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Sou­ley­mane Sané, gibt es eine Sportart, die Sie nicht beherr­schen?
Ski­fahren. Dabei war das immer mein großer Wunsch.
 
Sie haben doch ein paar Jahre in der Schweiz und in Öster­reich gespielt. Haben Sie das nie aus­pro­biert?
Doch klar. Als ich 1994 zum FC Tirol Inns­bruck gewech­selt bin, dachte ich zunächst: Super, dann kann ich end­lich mal Ski­fahren lernen. In Deutsch­land war es Fuß­ball­profis damals ver­boten, nebenher andere Sport­arten aus­zu­üben. Die Ver­eine hatten Angst, dass sich die Spieler ver­letzten. In Öster­reich waren die Ver­eine aber ein biss­chen lockerer.
 
Und, was lief dann schief?
Ich bin auf die Piste, voller Vor­freude, und dann lag ich die ganze Zeit auf dem Hosen­boden. Danke, habe ich gesagt, aber das ist nicht mein Ding.
 
Sie haben aber zahl­reiche andere Sport­arten aus­pro­biert. Welche hat Ihnen am besten gefallen?
In meiner Kind­heit habe ich Leicht­ath­letik und Ringen gemacht. Da war ich auch gut, meine Best­zeit über 100 Meter liegt bei 10,7 Sekunden. Später habe ich noch geboxt. Mein Vater wollte sogar, dass ich weiter boxe, aber ich habe ihm gesagt, dass ich keine Lust habe, ständig auf die Fresse zu kriegen. (lacht)
 
Sie haben auch mal Break­dance gemacht…
…und damit meiner ersten Frau gefallen, richtig. Wir haben uns in einer Dis­ko­thek ken­nen­ge­lernt. Ich war es damals gewohnt, auf der Tanz­fläche zu breaken, das kannte ich aus Frank­reich, wo immer Leute im Kreis standen, wenn wir auf die Tanz­fläche kamen. Außerdem war gerade Beat Street“ in den Kinos gelaufen – ich war im B‑Boy-Fieber.
 
Hat Ihre Frau mit­ge­macht?
Nein, sie hat mir Fox­trott, Wiener Walzer und andere Tänze gezeigt. Ich habe es dann ver­sucht. Ihre Eltern waren anfangs trotzdem skep­tisch.
 
Nicht wegen den Stan­dard­tänzen?
Ach, nein. Ihre Eltern haben gesagt: Fuß­ball­profis gucken doch jedem Rock hin­terher.“ Damals hatte ich das Glück, dass ihre zwei Brüder große Frei­burg-Fans waren und sich sehr für uns stark gemacht haben.
 
Gehen wir noch einen Schritt zurück, nach Frank­reich. Ihre Eltern sind mit Ihnen aus Dakar im Senegal nach Tou­louse gegangen, als Sie vier Jahre alt waren. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie am Ball besser sind als andere?
Viel­leicht, als ich mein erstes Moped bekommen habe.
 
Ihr erstes Moped?
In meiner Jugend, in den sech­ziger und sieb­ziger Jahren, spielte ich bei Klubs wie dem FC Blangnac oder dem FC Tou­louse. Wenn du gut warst, hat der Verein dir ein paar Schuhe geschenkt, wenn du sehr gut warst und weiter weg gewohnt hast, bekamst du ein Fahrrad. Und wenn sie dich unbe­dingt halten wollten, dann haben sie dir ein Moped geschenkt. Da merkte ich: Hey, viel­leicht kann ich ja Fuß­ball­profi werden. Zumal mein Bruder bereits bei den Profis von Tou­louse spielte.
 
