RB Leipzig darf heute in der Europa League gegen RB Salzburg antreten. Offenbar sieht die Uefa die „Integrität des Wettbewerbs“ nicht in Gefahr. Die Verflechtungen zwischen beiden Klubs erzählen jedoch eine komplett andere Geschichte.
In Leipzig und in Salzburg pfeifen es die Spatzen längst von den Dächern. Im Januar soll der nächste Transfer aus der Mozartstadt in Richtung Sachsen steigen. Diesmal geht es um den Mittelfeldspieler Amadou Haidara aus Mali. Den wollte Leipzigs allgewaltiger Ralf Rangnick eigentlich schon im Sommer nach Leipzig delegieren, aber – das blöde Financial Fairplay.
Und auch sonst wollte man die Uefa nicht verärgern, denn der ständige Exodus von RB zu RB sieht doch sehr nach Farmteam-Wirtschaft aus – was es bekanntlich auch ist, offiziell aber nicht sein darf. Rund 20 (!) Spieler gingen in den vergangenen Jahren den Weg, den bald auch Haidara beschreiten soll. Der Hochgelobte muss bloß noch ein bisschen warten. Und so könnte es zu der Peinlichkeit kommen, dass Haidara heute gegen jenen Klub antritt, der ab Januar sein Arbeitgeber ist und mit dem er auch im Frühling gerne noch international spielen will.
„Bei diesen hat auch der FC Red Bull Salzburg eine Rolle gespielt“
Dass RB Salzburg schon lange ein (in)offizieller Selbstbedienungsladen für RB Leipzig ist, stellt für Leipzigs Vorstandsvorsitzenden Oliver Mintzlaff kein Problem dar. Auch nicht mit Blick auf die von der Uefa – zumindest laut Statut – streng geschützte Integrität des Wettbewerbs: Man sehe „die sportliche und persönliche Weiterentwicklung von Sportlern als eine unserer Hauptverantwortungen gegenüber den Sportlern und dem Sport“, erklärte RB Leipzig vor gut einem Jahr auf Anfrage von 11FREUNDE. Und: „Entsprechend wurden in der Vergangenheit mit potenziellen oder bereits unter Vertrag stehenden Spielern sportliche Entwicklungsmöglichkeiten besprochen und Szenarien (bspw. eine Leihe oder ein Transfer) erarbeitet. Bei diesen hat auch der FC Red Bull Salzburg eine Rolle gespielt.“ Kann man wohl sagen.
Darf die Uefa sich wirklich so vorführen lassen? In ihrem Regulativ zur Integrität des Wettbewerbs heißt es sinngemäß, dass nicht ein- und dieselbe (juristische oder natürliche) Person bei zwei oder mehr Europacup-Teilnehmern das Sagen haben dürfe. Tatsächlich aber werden sowohl RB Leipzig als auch RB Salzburg von Red Bull beherrscht. Um das zu vertuschen, betreibt der Getränkekonzern seit Jahren ein Katz- und Mausspiel, das die Uefa der Lächerlichkeit preisgibt: So wurde 2017, kurz vor dem Start der neuen Europacup-Saison (für die erstmals Leipzig und Salzburg qualifiziert waren), bei RB Salzburg in einer Nacht- und Nebelaktion der bisherige Vorstandsvorsitzende Rudolf Theierl verabschiedet. Der Betriebswirt hatte den Klub seit 2015 geleitet – angeblich völlig unabhängig von „Sponsor“ Red Bull. Blöd nur, dass Theierl langjähriger Prokurist des Getränkeherstellers sowie Geschäftsführer mehrerer Red-Bull-Tochterfirmen gewesen war und bis 2014 im Vorstand von RB Leipzig saß.
