Der FC Bayern wird zum zehnten Mal in Folge deutscher Meister. Furchtbar öde? Furchtbar öde! Findet auch unser Autor, Bayern-Fan seit Kindesbeinen.
Es gibt Dinge auf der Welt, die sind einfach stinklangweilig, ganz egal wie man sie auch dreht und wendet. Stundenlanges Warten im sterilen Wartezimmer eines Arztes zum Beispiel. Oder Autofahrten ohne Gesellschaft und Musik. Bestimmt auch Vögel beobachten. Oder eben die zehnte Deutsche Meisterschaft der Lieblingsmannschaft in Folge.
Ich oute mich: Ich bin seit meiner frühesten Kindheit Bayern-Fan. Ich wurde klassisch ins Fan-Dasein hineingeboren. Ein konkretes Erlebnis, das mich zum Verein gebracht hat? Fehlanzeige. Lokaler Bezug? Fehlanzeige. Und doch hat mich die Faszination des großen FC Bayern in ihren Bann gezogen und wollte mich nie so richtig loslassen. Bayern-Fan zu sein, ist Fansein light. Leidensfähigkeit ist nur in geringsten Ausmaßen vonnöten. Als Kind des Jahrgangs 2000 war mein dramatischstes Erlebnis mit dem FC Bayern das Jahr 2012 mit gleich drei zweiten Plätzen auf einmal, einer 2:5‑Demütigung im Pokalfinale und dem „Finale Dahoam“. Für mich als heranwachsender Fan brach damals eine Welt zusammen. Leidtragende waren Manuel Neuer, Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger. Vor allem die Poster-Versionen von ihnen, die damals in meinem Zimmer hingen. Ein eigentümlicher Wutanfall sorgte dafür, dass eben jenes Kinderzimmer im Nachgang deutlich steriler und kahler aussah als zuvor und die genannten Spieler von mir einen Kopf kürzer gemacht wurden.
Es waren Emotionen, die damals nur der Fußball und im speziellen der FC Bayern bei mir auslösten. Fans anderer Vereine werden darüber jetzt nur müde lächeln. Aber Erfolg und Misserfolg werden beim FC Bayern nun mal schon immer anders definiert. Ein Jahr später, im Triple-Jahr 2013, war die Freude bei mir umso größer. Mein FC Bayern Champions-League-Sieger. Und DFB-Pokal-Sieger. Und eben auch: Deutscher Meister. Ich weiß noch genau, wie ich vor dem Fernseher saß und den ganzen Sonntag lang die Feierlichkeiten verfolgte. Ich wollte die Pokale bewundern, wollte sehen, wie die Stars vom Rathausbalkon auf dem Marienplatz winkten und war, ich gebe es zu, richtig sauer, dass wir uns nicht spontan ins Auto setzten und die 300 Kilometer von Karlsruhe nach München fuhren, um doch noch live dabei zu sein. Und dennoch war ich zutiefst glücklich, als ich sah, wie Robbery, Lahm und Co. die Schale, diese wunderschöne silberne Schüssel der Gewinner, den Fans präsentierten.
Seit diesem Jahr wurde der FC Bayern bekanntlich in jedem Jahr Deutscher Meister. Ich bin mittlerweile keine zwölf Jahre alt mehr, die Poster sind längst aus meiner Wohnung verschwunden und selbst wenn sie noch da wären, hätte ich meine Emotionen mit hoher Wahrscheinlichkeit derart im Griff, dass ich sie nicht erneut malträtieren würde. Auch die Deutsche Meisterschaft verliert für mich konstant an Bedeutung. Was eigentlich ein pures Glücksgefühl, ein Moment der grenzenlosen Freude sein sollte, verkommt zur Randnotiz. Die letzte Meisterschaft, die so etwas wie echte Emotionen in meiner Fan-Seele ausgelöst hat, war die im Jahr 2019. Eine Last-Minute-Entscheidung am letzten Spieltag, jeweils ein Tor von Robben und Ribéry in ihrem letzten Spiel für den FCB – so sollte Fußball sein. Und so sollte auch der Meisterschaftskampf sein. Es ist als Fan genauso ermüdend wie für jeden neutralen Zuschauer, wenn Jahr für Jahr aufs Neue ab Oktober nur noch darüber diskutiert wird, wann und nicht ob der FC Bayern deutscher Meister wird. Wenn wir Bayern-Fans ab Januar ernsthaft spekulieren, wie denn das Meister-Shirt und der Meister-Hashtag wohl aussehen. Wenn der Nikolaus eben doch zum Osterhasen wird. Und wenn substituierbare Jubelbilder entstehen, die selbst ich als Fan nicht auseinanderhalten kann. Ganz im Ernst, würden Sie mir Meisterfotos der einzelnen Jahre zeigen, ich könnte Ihnen nicht sagen, ob sie aus dem Jahr 2014 oder 2017 stammen. Woran sollte ich sie auch unterschieden können? Etwa am Torwarttrikot von Manuel Neuer, der die Schale zum x‑ten Mal gen Himmel streckt? Kurzum: Es ist langweilig.
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