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Wer nicht hüpft, der ist Borusse. Oder Offen­ba­cher. Oder Kölner. 

Egal, ob Schalke, Darm­stadt oder Glad­bach: Seit Jahren zeigen Fuß­ball­fans ihre Treue und ihre Iden­tität zum Verein, indem sie im Ver­bund hüpfen. Selbst das frisch gezapfte Bier in der Hand, auf dem die Krone noch glänzt und nach dem die Zunge lechzt, darf nicht als Aus­rede genutzt werden, um sich dem Ritual zu ent­ziehen. Wer nicht hüpft, der gehört nicht zu uns.

In Mag­de­burg könnte der Chor und die Cho­reo­gra­phie am Samstag beim Derby gegen den Hal­le­schen FC nur mit einer gehö­rigen Por­tion Selbst­ironie ange­stimmt werden. Wer nicht hüpft, ist Mag­de­burger, müsste es heißen. Denn in der Mag­de­burger MDCC-Arena ist das Hüpfen seit dieser Woche ver­boten. 

Panik vor Schwin­gung

Ein von der Stadt Mag­de­burg beauf­tragtes Inge­nieur­büro hat beim Heim­spiel gegen Hansa Ros­tock am 5. November die Statik der Tri­bünen über­prüft. Dabei ist her­aus­ge­kommen, dass beim kol­lek­tiven und freu­digen Hüpfen der Fans die Schwin­gung 5 m/​sek² beträgt. Dieser Wert liegt deut­lich über der soge­nannten Panik­grenze. Ab einer Schwin­gung von 3,5 m/​sek² ist die Gefahr, dass eine Panik aus­bricht, zu hoch. Denn dann kann das sub­jek­tive Gefühl ent­stehen, fliehen zu müssen. 

Außerdem wurde fest­ge­stellt, dass durch mini­male Fre­quenz­er­hö­hung theo­re­tisch sogar ein Wert von 10 m/​sek² ent­stehen kann. Damit würde nicht nur das Panik­po­ten­tial, son­dern auch das Sta­dion an seine Grenzen geraten. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Hüpfen in Mag­de­burg ist eine Gefahr. 

Klingt bedroh­lich, ist es auch

Des­wegen hat die Stadt eine Nut­zungs­un­ter­sa­gungs­ver­fü­gung erlassen. Das klingt nach bedroh­li­cher Büro­kratie. Ist es auch. Der Verein wurde gezwungen, sich ein Kon­zept zu über­legen, wie das Hüpfen ver­hin­dert werden kann. 

Die erste Reak­tion des FCM um Geschäfts­führer Mario Kallnik ließ die Fans auf­springen. Ein gene­relles Hüpf­verbot in den Blö­cken bzw. auf den Tri­bünen aus­zu­spre­chen, ist für ein Heim­spiel mit tau­senden Fans bzw. Zuschauern nicht umsetzbar“, ließ er am Don­nerstag ver­lauten. Schließ­lich sei das Hüpfen seit jeher Teil der man­nig­fal­tigen Fan­kultur von allen blau-weißen Anhän­gern.“ Die Kon­se­quenz: Das Sta­dion sollte leer bleiben.

Breit­seite vom Ober­bür­ger­meister

Es ist wichtig zu unter­scheiden: Nicht die Stadt erlegte dem Klub eine Sperre der Tri­bünen für sämt­liche Zuschauer. Die Stadt wollte, dass das rhyth­mi­sche Hüpfen unter­bunden wird. Da der Klub keinen Weg sah, wie das funk­tio­nieren soll, ent­schied sich der Klub ursprüng­lich, vor leeren Rängen zu spielen. Eine Ent­schei­dung, für die Kallnik und Co. sogleich eine Breit­seite von Ober­bür­ger­meister Lutz Trümper kas­sierten.

Keine Zuschauer zuzu­lassen, halte ich für grund­falsch. Außer zu sagen, dass nun eine Zeit lang nicht gehüpft werden kann, gibt es keine Lösung. Das macht keinen Sinn. Wie will der Klub über­leben, wenn ein halbes Jahr lang keine Zuschauer kommen dürfen?“, lau­tete sein Vor­wurf. Einen Vor­schlag, wie ein Hüpf­verbot voll­zogen werden soll, machte er nicht.