70 Millionen Euro für die Jahre 2005 bis 2023
Ein vermeintlich vorzeigbarer neuer Vorstandsvorsitzender für RB Salzburg war schnell gefunden: Harald Lürzer, ein Gastro- und Hotellerie-Unternehmer aus Obertauern, der allerdings ausgiebige Business-Beziehungen zu Red Bull unterhält. Lürzer bezieht nicht nur im großen Stil die Limonaden-Produkte aus dem Hause Dietrich Mateschitz, er darf seine Betriebe auch auf Mateschitz‘ Formel-1-Rennstrecke in Österreich präsentieren. Auch die beiden übrigen RB-Salzburg-Vorstände Franz Rauch und Herbert Resch stehen in engen Geschäftsbeziehungen zu Red Bull.
Rauch macht glänzende Geschäfte als Abfüller für Red Bull. Resch, langjähriger Rektor der privaten Salzburger Paracelsus Medizinischen Universität (PMU), sieht seine Forschung maßgeblich durch Mateschitz und Red Bull finanziert, für die Jahre 2005 bis 2023 stellt das Unternehmen über 70 Millionen Euro bereit. Die Uefa müsste sich nur eine Frage stellen: Kann eine Salzburger Vereinsführung um Lürzer, Rauch und Resch „auf irgendeine Art und Weise“ von einer natürlichen (Mateschitz) oder juristischen Person (Red Bull) „beeinflusst werden“? Und zwar „entscheidend“, wie es im Uefa-Statut zur „Integrität des Wettbewerbs“ steht?
Mit dieser Bestimmung will der Kontinentalverband eigentlich verhindern, dass im Europacup zwei oder mehr Klubs (gegeneinander) antreten, die einer Stallregie unterliegen, wie in Mateschitz‘ Formel-1-Team durchaus üblich. Dass RB Leipzig entscheidend von Red Bull beeinflusst wird, bestreitet nicht einmal Red Bull selbst.
Folglich hätte die Uefa in diesem Jahr wie im Vorjahr Leipzigs Europacup-Ausschluss verfügen müssen. Denn das Uefa-Regulativ schreibt vor, dass in einem solchen Fall der im nationalen Ligabetrieb schlechter platzierte Klub international zuschauen muss. Und Salzburg ist nun mal (Serien-)Meister. Patron Mateschitz schien jedoch schon im Frühling 2017 gewusst zu haben, dass die Uefa seinem Treiben tatenlos zuschauen würde. „Es ist alles geregelt“, teilte der Milliardär im Frühjahr den „Salzburger Nachrichten“ mit und eröffnete damit Raum für Spekulationen. Was hatte er geregelt? Und: wie? Schließlich hatte die Uefa erklärt, eine Entscheidung in dieser brisanten Causa werde erst im Laufe des Juni verkündet.
„Derby“ – trotz 580 Kilometer Distanz
Hinter der Fassade des Red-Bull-Imperiums herrscht bis heute helle Aufregung um das Thema RB Leipzig/RB Salzburg. Denn tatsächlich sind beide Vereine so stark miteinander verflochten, dass man intern den Überblick verloren hat. So berichtete der österreichische „Kurier“ vom 8. Mai 2017 über „Mitarbeiter, die für beide Vereine arbeiten“. Tatsächlich gibt es diese, unter anderem Scouts sowie festangestellte Übersetzer für Spieler. Zudem pflegen beide Klubs weiter eine quasi identische Corporate Identity.
Um nur einige Beispiele zu nennen. Die „Salzburger Nachrichten“, so etwas wie die Hauspostille von Red-Bull-Boss Mateschitz, sieht im heutigen Europa-League-Spiel ein Duell „um die Nummer-eins-Rolle innerhalb des Konzerns“. Leipzigs Sportboss Rangnick spricht angesichts des Vergleichs zweier Klubs, die rund 580 Kilometer entfernt voneinander residieren, von einem „Derby“. Auch das spricht für eine gewisse, nun ja, Nähe.
