Der KFC Uerdingen muss sein Wintertrainingslager frühzeitig abbrechen, weil auf dem Platz nicht wie gewünscht trainiert werden kann. Eine weitere Posse rund um den Drittligisten, den wir uns im Winter näher angesehen hatten.
Wiesinger ging auf Platz zwei liegend nach einem Kabinenstreit mit Ponomarev. Die Westdeutsche Zeitung berichtete damals, dass Ponomarev nach einem Spiel gegen Essen erbost in die Kabine gekommen sei. Er habe Spieler nachgeäfft und immer wieder ein Ergebnis von 0:2 genannt. Das legt nahe, dass der Investor nicht mitbekommen hatte, wie die Mannschaft in der Nachspielzeit zwei Tore schoss. Wiesinger stellte sich vor die Spieler und musste gehen. Die Geschichte wurde dementiert. Ob Ponomarev das Ergebnis wirklich nicht kannte? »Ich denke nicht, dass es Sinn macht, über vergangene Geschichten zu sprechen«, sagt Reisinger heute und nimmt einen Schluck aus seinem mit Eiswürfeln gefüllten Glas Maracujaschorle.
»Nun ja, Herr Ponomarev investiert sehr viel Geld. Da ist doch klar, dass der Druck groß ist. Im besten Fall sollten wir immer gewinnen«
Er sitzt im »Café del Sol«. Ein Restaurant in Stadionnähe, das von außen aussieht, als habe sich nicht ein russischer, sondern ein texanischer Unternehmer nach Krefeld verirrt. Reisinger geht in Gedanken die letzten drei Jahre durch, er ist aufmerksam, aber wirkt auch abgeklärt. »Nun ja, Herr Ponomarev investiert sehr viel Geld. Da ist doch klar, dass der Druck groß ist. Im besten Fall sollten wir immer gewinnen«, erklärt er das Prinzip Uerdingen. Ponomarev schreibt: »Mein Ziel ist es, mittelfristig in die 2. Liga aufzusteigen. Das bleibt auch so. Trotzdem formulieren wir mit Absicht keine Saisonziele. Das Team und die Trainer sollen in Ruhe arbeiten können.« Aufstiegstrainer Stefan Krämer musste als Tabellenvierter gehen. Seitdem erlebte der Verein eine sportliche Talfahrt. Norbert Meier kam und ging. Frank Heinemann übernahm und ging. Zuletzt flog Vogel. Jetzt sind Reisinger und Steuernagel an der Reihe. Und das alles in nur sieben Monaten. Der Ruhezustand wirkt fragil.
Das gilt auch für den Kader. Er ist gespickt mit Profis, die für verschiedene Systeme und teils wegen des Namens geholt wurden. Das Ergebnis ist eine Umkleide voller Konkurrenzdruck, sobald Altgediente nicht zum Aufgebot zählen, etwa weil in der 3. Liga immer vier U23-Spieler mitgenommen werden müssen. Zündstoff in einer Kabine, in der Duschen schon mal kalt bleiben und der Abfluss riecht. »Wir sind in kurzer Zeit zweimal aufgestiegen, haben sportlich unglaubliche Sprünge gemacht. Was die Rahmenbedingungen angeht, befinden wir uns deshalb vielleicht noch nicht in der Spitzengruppe der Liga«, sagt Reisinger. Es heißt, es werden solche Gehälter gezahlt, dass niemand den Verein freiwillig verlässt. Ist es das, was Spieler unter Wertschätzung verstehen?
Unter diesen Voraussetzungen soll Stefan Effenberg die Mannschaft umstrukturieren. »Wir müssen sehen, was uns sportlich weiterbringt. Das müssen Spieler sein, die Feuer haben und mit uns erfolgreich sein wollen«, fordert Teamchef Reisinger. »Herr Ponomarev legt den Fokus bei seinen Investitionen vor allem auf den sportlichen Bereich«, sagt Reisinger. »Das ist sein gutes Recht. Er kann ja auch entscheiden, wo er sein Geld reinsteckt.« Angesprochen auf das, was »Effe« in der kurzen Zeit beim KFC Uerdingen verändert hat, antworten Spieler und Trainer gleichermaßen: eine ICE-Fahrt nach München. Gemeint ist keine Teambuildingmaßnahme. Effenberg soll dafür gesorgt haben, dass das Team zum Auswärtsspiel gegen 1860 mit dem Zug anreiste – und damit dem Risiko entging, mit dem Bus im Wochenendverkehr steckenzubleiben. »Die Anreise zum Spieltag, ein Kraftraum, die Platzverhältnisse, Klamotten«, zählt Kapitän Kirchhoff auf. »Es braucht einen, der sich der Dinge annimmt.«
Aber wie wird Stefan Effenberg reagieren wird, wenn es um mehr geht? Mikhail Ponomarev gilt als jemand, der Widerworte nicht akzeptiert. Chef und Cheffe könnten da schnell aneinanderrasseln. Schon andere im Verein haben auf Ponomarev eingewirkt, dass dringend intelligenter investiert werden müsse. Getan hat sich wenig. Und so steckt der KFC Uerdingen in der Sackgasse. Wie sich das anfühlt, kann Stefan Effenberg in Duisburg erleben. Er steht im Fahrstuhl, will in die Loge gefahren werden. »Dürfte ich einmal Ihr Bändchen sehen?«, fragt die Servicekraft freundlich. Effenberg zeigt sein Handgelenk, eine Akkreditierung hat er mittlerweile. »Tut mir leid, das ist leider das falsche.« Dass das schon passe, wirft jemand ein. Dass sie das gar nicht interessiere, hält die junge Frau dagegen, solange das richtige Bändchen fehle. »Dann fahren wir jetzt noch mal runter und klären das«, sagt Effenberg. Zwei Minuten später verlässt die Frau den Fahrstuhl. Sie nimmt ihre dunkelblaue Steppjacke mit und wirkt aufgelöst. Sie wird abgelöst. Stefan Effenberg ist da schon auf dem Weg in die Loge.