Übersteiger, Drehungen, Pirouetten. Niemand schoss so schöne Tore wie Dennis Bergkamp. Heute vor 25 Jahren zum Beispiel gegen Argentinien. Hier erklärt er haargenau, wie er das gemacht hat.
Haben Sie nach hinten geschaut, während der Ball auf Sie zuflog?
Natürlich. Aber es war nicht sonderlich windig, die Flugbahn schien mir klar. Also schaute ich schnell wieder nach vorn, um weiter zu sprinten und den Ball zu erreichen. Und irgendwann weißt du einfach, dass du abspringen musst, dann treffen sich Ball und Fuß in der Luft. Eine Symbiose. Das hat mit Kalkulation zu tun, aber vor allem mit Erfahrung.
Und nachdem Sie den Pass mit einem Kontakt heruntergepflückt hatten?
Da realisierte ich: Das war der erste Schritt. Du willst aber den kompletten Moment, die komplette Sequenz. Es sind drei Ballkontakte und jeder einzelne kann schiefgehen. Von daher denkst du von einem zum anderen. Aber du kennst den zweiten Schritt nicht vor dem ersten. Wenn der Ball im ersten Kontakt etwas zu weit wegspringt, musst du das bereinigen.
Nachdem Sie den Ball angenommen und Roberto Ayala ausgespielt hatten, schossen Sie nicht mit dem linken Fuß, sondern mit dem rechten Außenrist. Warum?
So fühlte ich mich sicherer. Der Ball landete zwischen meinen Beinen, keine optimale Situation für einen Linksschuss. Also habe ich mich für den Außenrist des rechten Fußes entschieden, um den Ball auf den langen Pfosten zu schießen. Er drehte sich ein bisschen, vom Torwart weg, genau so wollte ich es.
Hatten Sie überhaupt den Gedanken, der Torhüter könnte den Ball halten?
Nein, manchmal gibt es diese Momente, in denen du weißt: Hier kann nichts falsch laufen.
Das war einer davon?
Ja.
Womit könnte man das vergleichen?
Mit anderen Sportarten vielleicht, einem Hundertmetersprinter, der einen Lauf hat und schon vor dem Ziel weiß, dass er Erster wird. Nach den ersten zwei Kontakten fühlte es sich für mich kurz an, als wäre mein Leben genau auf diese Sekunde hinausgelaufen.
Das beste Spiel des Turniers?
So sahen wir das. Das war wahrscheinlich unser Höhepunkt – danach brach alles auseinander. Eine Schande!
Drei Tage später mussten Sie im Halbfinale gegen Brasilien ran.
Ich bin eigentlich gut ins Spiel gekommen, aber dann spürte ich, wie die Kraft aus meinen Beinen wich.
Schon gegen Argentinien wirkten Sie zum Zeitpunkt Ihres Tores erschöpft. Trainer Guus Hiddink hat Sie nur auf dem Platz gelassen, weil er daran glaubte, Sie könnten noch etwas Außergewöhnliches vollbringen.
Auch gegen Brasilien hätte ich sicherlich noch Reserven für eine letzte besondere Situation gehabt. Aber sie kam nicht. Ich war gebrochen.
Viele Fans halten Ihr Pirouettentor gegen Newcastle aus dem Jahr 2002 für das beste Tor aller Zeiten. Wieso Sie nicht?
Weil so viel Glück mitgespielt hat. Wenn der Verteidiger (Nikos Dabizas, d. Red.) nur einen Schritt tiefer steht, ist es vorbei. Das Tor ist nicht pur.
Mögen Sie keine Tricktore?
Ich mag es, wenn andere Spieler Tricks aufführen. Ich freue mich auch, wenn sie mal bei mir klappen. Aber ich habe nie nach Situationen gesucht, einen Trick zu machen. Das war nicht mein Spiel.
Sondern?
In meinem Spiel ging es um den ersten Kontakt, Annahme, Passen. Kann ich mit einem Pass oder einer Ballannahme mich oder jemand anderen direkt vor den gegnerischen Torwart bringen? Kann ich den Raum schaffen für eine Torchance? Das war meine Leidenschaft, meine Spezialität. Ein Trick ist, nun ja, nur ein Trick. Für mich muss alles einen Nutzen haben, funktional sein. Die Kunst um der Kunst willen interessiert mich nicht.