Was haben Ihre Eltern gesagt?
Der war alles andere als erfreut, denn fast alle in meiner Familie haben irgendwas mit Politik zu tun. Mein Vater war zum Bei­spiel Mit­ar­beiter der sene­ga­le­si­schen Bot­schaft und er sagte: Sou­leyman, was für ein Quatsch! Fuß­ball ist kein Beruf!“
 
Wie konnten Sie ihn über­zeugen?
Ich sagte ihm, dass ich bei ES Viry-Châ­tillon 6000 Franc bekommen werde, das waren damals umge­rechnet unge­fähr 2000 Mark – und so viel ver­dienten mit­unter nicht mal Leute, die stu­diert hatten. Er schaute mich an und sagte: Das glaube ich nicht!“ Schließ­lich musste er aber den Ver­trag unter­zeichnen, und da war er erstaunt.
 
Hatten Sie da eigent­lich schon Ihren Spitz­namen Samy?
Den bekam ich in Paris, und das wurde später zu einem kleinen Pro­blem. Der sene­ga­le­si­sche Ver­band dachte näm­lich auf­grund des Namens viele Jahre, dass ich Fran­zose sei. Erst Otto Pfister, der auch mal Trainer im Senegal war, ver­riet den Leuten eines Tages: Der Junge hat auch einen sene­ga­le­si­schen Pass, lasst ihn für euch spielen.“
 
Doch da war auch schon Frank­reichs Ver­band hinter Ihnen her.
Die Sene­ga­lesen hatten rasch meinen Vater infor­miert, die wussten, welche Knöpfe sie drü­cken mussten. Mein Vater bat mich natür­lich, für den Senegal zu spielen. Und ich tat das, was mein Vater sagte – ver­mut­lich das erste Mal in meinem Leben. (lacht) Dabei war ich seit über 20 Jahren nicht im Senegal gewesen.
 
Nachdem Sie im Trikot des ES Viry-Châ­tillon Tor­schüt­zen­könig in Frank­reichs Liga geworden waren, lan­deten Sie beim deut­schen Lan­des­li­gisten FV Donau­eschingen. Wie kam das denn?
Es ist nor­ma­ler­weise so, dass Sport­profis bei der Ein­be­ru­fung in den Armee­dienst Pri­vi­le­gien genießen. Sie werden maximal 100 Kilo­meter von ihrem Verein ent­fernt sta­tio­niert. Dafür muss man aber recht­zeitig den Verein infor­mieren, der dar­aufhin einen Antrag an die Armee stellt. Das Dumme war: Als der Brief mit der Ein­be­ru­fung bei meinen Eltern ankam, war ich gerade mit ein paar Freunden im Urlaub, ein Monat Rom und Nizza. Meine Eltern ver­suchten mich zu errei­chen, doch es gab ja noch keine Handys. Als ich heim­kehrte, war es zu spät. Ich erfuhr, dass ich in den Schwarz­wald musste. Nach Deutsch­land.
 
Was haben Sie gedacht?
Ich habe mich sofort infor­miert und sah: Im Winter sind es dort minus zehn Grad. Ich sagte: Leck mich am Arsch! Das halte ich nicht aus.“ Als ich dann da war, fand ich es aber doch ganz nett. Vor allem das Essen: Ich aß zum ersten Mal in meinem Leben Spätzle. Wahn­sinn! Mein Lieb­lings­ge­richt!

Haben Sie sich hei­misch gefühlt?
Wenn man neu ist, fühlt man sich überall zunächst ein biss­chen fremd. So ver­hielt es sich ja auch mit dem Senegal: Als ich mein erstes Län­der­spiel machte, lebte ich lange schon in Deutsch­land und kannte ganz andere Maß­stäbe. Ich kam damals im Mann­schafts­hotel an und dachte, ich sei auf einem Floh­markt gelandet. Da gingen neben den Spie­lern hun­derte von wild­fremden Men­schen ein und aus. Plötz­lich saßen Ver­wandte, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, bis tief in die Nacht bei mir auf dem Zimmer – vor einem wich­tigen Spiel.

