In Dortmund lachte sich Thomas Doll einst so sehr den Arsch ab, dass ihn kein Bundesligaklub mehr wollte. Mit Ferencvaros Budapest hat er nun vorzeitig die Meisterschaft gewonnen.
Und vermutlich hat Zumdick Recht, auf Dauer kann Ferencvaros, die im Juli in der Europa-League-Qualifikation gegen Sarajevo ausgeschieden sind, nicht der Anspruch eines Trainers sein, der schon mal um die deutsche Meisterschaft mitgespielt hat. Denn auch abseits des Sportlichen genießt der ungarische Fußball zumindest in Deutschland nicht den besten Ruf.
In etlichen Klubs sitzen Parteifreunde von Ministerpräsident Viktor Orban. Die Regierung vergibt seit ein paar Jahren immer wieder Bauaufträge für überdimensionierte Arenen. Nutznießer sind Unternehmen, die wiederum die Partei finanzieren. Besonders grotesk ist das, weil der Zuschauerschnitt der Liga aktuell bei 3000 liegt.
Außerdem hat Gabor Kubatov, Ferencvaros-Präsident und Generalsekretär von Orbans Fidesz-Partei, den Ultras den Kampf angesagt. Die Fans müssen ihre Hände seitdem in einen Venenscanner legen. Zum Derby gegen MTK waren deshalb nur 6000 Zuschauer in einem Stadion, das 24.000 Platz bietet. Doll, Hajnal und die anderen finden das zwar schade, aber mehr wollen sie dazu nicht sagen.
Auch am Samstagabend sitzen nur 9000 Fans auf den Tribünen, bei einem Spiel zweier Klubs, die Legenden wie Sandor Kocsis oder Ferenc Puskas hervorgebracht haben.
Der zehnte Sieg im elften Spiel
Honved trifft nach zehn Minuten zum 1:0. Dolls Abwehrspieler laufen bei dem Gegentor orientierungslos über den Rasen, es sieht ein bisschen aus wie vorgestern beim Bubble Ball. Wird das die erste Niederlage der Saison? Thomas Doll schreit und pfeift und gestikuliert, Zumdick steht mit verschränkten Armen daneben. Noch vor der Pause gleicht Tamas Hajnal aus. Das Tor ist fein herausgespielt, eine Kombination, wie gestern im Training einstudiert. Schließlich schießt Roland Varga den Siegtreffer, die Serie hält, es ist der zehnte Sieg im elften Spiel.
Wenige Minuten nach dem Schlusspfiff sitzt Thomas Doll wieder mal in einer Pressekonferenz. Er sagt, heute sei ein sehr schöner Tag. Seine Mutter habe Geburtstag. Außerdem sei ja der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit. Auch das sei für ihn, den „Ossi aus Malchin“, etwas Besonderes.
Und dann ist da dieses fantastische Jahr mit Ferencvaros. „Wir haben zuletzt im Oktober verloren? Im Oktober 2014!“, sagt er. Die Rede dauert 1:45 Minuten, und am Ende spürt man, dass Doll wieder unterwegs ist, mit den besten Freunden, auf seiner inneren Route 66. Sind seine Augen feucht? Er sagt jedenfalls: „Jetzt werde ich sentimental.“ Aber noch bevor der Dolmetscher den Satz übersetzt hat, ergänzt er: „Nein, nein, alles gut.“ Thomas Doll winkt ab. Er hat alles im Griff.