Der KFC Uerdingen muss sein Wintertrainingslager frühzeitig abbrechen, weil auf dem Platz nicht wie gewünscht trainiert werden kann. Eine weitere Posse rund um den Drittligisten, den wir uns im Winter näher angesehen hatten.
Es sind noch 20 Minuten bis zum Anpfiff, und Stefan Effenberg ist in Rage. Es geht jetzt darum, Widerstände zu brechen. Auch mal kreativ zu denken. Sich etwas zuzutrauen. Der KFC Uerdingen wird an diesem Montagabend auf den MSV Duisburg treffen, der vor dem Spieltag Tabellenzweiter war. Aber Effenberg, der neue Sportdirektor beim KFC, steht nicht etwa vor der Mannschaft. Er hält auch keine Ansprache. Effenberg hat gerade ganz andere Probleme. Ein Ordner weigert sich, ihn durchzulassen, weil ihm die Akkreditierung fehlt. Der Weltpokalsieger, Champions-League-Sieger, der dreifache Deutsche Meister redet auf den Sicherheitsmann ein. Gleich beginnt das Spiel, er muss jetzt hier durch, Freunde der Sonne! Aber der Ordner hält die Stellung.
Effenberg ist die neueste spektakuläre Personalie beim KFC Uerdingen, einem Verein, der in den Achtzigern zur Beletage gehörte. Das 7:3 im Pokal der Pokalsieger 1986 gegen Dynamo Dresden, das als »Wunder von der Grotenburg« in die Geschichte einging, ist eines der besten Spiele aller Zeiten. Mittlerweile ist der KFC aber vor allem das Kuriositätenkabinett der 3. Liga. Geleakte Sprachnachrichten aus der Kabine, Stress im Trainingslager, acht Trainer in 19 Monaten, 31 Rechtsstreitigkeiten in den letzten drei Jahren. Meist dabei im Mittelpunkt: Uerdingens Investor Mikhail Ponomarev, der im Oktober ausgerechnet Stefan Effenberg als Manager vorstellte. Kann das gutgehen?
»Komm schon, geh doch durch die Pfütze! Kauf dir neue Schuhe, 100 000 Euro, macht für euch doch keinen Unterschied.«
»Russenfotze!« Es ist dunkel geworden in Duisburg. Das Montagabendspiel der 3. Liga hat der KFC mit 0:2 verloren. Uerdingen steht im Niemandsland der Tabelle. »Verpiss dich, du Russenfotze!« Über 90 Minuten hat die Mannschaft, in der erfahrene Bundesliga-Spieler wie Jan Kirchhoff, Assani Lukimya oder Adam Matuschyk stehen, einfach zu viele Fehler gemacht. Ein anderer Fehler war es, wegen einer Brückensperrung einzeln zum Auswärtsspiel zu fahren. Viele Spieler haben ihre Privatautos nah am Treffpunkt der Duisburger Fans abgestellt. Und das bedeutet Stress. »Komm schon, geh doch durch die Pfütze! Kauf dir neue Schuhe, 100 000 Euro, macht für euch doch keinen Unterschied.« Ali Ibrahimaj wollte einer großen Wasserlache ausweichen, die sich auf dem Kies des Parkplatzes gebildet hat. So wie er es sonst mit Gegnern tut, wenn er für den KFC die Außenbahn entlangrennt. Aber jetzt ist er den Beleidigungen der Fans ausgesetzt. Russenfotze gehört noch zu den netteren Wörtern. Ibrahimaj macht einen Schritt auf die Typen in Schwarz zu. Will sie zur Rede stellen. Er steht Kopf an Kopf mit ihnen, weitere Schimpfwörter fliegen, die Situation droht im Schatten der Arena zu eskalieren. Dann flüchtet der Spieler in sein Auto, drückt aufs Gas.
Wie reagiert Ponomarev selbst auf solche Anfeindungen? Seit eineinhalb Jahren versuchen wir, ihn zu sprechen, haben in regelmäßigen Abständen Interviews angefragt. Ein Gespräch kam aus unterschiedlichen Gründen nie zustande. Kein Interesse, eine schwache Saison, ein wichtiges Pokalspiel vor der Brust, ein anderes Treffen wurde nach einer Niederlagenserie kurzfristig abgesagt. Für diese Ausgabe konnten wir Fragen nur schriftlich stellen. »Diese Vorfälle sind Ausnahmen. Aber natürlich finde ich es traurig, dass Menschen meinen, mich und meine Spieler aufgrund meines Engagements und meiner Herkunft diskriminierend behandeln zu müssen«, antwortet er.