Wie fanden Sie im Schwarz­wald Anschluss?
Durch den Fuß­ball. Ein Leut­nant hatte meine Akten durch­ge­sehen. Er fragte: Was machst du hier? Du bist Fuß­ball­profi!“ Ich erklärte ihm die Situa­tion. Dann sagte er, dass die Lage leider aus­sichtslos sei und ich das Beste draus machen solle. Er inte­grierte mich in die Kom­pa­nie­mann­schaft, mit der wir ein Sol­daten-Tur­nier spielten und gewannen – das erste Mal seit 20 Jahren. Später nahm er mich mit zum FV Donau­eschingen, die gerade gegen den Abstieg spielten. In dieser Mann­schaft spielten zwei Lehrer, die gutes Fran­zö­sisch spra­chen. Mit denen habe ich sehr viel Deutsch geübt.

Hatten Sie damals vor, nach Frank­reich zurück­zu­gehen?
Auf jeden Fall. Ich wollte ein Jahr meinen Mili­tär­dienst ableisten, par­allel für Donau­eschingen spielen – und dann wieder heim. Es kam anders. Denn der Prä­si­dent bat mich ein wei­teres Jahr zu bleiben. Er konnte mir mit­hilfe eines Spon­sors ein ähn­li­ches Gehalt zahlen, das ich auch in Frank­reich bekommen hätte. Gleich­zeitig musste ich bei dem Sponsor, einem Schuh­fa­bri­kanten, arbeiten.

War das nicht trotzdem ein Rück­schritt für Sie? Schließ­lich waren Sie zuvor auf dem Weg in die erste fran­zö­si­sche Liga.
Die Sache mit der Arbeit war ein wenig seltsam für mich. Ich hatte zwar vier Jahre als Kon­ditor gear­beitet, wo ich um 4 Uhr mor­gens auf­stehen musste – aber als ich in der Zweiten Liga anfing, habe ich das beendet. Und ja, auch sport­lich war es natür­lich ein Rück­schritt, und ich habe mich oft gefragt, ob das klug ist. Schließ­lich ent­schied ich mich: Ein Jahr noch Donau­eschingen – und dann kann ich immer noch zurück nach Frank­reich.

Sie blieben aber, weil der SC Frei­burg sie ver­pflich­tete. War es damals üblich, dass Scouts von Pro­fi­klubs auf Lan­des­li­ga­plätzen nach neuen Spie­lern suchten?
Die hatten über mich in den Zei­tungen gelesen. Hier Sané fünf Tore, da Sané sechs Tore. Stutt­garter Kickers, Hessen Kassel und Kickers Offen­bach fragten an. Die meisten dachten aller­dings, ich sei eh bald wieder weg. Sie wussten nicht, dass ich gar nicht mehr beim Militär war. Schließ­lich gab jemand den Frei­bur­gern einen Tipp – und dann stand eines Tages Achim Sto­cker auf dem Platz und beob­ach­tete ein Spiel, bei dem ich schon in der ersten Halb­zeit fünf Tore machte. Nach dem Spiel kam unser Trainer zu mir und sagte: Weißt du, wer heute hier war? Der Prä­si­dent des SC Frei­burg! Er will sich nächste Woche mit dir treffen!“

» Sou­ley­mane Sanés Kar­riere in Bil­dern

Nach zwei Jahre Ama­teur­fuß­ball kehrten Sie also in den Pro­fi­fuß­ball zurück. Hatten Sie keine Sorge, dass Sie sich zwi­schen­zeit­lich ver­schlech­tert hatten?
Doch, klar. Zumal in der Zweiten Liga beim SC ein anderer Wind wehte. Ich lernte, was deut­sche Dis­zi­plin heißt. Früher, in Frank­reich, war ich immer fünf Minuten vor Trai­nings­be­ginn gekommen, jetzt hieß es: Eine halbe Stunde vor Start in der Kabine. Ich zuckte mit Schul­tern, egal, dachte ich. Am Ende des Monats guckte ich dann ins Porte­mon­naie und dachte: Wo sind die 500 Mark hin? Alles war für Strafen drauf­ge­gangen. Danach habe ich einige Dinge geän­dert. (lacht)

Auch Ihr Spiel?
Das musste ich. Einmal sagte Jörg Berger: Du kannst gerne wei­terhin mit Hacke und Bein­schüssen spielen. Nur sei dir sicher: Beim ersten Mal wird nie­mand was sagen, beim zweiten Mal können wir den Kran­ken­wagen rufen.“ Und er hatte Recht, die Spieler in der Zweiten Liga gingen viel härter rein, und wer gefoppt wurde, der trat richtig drauf. Ich lernte also abzu­geben.

