In Bremen wollen sie mit Trainer Florian Kohfeldt den Abstieg abwenden. Doch was passiert, wenn alles so weitergeht wie in der Hinrunde? Ein tiefer Blick in die Werder-Seele.
Bremens Erfahrungen mit der Zweiten Liga sind in etwa so alt wie ich. Als Werder das letzte Mal abgestiegen ist, war meine Mutter mit mir schwanger. Während der Hinrunde der Zweitliga-Saison 1980/81 kam ich dann unweit des Weserstadions zur Welt, am Tag nach einem 1:1 im Spitzenspiel gegen Hertha BSC. Die Torschützen damals: Erwin Kostedde und Walter Gruler.
So steht es in den Archiven, ebenso wie die unglamourösen Namen der übrigen Gegner in dieser Saison: Bocholt, Herford, Lüdenscheid, Erkenschwick. Nach einem Jahr in der 2. Bundesliga Nord ist Werder wieder aufgestiegen.
Das alles habe ich nachgelesen. Denn meine Erinnerung beginnt erst mit Otto Rehhagel und Rudi Völler. Ich bin aufgewachsen mit Meisterschaften, Pokalsiegen und magischen Europapokalnächten gegen Spartak Moskau, den BFC Dynamo und den Maradona-Klub SSC Neapel. Nächte, die man in Bremen „Wunder von der Weser“ taufte und die mir auch deshalb in Erinnerung geblieben sind, weil ich an solchen Abenden länger aufbleiben durfte.
Diese Spiele haben einen gewissen Lokalpatriotismus in meiner Generation geprägt, genau wie einige Jahre später die Ära Thomas Schaaf. Werder war immer etwas, auf das wir als Bremer stolz sein durften. Die finanzielle Lage mag düster sein, die Schulen marode. Aber im Fußball hielten wir mit den Großen mit – und ärgerten manchmal sogar die Bayern.
Das ist lange her. Werder hat inzwischen so einige magere Jahre hinter sich, in denen wir Bremer oft damit gerechnet haben, dass die Mannschaft nun wirklich reif ist für die Zweite Liga. Aber die Mannschaft hat sich – auch mit Hilfe der Fans – immer wieder gerettet.
Erst vor gut zwei Jahren wurde es langsam besser. Denn da kam plötzlich Florian Kohfeldt um die Ecke. Einer aus unserer Generation, Jahrgang 1982. Einer, der nicht genug Talent hatte, um es als Spieler in den Profifußball zu schaffen, so wie wir ja auch. Ein cooler Typ, ein ganz normaler Bremer aus der Nachbarschaft. Gut, eigentlich kommt er aus Delmenhorst, aber das ist schon okay.
Denn Kohfeldt ist anders als seine am Ende erfolglosen Vorgänger, das war von Anfang an unser Eindruck. Anders als der Schwabe Robin Dutt weiß er um die Besonderheiten in Bremen. Anders als Viktor Skripnik ist er offen, freundlich und kommunikativ. Und auch Kohfeldts Fußball-Sachverstand schätzen viele in Bremen deutlich höher ein als den von Alexander Nouri.
Deswegen haben wir Bremer uns festgelegt: Kohfeldt soll es sein, ihm vertrauen wir diesen Verein an. Beziehungen mit Trainern sind in Bremen, wenn es gut läuft, fast wie eine Ehe: 14 Jahre mit Otto Rehhagel, 14 Jahre mit Thomas Schaaf. Und jetzt hoffentlich auch mindestens 14 Jahre mit Florian Kohfeldt. So das Gefühl im Sommer.
Die vergangene Saison schien uns recht zu geben. Werder spielte begeisternden Offensiv-Fußball, Kohfeldt beeindruckte Taktik-Gurus und Fans. Zwar verpasste Werder das Saisonziel Europapokal. Aber es machte wieder Spaß, ins Stadion zu gehen.