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Das Inter­view erschien erst­mals im Juni 2013 in 11FREUNDE #139.

Hans-Jürgen Dörner, ist Franz Becken­bauer eigent­lich je Dörner des Wes­tens“ gerufen worden?
Hüb­sche Vor­stel­lung, aber ich bin mir sicher, dass er das nie zu hören bekommen hat.

Sie wurden mit Becken­bauer ver­gli­chen, weil Sie die Rolle des freien Mannes ähn­lich kreativ und offensiv inter­pre­tierten. Dabei sah Sie Ihr Trainer Walter Fritzsch bei Dynamo Dresden zunächst gar nicht als Libero.
Ich rückte in die erste Her­ren­mann­schaft auf, als Dynamo gerade wieder in die Ober­liga auf­ge­stiegen war. 1969 hatte ich noch bei einem UEFA-Tur­nier in Leipzig als Libero gespielt und war als bester Spieler des Tur­niers aus­ge­zeichnet worden. Das Erste, was Fritzsch zu mir sagte, war: Also Libero spielst du hier nicht!“ Da brach erst mal eine kom­plette Welt für mich zusammen.

Eine päd­ago­gi­sche Maß­nahme?
Ich hab mich zumin­dest bemüht, es nicht zu ver­bissen zu sehen. Ich hab dann als Mit­tel­stürmer gespielt und das eine oder andere Tor gemacht. All das war durchaus zu meinem Vor­teil, ich war fle­xibel ein­setzbar und bin mit der Zeit immer weiter nach hinten durch­ge­rutscht.

Sie sind in Gör­litz geboren und haben dort auch die ersten Jahre Fuß­ball gespielt. Ihr Talent blieb nicht lange ver­borgen. War es zwangs­läufig, dass Sie in Dresden lan­deten?
Es gab damals den Bezirk Dresden, für den ein Jugend­aus­wahl­trainer zuständig war. Der hat lan­ciert, dass ich zu Dynamo komme. Ich habe mir mit 16 Jahren über­haupt keine Gedanken über andere Ver­eine wie Mag­de­burg oder Leipzig gemacht.

Wie groß war die Umstel­lung von Gör­litz zu Dresden?
Eine totale Umstel­lung. In Gör­litz hatte ich nur zweimal in der Woche trai­niert, nun plötz­lich fünfmal plus die Spiele am Wochen­ende. Ich habe im Internat gewohnt und war ganz allein auf mich gestellt. Es gab nie­manden, der sich spe­ziell um mich geküm­mert hätte.

Coach Walter Fritzsch, der von Stahl Riesa nach Dresden gekommen war, wurde gerne mit zwei Attri­buten beschrieben: klein und streng.
Was hun­dert­pro­zentig auf ihn zutraf. Er war ziem­lich auto­ritär und hat sehr auf Dis­zi­plin geachtet. Viel­leicht liegt das daran, dass kleine Leute glauben, sich durch­setzen zu müssen. Wir hatten ein paar grö­ßere Spieler drin, viele erfah­rene Leute. Aber im Grunde zählte nur seine Mei­nung.

War es schwierig, sich als junger Spieler unter­zu­ordnen?
Manchmal schon, aller­dings wurde schnell klar, dass wir mit Fritzsch Erfolg haben würden. Vorher war Dynamo eine Fahr­stuhl­mann­schaft. Seit Fritzsch da war, spielten wir prak­tisch jedes Jahr um die Meis­ter­schaft mit und qua­li­fi­zierten uns für den Euro­pa­pokal. Am Ende hatten wir mit ihm fünf Meis­ter­titel geholt und zwei Pokal­siege. Das gab ihm recht.

Hans-Jürgen Dörner

wurde am 25. Januar 1951 in Gör­litz geboren, spielte dort als Jugend­li­cher bei der BSG Energie und Motor WAMA. Als 18-Jäh­riger debü­tierte er in der ersten Mann­schaft von Dynamo Dresden und war maß­geb­lich an den großen Erfolgen in den sieb­ziger Jahren betei­ligt: 5 Meis­ter­schaften, 4 Pokal­siege, dazu 68 Begeg­nungen im Euro­pa­pokal. 1977, 1984 und 1985 wurde Dörner Fuß­baller des Jahres in der DDR. Auch in der Natio­nalelf war Libero Dörner eine feste Größe, er bestritt von 1969 bis 1985 100 Spiele. 1976 holte er mit der Olympia-Aus­wahl in Mont­real Gold.