Und Sie trafen regel­mäßig. In der ersten Saison 17 und der zweiten 18 Mal. Warum bekamen Sie eigent­lich keine Ange­bote von Bun­des­li­ga­klubs?
Das habe ich mich damals auch häufig gefragt. Nicht dass ich auf Teufel komm raus aus Frei­burg weg­wollte, doch die Bun­des­liga reizte natür­lich. Nach der zweiten Saison nahm mich Jörg Berger zur Seite und sagte: Du musst immer besser als Deut­scher sein. Gleichgut reicht nicht!“ Na dann, dachte ich, werde ich halt Tor­schüt­zen­könig…

…mit 21 Toren in der dritten Saison. Sie waren der Stür­mer­star im Breisgau. Blieb Frei­burg für Sie trotzdem so fami­liär und unauf­ge­regt wie zu Beginn?
In Frei­burg konnten Fuß­ball­profis ent­spannt durch die Stadt gehen. In Nürn­berg wurde das Ganze ein biss­chen größer. Damals wussten die Fans ja auch, wo wir wohnen. Die standen fast täg­lich vor unserer Tür und fragten nach Auto­grammen. Das hat mir zwar geschmei­chelt, aller­dings war ich meis­tens gar nicht zu Hause. Und meiner Frau wurde das irgend­wann zu viel, und sie hing einen Zettel vor die Tür: Für Auto­gramm­wünsch fragt doch bitte direkt beim Verein nach. Danke!“

Es gab auch andere Fans, die sie jah­re­lang aufs Übelste beschimpften. Wie sind Sie damit umge­gangen?
Anfangs habe ich nicht ver­standen, was sie gerufen haben. Husch, husch, Neger in den Busch!“ Was sollte das? Später, als ich die deut­sche Sprache besser beherrschte, hat mich das natür­lich getroffen. Das prallte jeden­falls nicht ab. Manchmal habe ich ver­sucht, diese Schreier über Ironie bloß­zu­stellen.

Was haben Sie gemacht?
Einmal, als ich beim HSV ein Tor gemacht hatte, bin ich zur Eck­fahne gelaufen und habe getanzt. Dann hagelten die Bananen und Orangen auf mich nieder. Ich hob eine Banane auf, schälte und aß sie.

Auch Tony Baffoe trat den Ras­sisten mit Ironie ent­gegen. Einem Gegen­spieler, der ihn ras­sis­tisch belei­digt hatte, sagte er: Du kannst auf meiner Plan­tage arbeiten.“
Der Tony war immer so. Und er beherrschte die deut­sche Sprache per­fekt. Er sprach besser Deutsch als manch Deut­scher. Dann kann man seinen Gegen­über mit Ironie bloß­stellen. Aber für mich war das schwierig – eben auf­grund der Sprach­bar­riere. Ich konnte nur über Tore und gute Spiele die Schreier mundtot machen. Immer wenn diese Affen­rufe los­gingen, dachte ich: Gleich schieße ich ein Tor, und dann seid ihr stumm!