„Trennung bezieht sich auf sämtliche Bereiche“
De facto handelt es sich um ein betriebsinternes Kräftemessen, dessen Ausgang natürlich auch Unternehmens-strategisch wichtig ist. Ein RB-Klubmitarbeiter bestätigt gegenüber 11FREUNDE: „Im Arbeitsalltag bestehen viele Verflechtungen zwischen Salzburg und Leipzig sowie zwischen Salzburg und der Red Bull GmbH weiter.“ Da geht es um Scouting, um das Trikotdesign, um gemeinsame Spielphilosophien, um die Verteilung afrikanischer Talente auf die jeweiligen Klub-Internate in Leipzig und Salzburg.
Und um vieles mehr. Die Klubführung in Leipzig erklärte hingegen bereits vor gut einem Jahr gegenüber 11FREUNDE: Beide Vereine seien absolut eigenständig unterwegs. „Diese bereits vor geraumer Zeit vollzogene Trennung“, so hieß es in dem schriftlichen Statement, „bezieht sich auf sämtliche Bereiche, also auch auf die Nachwuchs- oder Scoutingabteilung, und umfasst sowohl technische als auch personelle Aspekte, d.h. es gibt keine synchronisierte Scouting-Plattform o.ä.“ Wirklich nicht?
Ausgerechnet Mateschitz, der RB Leipzig quasi besitzt, spricht gern und ungeniert in der ersten Person, wenn er RB Salzburg meint. Im Frühjahr 2017 sagte der Ober-Bulle den „Salzburger Nachrichten“: „Das Schönste ist diese Saison die Leistung der U19 gewesen (Titelgewinn in der UEFA Youth League; d. Red.), die unsere Nachwuchsarbeit … eindrucksvoll bestätigt.“ Im Januar hatte Mateschitz derselben Zeitung in Bezug auf RB Salzburg erklärt: „Wir erlösen pro Jahr rund 40 Millionen Euro durch Spielerverkäufe, da kann ich das Vereinsbudget sogar reduzieren.“ Wir. Ich.
Zwischendurch, im April, hatte RBL-Boss Oliver Mintzlaff Knall auf Fall sein Amt als Red Bulls „Global Head of Soccer“ verlassen, weil er dort in nicht gerade Uefa-konformer Weise die Zusammenarbeit der RB-Filialen Salzburg und Leipzig koordiniert hatte, um (O‑Ton Mintzlaff) „Synergien zu schaffen“. In Leipzig betont man eifrig, dass Mintzlaffs Schritt nichts mit den Uefa-Bestimmungen zur Integrität des Wettbewerbs zu tun habe. In Salzburg dagegen echauffieren sich viele Klub-Mitarbeiter, dass noch immer alles nach Mintzlaffs und Rangnicks Pfeife zu tanzen habe.
Leipzigs zweite Mannschaft heißt RB Salzburg
Bereits im August 2016 hatte der damalige Salzburg-Trainer Oscar Garcia gegenüber dem ORF ausgeplaudert, dass sein Klub ein Ausbildungsverein für Leipzig sei. Noch am selben Abend legte Rangnick bei Sky Österreich offen, dass die Ablöse für Leipzig-Neuzugang Bernardo (von RB Salzburg) erst im Anschluss an den eigentlichen Transfer ausgehandelt wurde. Das Geld blieb ja quasi in der Familie. Ende 2016 hatte Mintzlaff sein Büro in der Geschäftsstelle von RB Salzburg räumen lassen – freilich erst nach Erscheinen eines 11FREUNDE-Berichts, in dem auf seine regelmäßige Präsenz beim „Schwesterklub“ hingewiesen worden war. Die Rede ist übrigens von jenem Mintzlaff, der bis heute regelmäßig mit der Zweigstelle Österreich telefoniert.
Auch dass RB Leipzig 2017 seine eigene U23 vom Spielbetrieb abmeldete, mag niemanden mehr wundern. Denn Leipzigs zweite Mannschaft heißt nun mal RB Salzburg. Und es gibt sogar eine dritte Mannschaft, nämlich den FC Liefering, der in der 2. österreichischen Liga spielt und ebenfalls von Red Bull beherrscht wird. Was passiert eigentlich, wenn die sich auch noch für Europa qualifizieren? Vermutlich nichts.