Die Idee des Walter Fritzsch in wenigen Worten?
Er hat unheim­lich viel Wert auf Spiel­in­tel­li­genz gelegt. Die ganze Mann­schaft sollte in Bewe­gung sein, mit­denken und vor­aus­schauend spielen. Sie sollte den Gegner früh­zeitig unter Druck setzen und zu Ball­ver­lusten zwingen. Sie sehen, das gibt es nicht nur heute, son­dern auch schon in den sieb­ziger Jahren.

Dazu braucht man die rich­tigen Spieler.
Die hat er in Dresden gehabt. Eine gute Mischung aus erfah­renen, tech­nisch gut aus­ge­bil­deten Spie­lern und jungen Talenten, die aus den Nach­wuchs­mann­schaften nach­rückten. Eine tolle Mann­schaft! Vorne Hans-Jürgen Krei­sche, ein sen­sa­tio­neller Tor­jäger. Und natür­lich Rein­hard Häfner, der aus Erfurt kam und den Spiel­aufbau orga­ni­siert hat.

Und Sie nicht zu ver­gessen! Sie haben den Libero ja sehr offensiv inter­pre­tiert und waren oft tor­ge­fähr­li­cher als manch ein Mit­tel­feld­spieler.
Das ist richtig, aber man hat mich auch gelassen. Der Trainer hat es erlaubt und die Mann­schaft hat es mit­ge­tragen. Wenn ich mar­schiert bin, ließ sich ein anderer fallen.

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Pic­ture Alli­ance

Die Dresdner Domi­nanz in den Sieb­zi­gern liest sich auch heute noch beein­dru­ckend. Von 1969 bis 1980 lan­dete Dynamo stets unter den ersten drei Mann­schaften. Gab es in diesen Jahren einen Erz­ri­valen?
Gerieben haben wir uns vor allem an Jena. Die Spieler haben sich unter­ein­ander gut ver­standen, aber es prallten zwei Trai­ner­phi­lo­so­phien auf­ein­ander. Hier die Buschner-Schule, die von Hans Meyer wei­ter­ge­führt wurde und die einen starken Akzent auf Ath­letik und Beweg­lich­keit legte. Die Spieler von Carl Zeiss waren uns da weit voraus. Und auf der anderen Seite Walter Fritzsch mit seiner Phi­lo­so­phie des schönen, attrak­tiven, intel­li­genten Fuß­balls.

Damit konnte Dynamo auch inter­na­tional mit­halten.
Hier hat alles gespielt, was Rang und Namen hatte. Der FC Liver­pool, Ajax Ams­terdam, Juventus Turin und natür­lich Bayern Mün­chen. Die beste Mann­schaft, die je in Dresden gespielt hat, war Ajax. Die liefen mit der halben Natio­nal­mann­schaft auf, mit Johan Nees­kens, Johan Cruyff, Arie Haan, dazu Horst Blan­ken­burg. In Ams­terdam ver­loren wir 0:2 und haben uns in Dresden immerhin ein 0:0 erkämpft. Die holten anschlie­ßend auch den Euro­pa­pokal. Diese euro­päi­schen Spiele sorgten dafür, dass die Dresdner Zuschauer ganz schön ver­wöhnt waren.

Bis heute wird viel vom deutsch-deut­schen Duell im Ach­tel­fi­nale 1973 erzählt. Der BRD-Meister gegen den DDR-Meister, Bayern Mün­chen gegen Dynamo Dresden.
Dieses Spiel wurde hüben wie drüben hoch­sti­li­siert, zum Klas­sen­kampf auf dem grünen Rasen. Sport­lich haben sie uns in Mün­chen ein wenig unter­schätzt, vor­sichtig aus­ge­drückt. Die Bayern waren offen­sicht­lich ein biss­chen erschro­cken, dass da eine Mann­schaft aus dem Osten kommt und tat­säch­lich guten Fuß­ball spielt. Beide Spiele waren unglaub­lich span­nend, wir haben im Olym­pia­sta­dion geführt, und die haben hier geführt.