Sie sagen Schreier“. Wieso nicht Ras­sisten?
Waren das alles Ras­sisten? Ich glaube nicht. Die Sta­dien haben sie irgendwie in Bes­tien ver­wan­delt. In der Masse ent­stand ein Hass, den ich nie erkannte, wenn ich sie fern des Sta­dions wie­der­traf. Meine Frau sagte immer: Die haben zu Hause oder bei der Arbeit nichts zu melden und lassen ihren ganze Wut beim Fuß­ball aus.“

In Glad­bach sind Sie aller­dings mal mit einem Fan anein­ander geras­selt.
Stimmt. Dem hätte ich auch bei­nahe ver­passt. Er bepö­belte mich auf dem Weg zum Bus. Als ich dann zu ihm ging, tat er so, als hätte er nichts gesagt. Wenn er die Beschimp­fung wie­der­holt hätte, wäre ich sehr sehr wütend geworden. Aber wie gesagt, es war nur ein kleiner Teil. Und auch beim HSV, wo es aus­wärts beson­ders schlimm war, gab es ja nor­male Typen in der Kurve. Einer über­reichte mir vor einem Spiel mit Wat­ten­scheid mal ein Ent­schul­di­gungs­schreiben, auf dem hun­derte HSV-Fans unter­schrieben hatten. Das fand ich gut.

Sie haben damals gesagt: Ich werde in fast jedem Spiel von einem Gegen­spieler einmal belei­digt!“ Paul Steiner hat Sie mal einen scheiß Nigger“ genannt. Hat er sich je ent­schul­digt?
Nie per­sön­lich. Aber das ist Schnee von ges­tern.

Anfang des Jahres ver­ließ Kevin-Prince Boateng nach ras­sis­ti­schen Rufen den Fuß­ball­platz. Haben Sie damals über eine solche Option nach­ge­dacht?
Klar, aber meine Mit­spieler rieten mir immer wieder davon ab. Sie bauten mich kon­se­quent auf und sagten: Komm Samy, wenn du jetzt vom Platz gehst, würden die sich als Gewinner sehen! Mach ein­fach eine Bude!“

Sie schrieben im Dezember 1990 einen offenen Brief an Fuß­ball­fans. In diesem stand: Wir wenden uns an die Öffent­lich­keit, denn die Bun­des­liga schweigt das Pro­blem tot.“ Gab es wirk­lich keine Chance, die Ver­eine und den DFB für das Thema zu sen­si­bi­li­sieren?
Kaum. Auch des­wegen ent­schieden Anthony Yeboah, Tony Baffoe und ich, dass wir was tun müssen. Wir schrieben diesen Brief, der in der Bild“-Zeitung erschien (die Über­schrift lau­tete: Helft uns! Wir wollen kein Frei­wild sein!“, d. Red.). Danach wurde es ein biss­chen besser. Immerhin star­tete der DFB bald die Kam­pagne Mein Freund ist Aus­länder“.

Sehen Sie sich heute als Pio­nier?
Nun, vor mir gab es schon Schwarze im deut­schen Fuß­ball. Guy Aco­latse bei St. Pauli oder Jean-Santos Mun­tu­bila in Saar­brü­cken zum Bei­spiel. Beide hielten es aller­dings nur kurz aus. Ich hatte immer wieder mal, die Mög­lich­keit aus Deutsch­land weg­zu­gehen, es gab Ange­bote aus Sochaux oder Metz. Doch dann dachte ich häufig an meinen Freund aus dem Schwarz­wald, den Leut­nant: Samy! Guck dir all die anderen Afri­kaner an – alle gehen weg, weil sie mit der Kultur, der Men­ta­lität nicht klar kommen. Oder an dem Ras­sismus zer­bre­chen. Aber du, mein Freund, kannst es schaffen. Du kannst der erste sein, der etwas bewegt!“ Das wurde mein Ziel.

Auch in der Presse gab es Res­sen­ti­ments. Schon vor Ihrem Wechsel nach Nürn­berg schrieb ein Jour­na­list von einer deli­katen Ange­le­gen­heit“. Fans hätten in Briefen und Tele­fo­naten angeb­lich ange­droht, ihre Dau­er­karten zurück­zu­geben, wenn ein Neger im ruhm­rei­chen Dress des 1. FCN“ spielt. Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich dachte mir, solange er nur über mich schreibt, habe ich damit kein Pro­blem. Er ist halt einer, der mich nicht mag. Warum auch immer.

