Auch beim letzten WM-Spiel Katars machte wieder ein Block nach Ultra-Vorbild Stimmung für die Gastgeber. Aber wer sang da wirklich? Und wie viel echte Leidenschaft steckte dahinter?
Keine Fußballkultur in Katar? Bezahlte Claqueure, die Fans aus aller Herren Länder mimen? Nun, zumindest die katarischen „Ultras“, die sich während der Vorrundenspiele des WM-Gastgebers zu einer (kleinen) weinroten Wand formierten, waren beeindruckend. Sie wirkten so emotional, so engagiert. So echt. Wie bitte? Auch die waren nichts anderes als ein Voll-Fake?
Kein Geringerer als die renommierte New York Times berichtet, dass es sich bei dem lautstarken, rund 1.500 Mann zählenden Unterstützer-Trupp in den weinroten bzw. kastanienfarbenen „Qatar“-Shirts um eine Art Fremdenlegion handelte. Demnach hatte Katar die Jungs bereits im Oktober aus dem arabischsprachigen Ausland eingeflogen, damit sie in Ruhe die katarische Nationalhymne und andere „landestypische“ Gesänge einstudieren konnten. Natürlich bekamen die Aushilfs-Ultras neben freier Kost und Logis auch ein stattliches „Taschengeld“.
Rückblick. Das zweite Gruppenspiel Katars gegen den Senegal (1:3): Mitte der zweiten Hälfte war das ohrenbetäubende Trommeln im Block der „Heimfans“ urplötzlich verstummt. Ein breitschultriger Mann mit Anglerhut und Sonnenbrille hatte das Kommando erteilt. Die Ultras folgten dem Capo und verfielen in einen kurzen Moment der Stille. Dann folgte eine weitere gebieterische Geste, und die Menge brachte die Wüste wieder zum Beben. Das Ganze hatte einen Hauch von, sagen wir: Al-Ahly Kairo. Oder USM Algier.
„Spielt, Kastanienfarbene!“, sangen sie unisono, während sie mit ineinander verschränkten Armen in langen Reihen auf und ab hüpften. Das Ganze wirkte so eingespielt, dass fankundige Beobachter im Stadion sofort einen schlimmen Verdacht äußerten. Schließlich sitzen in der heimischen „Qatar Stars League“ selbst bei absoluten Topspielen selten mehr als 1.000 Zuschauer auf den Rängen. Die Betonung liegt auf: sitzen. Eine Ultra-Fankultur wie in Südamerika, Europa, Nordafrika oder Süd-Asien gibt es im WM-Gastgeberland nicht. Hat es nie gegeben.
„Katarer unterstützen ihr Team nicht wirklich auf diese Weise“, bestätigte Abdullah Aziz al-Khalaf, ein katarischer Human-Ressources-Manager mit VIP-Pass für die WM, der New York Times: „Weil wir in Katar eben kaum zu den Spielen gehen.“
Und noch etwas an den „katarischen“ Ultras war, nun ja, ausgesprochen merkwürdig: Der große Anteil an großflächig Tätowierten. Körperkunst dieser Art ist im streng islamischen Katar eher verpönt und wird schon gar nicht offen gezeigt. Die Stimmungs-Profis in den kastanienfarbenen T‑Shirts aber entblößten frank und frei ihre arabischen Schriftzüge, Tribals oder sonstige Hautgemälde. Wer also sang da wirklich?
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