Erst kürzlich haben wir über junge deutsche Spieler, die im Ausland spielen, berichtet. Dabei beleuchteten wir den Werdegang von Kickern, die sich schon sehr früh den Traum vom Ausland erfüllten. Einen Traum, den andere Spieler ihre ganze Karriere lang träumen. Unsere Beispiele zeigten, dass viele Jugendspieler sich lieber bei einem ausländischen Klub ausbilden lassen als bei einem deutschen. Dabei muss es gar nicht mal ein Top-Klub aus England oder Spanien sein, der den Vorzug erhält.
So ist es auch bei Savio Nsereko. Der gebürtige Ugander mit deutschem Pass wechselte im Sommer 2005 mit 15 Jahren von 1860 München zu Brescia Calcio. Brescia war kurz zuvor in die Serie B abgestiegen. Spätestens aber seitdem die deutsche U19 im vergangenen Sommer mit vier Spielern von 1860 München die Europameisterschaft gewonnen hat, ist bekannt, dass bei den Löwen gute Nachwuchsarbeit geleistet wird. Warum also zog er damals die Jugendabteilung von Brescia der von 1860 München vor?
»Ich bin ein junger Spieler und brauche Spielpraxis«
Die Antwort liegt nicht auf der Hand und doch ist sie durchaus logisch. Zunächst einmal liegt sie in dem Wesen Nserekos begründet. Er ist ein ziemlich unaufgeregter Typ, sieht seinen Entwicklungsstand nüchtern. »Ich bin ein junger Spieler und brauche Spielpraxis. Da bringt es mich nicht weiter, wenn ich nur mit Stars in einer Mannschaft spiele, mir aber am Wochenende die Spiele von der Tribüne aus angucke«, so Nsereko.
Er stellt mit diesem gelebten Leitsatz einen Antipoden zu all den Schlaudraffs, Kroos’ und Podolskis dar, die zu schnell den Schritt zu einem Top-Klub wagten und schließlich allesamt auf der Bayern-Bank ihr Talent beim Schrumpfen beobachteten.
Zu dieser Grundeinstellung, was die Wahl des richtigen Vereins angeht, kommt hinzu, dass Savio Nsereko die italienische Nachwuchsarbeit höher bewertet als die deutsche: »Die Italiener machen das insofern besser, als sie mehr im taktischen und technischen Bereich arbeiten. Die technische Verfeinerung ist auch intensiver. In Deutschland wird mehr auf die koordinativen und konditionellen Eigenschaften geachtet«.
Die Entscheidung für die Serie B und Brescia war offensichtlich die richtige. Nach nur fünf Einsätzen im Profiteam während der Spielzeiten 06/07 und 07/08 gelang ihm bei der letztjährigen U19 EM der Durchbruch. An der Seite seiner ehemaligen Münchner Jugendkollegen trat er den Beweis seiner taktisch und technisch erstklassigen Ausbildung an. Nach dem Sieg im Finale gegen Italien, dem er wegen einer Gelbsperre fernbleiben musste, wurde er zum Spieler des Turniers gewählt. Prompt bekam er ein Angebot von Inter Mailand, dass er ausschlug. Seitdem ist er ein fester Bestandteil in Brescias Team geworden, hat 17 Spiele in der Hinrunde gemacht, dazu ein Tor erzielt und vier Vorlagen gegeben.
Mittlerweile wird Nsereko gar mit dem Michael Owen von vor zehn Jahren verglichen. Was Nsereko zudem so interessant macht, ist seine Vielseitigkeit. Offensiv kann er prinzipiell alles spielen. Die Aufmerksamkeit der europäischen Vereine wird dadurch nicht geringer. Brescias Präsident Gino Corioni hat kürzlich verkündet, dass quasi halb Europa Nsereko jage. »Große italienische und ausländische Klubs sind wegen Savio bereits an mich herangetreten. Auch Bayern München hat sich informiert.«
Kaum ist dies bekannt geworden, fühlte sich West Ham United, der englische Pleite-Klub, dazu bemüßigt, elf Millionen Euro für Savio Nsereko zu bieten. Wie lange Nsereko seinen Weg der steten Entwicklung noch geht, wird spannend zu beobachten sein. Sein Nahziel bleibt indes, mit Brescia in die Serie A aufzusteigen.
Leichter würde es dadurch nicht, den Verlockungen der großen Vereine zu widerstehen. Vielleicht ist er dann aber auch schon reif für einen großen Klub.