Er beließ es aber nicht dabei.
Nein. Plötz­lich fing er an, dif­fa­mie­rende Artikel über meine Familie und meine Frau zu schreiben, ohne je mit uns gespro­chen zu haben. Also rief ich seinen Chef­re­dak­teur an und sagte: Ich habe jetzt wochen­lang geschwiegen, wenn er sich noch mal so etwas erlaubt, dann lernt er mich kennen!“

Sie haben ihm schließ­lich die Nase gebro­chen. Haben Sie damals daran gedacht, sus­pen­diert zu werden?
Ich traf ihn nach einem Trai­ning auf dem Park­platz, er musste zur Pres­se­kon­fe­renz. Er hatte gerade einen ellen­langen Bericht geschrieben, wieder über meine Frau. Als er mich sah, blieb er stehen, denn sein Weg führte unwei­ger­lich an mir vorbei. Da stand er dann, 20, 25 Minuten, und ich sagte: Ich habe Zeit.“ Als ich ihm dann näher kam, und ihn bat, mit dieser Bericht­erstat­tung auf­zu­hören, sagte er nur: Hier ist ein freies Land, ich schreibe, was ich will!“ Da habe ich ihm eine Kopf­nuss ver­passt.

Wie reagierte Ihr Trainer?
Der Jour­na­list ist direkt in die Pres­se­kon­fe­renz gerannt, blut­ver­schmiertes Hemd, kaputte Nase. Dort schrie er: Der Samy will mich umbringen!“ Später stand ich draußen mit Herman Ger­land. Der fragte mich: Was ist pas­siert?“ Ich sagte: Wenn Sie mich raus­schmeißen müssen, könnte ich damit leben.“ Er ant­wor­tete nur: Ich wollte eigent­lich nur wissen, warum du ihn nicht umge­bracht hast?“ Ger­land war näm­lich das zweite Opfer des Jour­na­listen. Sowieso war der Ger­land ein super Typ, knall­hart, aber mensch­lich über­ra­gend!

Es gab keine Strafe?
Die ange­drohte Anzeige des Jour­na­listen kam nie. Ich musste danach aber 2000 Mark an Ein Herz für Kinder“ zahlen, meine Mit­spieler soli­da­ri­sierten sich aller­dings mit mir, und so zahlten wir den Betrag aus der Mann­schafts­kasse.

Eine andere Geschichte endete auch blutig.
Sie meinen das Foul gegen Alex­ander Famulla. Es war eine blöde Situa­tion. Ich bin ver­se­hent­lich in ihn rein­ge­grätscht und traf mit den Stollen sein Ohr (das Ohr musste später wieder ange­näht werden, d. Red.). Ich bin später aber nach Karls­ruhe gefahren, um mich bei ihm dafür zu ent­schul­digen.

Sie hatten nach der Saison 1989/90 ein Angebot von Fener­bahce vor­liegen, ent­schieden sich aber für den Auf­steiger und Stadt­teil­klub Wat­ten­scheid. Sehnten Sie sich nach der Fami­li­en­at­mo­sphäre, die Sie in Frei­burg ken­nen­ge­lernt hatten?
Ach, darum ging es nicht. Ich bin eigent­lich ein Groß­stadttyp, ich habe schließ­lich meine Jugend in Paris ver­bracht. Ich dachte sogar daran, nach Istanbul zu gehen, doch Fener­bahce wollte die Ablöse von 2,5 Mil­lionen Mark nicht zahlen. Also machten Wat­ten­scheid und Nürn­berg einen Deal: Der Club ver­kaufte Thomas Kuhn und mich im Dop­pel­pack für den gefor­derten Preis. So kos­tete ich nur die Hälfte.

