In Deutschland wurde Peter Stöger zum Trainer-Shootingstar. Es folgten Millionen-Offerten aus aller Welt. Doch er hörte auf sein Herz.
Der Präsident des FK Austria Wien sprach überschwänglich wie ein Brautvater anlässlich der Vermählung seiner Lieblingstochter mit dem Traum-Schwiegersohn: „Die sportliche Kompetenz von Peter Stöger ist unbestritten und allen klar“, schwärmte Frank Hensel vor wenigen Tagen bei der Präsentation seines neuen Sportchefs: „Ich freue mich aber besonders, dass wir den Menschen und den Austria-Fan Stöger gewonnen haben. Wir haben jemanden gewonnen, der nicht nur Austria-Vergangenheit als Spieler und Trainer hat, sondern ein Herz für die Austria.“
Eigentlich konnte Peter Stöger aus seiner Zeit in Deutschland genug Referenzen vorweisen, um sich für millionenschwere Trainerjobs in milliardenschweren Ligen zu empfehlen. Schließlich führte er den 1. Fußballclub Köln zurück in die Erstklassigkeit (2014), dann zum Klassenerhalt (2015) und später in die Europa League (2017). Einen bedenklich taumelnden BVB rettete er 2018 in die Königsklasse. Anschließend hätte Stöger nach England wechseln können. Nach China. In die Emirate. Überall hätte er im Geld gebadet. Tat er aber nicht. Stattdessen ging der „Ösi-Klopp“ nach Hause und damit – rein Karriere-technisch – zwei Schritte zurück. Freiwillig.
Rapid? Ein Fehler!
Stögers Motiv, das kann man ihm glauben, ist nicht das Geld, sondern: Echte Liebe – zu seiner Heimat, zu seiner Familie und zu seiner Austria, in deren Stadtteil Wien-Favoriten er einst aufwuchs. Als Sportvorstand der „Veilchen“ verdient Stöger vermutlich nicht einmal zehn Prozent von dem, was er bei Borussia Dortmund absahnte: kolportierte drei Millionen Euro in sechs Monaten! Der Mann, der aus Dankbarkeit das halbe BVB-Fan-Sortiment an der Seitenlinie spazieren trug, will nun jenen Klub voranbringen, dessen Farben er im Herzen trägt.
Dass Stöger ein durch und durch Violetter ist, betont er bei jeder Gelegenheit. Schon als Aktiver war er das Gesicht der Wiener Austria. Dass die rivalisierenden Fans von Rapid in seinem Antlitz stets etwas Tierisches sahen und deshalb skandierten „Fest der Pferde, Stöger ist dabei!“, beantwortete der Mittelfeldspieler mit Derby-Toren. Sein späteres Intermezzo beim grün-weißen Stadtrivalen, mit dem Stöger 1996 seinen vielleicht größten Karriereerfolg als Spieler feierte (den Einzug ins Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger gegen PSG, 0:1), bezeichnet er bis heute als „Fehler“.
Nun also ist Peter Stöger zurück bei seiner Austria. Und sichtlich um Sachlichkeit bemüht: „Die Aufgabe, diesen Klub, den ich einigermaßen gut kenne, in einer Führungsposition mitzuentwickeln, ist spannend. Ich habe ein Gefühl dafür entwickelt, ob das die richtige Aufgabe für mich ist. Je mehr Gespräche wir geführt haben, umso klarer ist es für mich geworden“, sagt der 53-Jährige. Zugleich mahnt Stöger jedoch Geduld an, denn wer in Deutschland erfolgreich war, wird in Österreich allzu schnell als Messias oder zumindest als Magier betrachtet: „Nur weil ich hier mitarbeite, machen wir nicht in jeder Sekunde einen Quantensprung. Es bedarf einer gewissen Anlaufzeit.“
Zumal Peter Stöger seinen neuen Posten offiziell erst am 1. August antritt. Dass er in Wahrheit schon viel länger im Hintergrund mitwirkt, sagt einiges über den bestehenden Handlungsbedarf im Verein aus: Die Austria, immerhin 24-maliger österreichischer Meister (zuletzt 2013 unter Coach Stöger), belegte in den beiden zurückliegenden Spielzeiten die Plätze 7 und 5 im amtlichen Endklassement. Eine ziemlich erbärmliche Ausbeute in einer Mini-Liga, die zur Hälfte aus „Dorf-Klubs“ besteht.
Eine durch und durch strategische Aufgabe
Nun will „Stögsi“, wie er in Österreich gerufen wird, den Verein zumindest wieder ins internationale Geschäft führen. Möglichst bald. Mehr verspricht er dem leidgeprüften Austria-Anhang nicht: „Ich werde den Teufel tun, jetzt irgendeine Marschroute herauszugeben.“ Erst nach zwei Jahren, wenn sein Vertrag ausläuft, will Stöger eine vorläufige Bilanz ziehen: „Kann ich das umsetzen, was ich glaube? Macht mir das Spaß? Bin ich der Mann, der den Verein auf dieser Position weiterentwickeln kann?“
Etwaige Befürchtungen, der Heimkehrer könne beim ersten Angebot aus Deutschland gleich wieder von dannen ziehen (wie 2013, als er trotz Champions-League-Qualifikation zum damaligen Zweitligisten nach Köln wechselte), versucht Stöger zu zerstreuen: „Ich bin so lange in diesem Geschäft, dass ich aufgehört habe, mit irgendetwas abzuschließen“, sagt der 65-malige österreichische Nationalspieler. Klar sei jedoch, dass ihn bei der Austria eine durch und durch strategische Aufgabe erwarte: „Das sollte im Normalfall mit Kontinuität verbunden sein.“
Austria-Boss Frank Hensel darf sich also zufrieden zurücklehnen und seinem Traum-Sportvorstand bei der Arbeit zusehen: „Ein langfristiger Plan von mir wurde zu Ende gebracht, das Thema Stöger hat mich beschäftigt, seit ich hier Präsident geworden bin (September 2018; die Redaktion). Er war immer mein Wunschkandidat.“ Und die Wiener Austria war immer Stögers große, nein: Echte Liebe.