RB Leipzig hat Trainer Alexander Zorniger entlassen. Das beweist die Ungeduld von Sportdirektor Rangnick, die auch den Wunschkandidaten Thomas Tuchel verhindern könnte
Wenn man sich mit Ralf Rangnick unterhält, kann er wunderbare Geschichten darüber erzählen, wie absurd das Leben eines Trainers oft ist. Es geht bei diesen Anekdoten meistens um absurdes Geklüngel hinter den Kulissen, Kompetenzgerangel und schlichte Willkür. Da mag eine Menge dran sein, aber Rangnick ist auch einer, der es sowieso meistens besser weiß. Manchmal sogar besser als der Fahrer des Mannschaftsbusses, weil der nicht rechtzeitig den Verkehrsfunk hört. Und dann ist es natürlich keine gute Sache, wenn es noch Vorgesetzte gibt, die wider dieses bessere Wissen entscheiden.
„Ich bin in der Tat jemand, der die Dinge nicht zufällig entwickelt, sondern auch Einfluss auf Entscheidungsprozesse nehmen möchte“, hat Rangnick im letzten Jahr in einem Interview gesagt. Insofern war es 2012 für ihn auch die richtige Entscheidung, nach der Erholung von seinem Burnout nicht als Trainer, sondern als Sportdirektor von RB in Salzburg und Leipzig zurückzukehren. Nun ist er es nämlich, der das letzte Wort hat. Zwar könnte man meinen, dass ehemalige Trainer auf dem Posten des Sportdirektors die geborenen Trainerversteher sind, aber im Fall Rangnick dürfte es eher andersherum sein. Im Zweifelsfall hat er nämlich zu jeder Trainingseinheit und zu jedem Spielzug eine Idee, wie man das anders und besser machen könnte.
„Im Herzen bin ich auf jeden Fall Trainer“
Ralf Rangnick kann jedenfalls anschaulich erzählen, wie er Roger Schmidt die Flausen austrieb, als der mit Träumen von hochfliegendem Offensivfußball zu RB Salzburg kam. Beim österreichischen Serienmeister verpasste Rangnick ihm einen Grundkurs Pressingfußball, und dann kam die Sache ja auch wirklich in die Spur. „Im Herzen bin ich auf jeden Fall Trainer, und ich weiß, dass vor allem meine Anfangszeit als Sportdirektor für meine Trainer in Salzburg und Leipzig nicht ganz einfach war“, sagte Rangnick der Süddeutschen Zeitung vor drei Monaten in einem Interview.
Vielleicht ist es inzwischen für Trainer etwas einfacher, aber Rangnick hat auch einen besessenen und mitunter fast trotzigen Willen zum Erfolg. Wenn sich diesem Willen irgendwas oder irgendwer entgegenstellt, marschiert er auch mal durch die Wand. Oder um den Platz, wie bei seiner legendäre Demission in Schalke, als er in der Arena vor Spielbeginn eine Ehrenrunde drehte. Oder als er bei dem Klub, den er groß gemacht hatte, Anfang 2011 einfach hinschmiss, nachdem in Hoffenheim über seinen Kopf hinweg Luiz Gustavo an den FC Bayern verkauft wurde. Unheimlich genervt hatte Rangnick auch, dass Salzburgs bester Spieler Sadio Mané im letzten Sommer keinen Gedanken an einen Wechsel nach Leipzig verschwendete, weil er nicht in die zweite Liga wollte. Jetzt ist der Senegalese im Sensationsteam des FC Southampton einer der Stars der Premier League. Vielleicht hätte Rangnick auch gerne Kevin Kampl innerhalb des Konzern transferiert, doch der entschied sich für den Wechsel von Salzburg nach Dortmund.
Allerdings waren bei diesen Transfers nicht inkompetente Bosse schuld, sondern die Umstände, und die will Rangnick unbedingt ändern. Ab der nächsten Saison wird er sich als Sportdirektor nur noch um den Standort Leipzig kümmern. Verständlich, dass er dann nicht mehr nach Sandhausen oder Aalen fahren, sondern gegen Bayern, Schalke und Dortmund spielen will. Außerdem mag er zwar viel von der Nachhaltigkeit und Projekthaftigkeit in Leipzig erzählen, aber er weiß auch, dass Erfolg im Fußball an den Investitionen gemessen wird. Und da hat RB Leipzig sowieso nichts mit dem Rest der Zweiten Liga zu tun.
In der Winterpause gaben nur zwei deutsche Klubs mehr Geld für Transfers aus: Der VfL Wolfsburg für André Schürrle und Borussia Dortmund elf Millionen für den schon erwähnten Kampl. RB bezahlte für den Israeli Omer Damari fünf Millionen an Austria Wien und 3,7 Millionen Euro für den schwedischen Nationalspieler Emil Forsberg an den Champions-League-Teilnehmer Malmö FF. Insgesamt investierte der Klub in dieser Saison damit 24 Millionen Euro allein in Ablösesummen und wurde damit nur von Dortmund und Wolfsburg übertroffen.
Zorniger war bereits ein erledigter Fall
All das zeigt: RB Leipzig soll in die Bundesliga durchgeprügelt werden, so wie einst Hoffenheim, wo erst von nachhaltigem Wachstum geredet wurde und dann plötzlich die Brasilianer Carlos Eduardo und Luiz Gustavo kamen. „Wir sagen offen: Die erste Liga ist unser Ziel, wir sind da auch durchaus ungeduldig“, hat Rangnick wiederholt gesagt. Insofern war die Mischung aus Ergebnissen und seiner Haltung für den nun entlassenen Trainer Alexander Zorniger der schlechteste mögliche Mix. Fünf Spiele ohne Sieg inklusive der 0:2‑Niederlage zum Rückrundenstart in Aue waren sportlich unpassend. Unpassender noch war aber aus Sicht von Rangnick, dass Zorniger schon vor der Winterpause gesagt hatte, es wäre für den Klub vielleicht ganz gut, noch eine Saison zweitklassig zu bleiben. Im Grunde war er damit ein erledigter Fall, trotz der Verdienste um den Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga. Zornigers Vertrag lief zwar noch bis zum Ende übernächster Saison. Am Dienstag wurde ihm mitgeteilt, dass er nicht bis übers Saisonende hinaus bleiben sollte. Daraufhin zog er den Schlussstrich, offiziell „einvernehmlich“.
Noch in der letzten Woche hatte Rangnick gesagt, dass der Klub „geisteskrank“ sei, wenn er über den Trainer debattieren würde. Nun ist Zorniger weg, und wäre Rangnick heute noch Coach, würde er diese Geschichte wohl als weiteren Beleg für den Irrsinn des Trainerjobs erzählen. Seine Ungeduld auf dem Weg zum Erfolg könnte aber auch verhindern, dass der angebliche Wunschtrainer Thomas Tuchel wirklich nach Leipzig kommt. Denn der hat den Übertrainer Rangnick als Vorgesetzten schon in Stuttgart erlebt, als er dort die A‑Jugend trainierte. Man schätzt sich, heißt es aus dem Umfeld von Tuchel, aber man kennt sich eben auch.