Wie kamen Sie mit Hannes Bon­gartz zurecht?
Ich habe vielen Trainer eine Menge zu ver­danken. Jörg Berger zum Bei­spiel. Und Her­mann Ger­land, auch wenn er damals an mir ver­zwei­felte, weil ich nicht mehr so häufig das Tor getroffen habe. Ich glaube, seine grauen Haare hat er mir zu ver­danken. Hannes Bon­gartz war auch wichtig, ein junger Trainer, der mir immer wieder den Rücken gestärkt hat.

Nach Wat­ten­scheids Abstieg 1994 dachte Ihr Berater, Sie hören auf mit dem Fuß­ball. Sie waren immerhin schon 33 Jahre. Hatten Sie noch was nach­zu­holen?
Weil ich erst mit 25 in Deutsch­land ange­fangen habe? Es war eher so, dass ich in meiner Kar­riere nie von Ver­let­zungen geplagt war. Ich fühlte mich also noch sehr fit. Meinem Berater sagte ich, dass er was Neues suchen sollte. Er guckte mich mit großen Augen an und fragte: Wie lange willst du noch spielen?“ Ich sagte: So lange wie es geht. Bis 40 min­des­tens!“ Ich spielte schließ­lich bis 41.

Und bis 47 spielten Sie sogar noch für Rot-Weiß Leithe und stiegen von der Kreis- bis in die Lan­des­liga auf.
Das Schönste war der erste Auf­stieg.

Wieso?
Das war im Sommer 2002, die WM stand vor der Tür. Eines Tages kam ein Anruf des Sport­mi­nis­ters der sene­ga­le­si­schen Natio­nal­mann­schaft. Er fragte, ob ich mir vor­stellen könne, bei Sene­gals erster WM-Teil­nahme dabei zu sein. Als Spieler wohl­ge­merkt. Er dachte da an Kame­runs Erfolgs­ge­schichte mit Roger Milla, der im hohen Alter noch einmal zurückkam. Und er dachte, dass er mir damit ein Geschenk machen könnte.

Sie haben über 50 Län­der­spiele gemacht, aber nie bei einer WM teil­ge­nommen.
Ich hatte sowieso häufig Pech mit der Natio­nalelf. Erin­nern Sie sich an 1990: Damals standen wir im Halb­fi­nale des Afrika-Cups und trafen auf Alge­rien. Kurz vor dem Spiel beor­derte mich der FCN zurück. Damals waren die Ver­eine noch mäch­tiger als heute. (lacht)

Und trotzdem ließen Sie sich 2002 die Chance ent­gehen?
Ich fand die Idee nicht gut, einem jungen Spieler den Platz weg­zu­nehmen, der die Qua­li­fi­ka­tion so erfolg­reich gespielt hatte. Außerdem wollte ich mit Leithe den Auf­stieg feiern. Wir sind dafür nach Spa­nien gefahren. Und dann kam es zu dem Auf­ein­an­der­treffen meiner Hei­mat­länder: Senegal und Frank­reich. Ich sagte zu meinen deut­schen Freunden: Jungs, Senegal schafft eine Über­ra­schung!“ Die anderen winkten ab: Samy, Quatsch! Frank­reich ist Welt­meister!“

Wieso waren Sie sich so sicher?
Fast alle Sene­ga­lesen spielten damals in der fran­zö­si­schen Liga, die kannten die Spiel­weise der Fran­zosen aus dem Effeff. Und es kam ja dann wirk­lich so: Senegal gewann 1:0. Das Beste aller­dings war eine Wette, die wir vorher geschlossen hatten.

Was war der Ein­satz?
Ich sagte vor dem Spiel: Wenn Frank­reich gewinnt, kaufe ich euch für den Rest des Urlaubs alle Getränke!“ Und sie ant­wor­teten: Okay, wenn Senegal gewinnt, tragen wir dich für den Rest des Urlaubs aus deinem Hotel­zimmer direkt zum Strand.“ Es wurde ein sehr ange­nehmer Urlaub.