Geschäfts­führer Kallnik ver­wies anschlie­ßend darauf, dass es sich um eine aus­ge­spro­chene War­nung han­delt, die einen Teil des Gut­ach­tens dar­stellt. Der Verein weiß bis jetzt nur, dass Hüpfen im der­zei­tigen Zustand des Sta­dions gefähr­lich sein kann. Was genau hüpfen ist, wo es anfängt, wie viele Men­schen hüpfen dürfen, wie lange, wie hoch, wie schnell oder auf wel­chem Bein, ist völlig unklar. 

Bis das Inge­nieur­büro das Gut­achten über den Zustand des Sta­dions fer­tig­ge­stellt hat, sind dem Verein die Füße gebunden. Bau­liche Maß­nahmen können erst dann ein­ge­leitet werden, wenn die Miss­stände des Sta­dions schwarz auf weiß for­mu­liert sind. Aus diesem Grund kam auch eine Spiel­ver­le­gung nicht in Frage. Wann sollte das Derby statt­finden, wenn über­haupt nicht klar ist, wann in Mag­de­burg wieder gehüpft werden darf? 

2024 statt 2056

Kallnik betont zudem, dass es sich um einen Sach­ver­halt han­delt, den es im deut­schen Fuß­ball bisher noch nie gab. In Nürn­berg brö­selte 2005 eine Beton­wand aus­ein­ander. Das hatte zur Kon­se­quenz, dass der Fan­block umziehen musste. Zu einer Tri­bü­nen­sperre kam es aber nicht. Es kommt die Frage auf, warum aus­ge­rechnet die MDCC-Arena, die 50 Jahre lang über­leben sollte, sich zehn Jahre nach ihrer Eröff­nung als hüpf­burg­un­fähig erweist.

Viel­leicht, weil sie genau das eben nicht ist. Eine Hüpf­burg. Bewe­gung und Sprünge werden bei der Pla­nung und beim Bau einer Tri­büne ein­ge­plant. Offenbar aber nicht in dem Ausmaß, wie es die Mag­de­burger Anhänger betreiben. Das Sta­dion ent­spricht allen Normen“, wollte Heinz Ulrich, Betriebs­leiter des Kom­mu­nalen Gebäu­de­ma­nage­ment der Lan­des­haupt­stadt Mag­de­burg, schon im Sommer, als die Pro­bleme ent­deckt wurden, von einem feh­ler­haften Bau nichts wissen.

Statt­dessen sei dieses gleich­mä­ßige Hüpfen zur Zeit der Pla­nungen Anfang der 2000er Jahre noch nicht so stark aus­ge­prägt wie heute“ gewesen. Es führte dazu, dass dem Sta­dion im Sommer eine Rest­le­bens­zeit von sie­ben­ein­halb Jahren ein­ge­räumt wurde. Aus 2056 wurde 2024.

Du darfst nicht hüpfen!

Ein Schre­ckens­sze­nario. Auch des­wegen folgte am Freitag die Wende. In einem Kri­sen­ge­spräch einigten sich der 1. FC Mag­de­burg, Fan­ver­treter und das gesamte Rat­haus auf einen Maß­nah­men­ka­talog, um das rhyth­mi­sche Hüpfen zu unter­binden. Das Ord­nungsamt zeich­nete den Katalog ab und gab die Frei­gabe.

Der Verein appel­liert an das Ver­ständnis und den gesunden Men­schen­ver­stand der Fans. Der Besuch in der MDCC-Arena ist sicher und unkri­tisch, solange das Hüpfen unter­bleibt. Aber die Fans sind ja kreativ genug bei der Unter­stüt­zung“, sagte Kallnik. Die Fan­ver­treter zeigten sich ein­ver­standen. Wird aber doch gehüpft, droht ein Spiel­ab­bruch. 

So lautet der kurz­fris­tige Plan. Im Januar wird dann das ersehnte Gut­achten auf dem Tisch liegen. Dann wird sich ergeben, welche Bau­maß­nahmen ergriffen werden müssen und wann diese voll­zogen werden können. Bis dahin heißt es: Füße still halten. Denn wer nicht hüpft, ist Mag­de­burger.