echten Fan-Moment. Allerdings lag das mehr daran, dass der Gegner Borussia Dortmund hieß und mein FCB nach der Villareal-Schmach (ja, Bayern-Fans definieren ein Viertelfinal-Aus gegen den letztjährigen Europa-League-Sieger als Schmach) definitiv etwas gutzumachen hatte. Dass durch einen Sieg auch gleichzeitig die Meisterschaft klargemacht werden konnte, war für mich bestenfalls eine positive Randnotiz.
Auch wenn das höhnische BVB-Meister-Lied tatsächlich zu meinen liebsten Fangesängen zählt, vielleicht muss es in den nächsten Jahren mal wieder Realität werden, um auch für Bayern-Fans die Bedeutung der Meisterschaft zurückzuholen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mich kochend vor Wut vor den Fernseher setzen würde und ein breites Beleidigungs-Arsenal auffahren würde, würde ich sehen wie Emre Can mit UNSERER Schale um den Borsigplatz fährt. Man vermisst Dinge eben erst dann, wenn sie nicht mehr da sind. Bis dato bleibt das allerdings reine Spekulation, die Schale trägt weiter Lederhosen und die Meisterfeier meines FC Bayern war mal wieder ein eskalativer Freudentaumel mit zig Meister-Selfies, medienwirksamen Weißbier-Duschen und grässlichen gespielt emotionalen Interviews. Vermute ich jedenfalls. Gesehen habe ich es nämlich nicht. Wie ich nach der Meisterschaft den Abend verbracht habe, fragen Sie? Bin ich losgezogen und habe das Berliner Nachtleben unsicher gemacht? Klares Nein. Habe ich im Liveticker (ja, den gab es) verfolgt, welcher Spieler wann zur Meisterfeier erschienen ist? Noch klareres Nein. Und habe ich mir zur Feier des Tages wenigstens ein bayrisches Bier genehmigt? Wieder nein. Ich habe fünf Minuten nach Abpfiff den Sender gewechselt, zu St. Pauli gegen Darmstadt. In der zweiten Liga ist es nämlich tatsächlich noch spannend, wer am Ende Meister wird, während ein Bayern-Titel auf nationaler Ebene für mich dann doch vor allem eines bleibt: stinklangweilig.
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