Heute Abend bestreitet die englische Nationalelf ihr 1000. Länderspiel. Zwei andere Mannschaften sind jedoch gar nicht so weit hintendran.
Heute Abend wird die englische Nationalelf zur ersten Mannschaft, die 1000 Länderspiele auf dem Buckel hat. Zum großen Jubiläum, bei dem der Gegner aus Montenegro kommt, hat der englische Verband sehr viele ehemalige Nationalspieler eingeladen und sich auch einen netten Gimmick ausgedacht: Alle Kicker, die jemals das Trikot mit den drei Löwen trugen, bekommen jetzt ihre eigene Erkennungsnummer. Tyrone Mings, der im Oktober sein Debüt gab, hat die „1244“. Die „1“ gebührt natürlich Robert Baker, der am 30. November 1872 im Tor stand, als sich England und Schottland zum ersten Länderspiel der Fußballgeschichte trafen.
Zur Feier des Tages hat das Sportanalyseunternehmen Opta haufenweise mehr oder weniger interessante Fakten zusammengetragen. Man erfährt, dass Jimmy Mullen im Mai 1950 zum ersten englischen Einwechselspieler wurde, dass ein gewisser Steve Bloomer in jedem seiner ersten zehn Länderspiele ein Tor schoss oder dass zwanzig verschiedene Männer mit dem Nachnamen Smith für England aufgelaufen sind. Das ist natürlich wahnsinnig beeindruckend und flößt Ehrfurcht ein, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass die Schotten, die ja naturgemäß schon ebenso lange Länderspiele austragen wie England, am Samstag erst ihre 776. Partie bestreiten.
Aber dann fragt man sich, wie lange Deutschland wohl noch braucht, um auf die stattliche Zahl von 1000 Länderspielen zu kommen. Und stellt fest, dass es bereits in knapp drei Jahren so weit sein dürfte. Der kommende Auftritt von Jogi Löws Team, in Mönchengladbach gegen Weißrussland, ist nämlich schon das 960. Länderspiel einer DFB-Auswahl – obwohl Deutschland 36 Jahre später startete als die Engländer.
Spätstarter Deutschland
Als deutscher Fan ist man versucht, sich auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Tja, das liegt eben daran, dass wir viel öfter und viel länger bei Turnieren mitmischen als die Engländer.“ Das stimmt zwar, ist aber nicht der einzige Grund für die beeindruckende Aufholjagd. Nazis spielen auch eine Rolle. Nach der Machtergreifung 1933 wurde die Nationalelf sehr hofiert und durfte ständig Testspiele abhalten. Im Kalenderjahr 1935 zum Beispiel trug sie zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im eigenen Land nicht weniger als 17 Partien aus! (Die Engländer traten nur fünfmal an. Als Profis hätten sie eh nicht zu Olympia gedurft, wo damals ein gesamtbritisches Team von Amateuren startete.)
Und auch der Krieg hatte Auswirkungen auf die Fußballstatistik. England spielte ab Juni 1939 bis zur Kapitulation der Nazis gar nicht mehr, während Deutschland in dieser Zeit 39-mal zu Länderspielen antrat, um der Nation zu signalisieren, dass alles unter Kontrolle war und seinen gewohnten Gang ging. Zusammengenommen erklärt all dies – die großen Erfolge, aber auch die besonderen Umstände –, warum Spätstarter Deutschland heute so weit vor großen Fußballnationen wie Frankreich (858 Spiele), Italien (822) oder Spanien (700) liegt.
Fleißige Brasilianer
Doch es gibt noch eine Mannschaft, die den Engländern so stark auf den Fersen ist, dass sie die schon bald nicht nur einholen, sondern überflügeln dürfte. Dabei hat diese Mannschaft noch später begonnen als die deutsche! Die Rede ist natürlich von Brasilien, das erst im September 1914 Partie Nummer eins bestritt, am Freitag aber schon zu seinem 996. Länderspiel auflaufen könnte. Hier muss die Möglichkeitsform gewählt werden, weil die Sache bei den Brasilianern recht kompliziert ist. Wer sich zum Beispiel bei Wikipedia umsieht, verzweifelt schnell. Die Deutschen schreiben den Brasilianern schon jetzt 996 offizielle Partien gut, die Portugiesen 993, die Engländer 971, die Spanier 964.
Bei den normalerweise verlässlichen Statistik-Gurus von der Website RSSSF.com findet man deswegen gleich zwei Listen. Eine mit Spielen, die nach aktueller Lesart offizielle Partien von A‑Mannschaften sind. Laut dieser ersten Liste tritt Brasilien morgen gegen Argentinien zu Spiel Nummer 996 an. In der zweiten Liste sind alle möglichen Spiele mit enthalten, deren Status umstritten ist. Etwa weil der Gegner eine Vereinsmannschaft war oder die Partie bei den Olympischen Spielen stattfand, was Statistiker stets vor Probleme stellt. Diese zweite Liste führt nicht weniger als 1113 Begegnungen auf. Viel Spaß beim Durchnummerieren der Spieler!