Heute ist Valentinstag. Höchste Zeit, die ewige Verbundenheit zu unserer großen Liebe zu erklären: dem Fußball.
Lieber Fußball,
Jahr für Jahr stolpern wir auf den letzten Drücker in den Blumenladen um die Ecke, wo uns zynische Händlerinnen in unserer Not erkennen und das eigentlich für den Kompostmüll gedachte Gebinde als ultimativen Liebesbeweis andrehen. Nicht ohne uns das eigenen Versagen vor Augen zu führen: „Welche Blumen mag ihre Liebste denn“, fragen sie uns. Wir würden dann gern sagen: Keine Ahnung. Und sagen: „Rote“. Wir kaufen Pralinen, buchen Restaurants und beschreiben kitschige Karten mit Textbausteinen aus dem Internet.
Wir leiden an den Erwartungen, die niemand erfüllen kann, und wissen, dass unser Scheitern programmatisch ist. Wir wollen gutmachen, dass wir auch im vergangenen Jahr wieder viel zu viel Zeit mit unserer Affäre verbracht haben: Fußball. Und haben keine Chance. Wir waren zu oft bei Dir. Zur Bundesliga, zur Champions League, zum Länderspiel. Wir bereuen keine Sekunde.
Klar, manchmal hassen wir Dich. Wenn unser Verein mal wieder seit Wochen von Niederlage zu Niederlage dümpelt, der Stadionbesuch unsere vom Winter tief gefrorenen Glieder mit einem chancenarmen 0:1 dankt oder wir stundenlang durchs Land gurken und unsere Leberwerte ins Fragwürdige erheben, weil wir darauf hoffen bei den Bayern zu gewinnen. Aber Hass ist auch nichts weiter als die Kehrseite der Leidenschaft. Desinteresse wäre unser Ende. Aber davon keine Spur.
Dafür gibst Du uns zu viel. Dank Dir stehen wir zusammen und brüllen in die Welt, was in uns gärt. Wir gegen die. Was immer das genau ist. Du bist der Schleusenöffner. Für den prolligen Anarcho, der in uns steckt. Für die Sehnsucht nach dem Glücksmoment. Für die Geschichten, die wir erleben, um später davon zu erzählen. Wie Orden hängen sie in unserer Erinnerung. Das Champions-League-Finale im Wembley-Stadion, das Abstiegsfinale am Liveticker in New York, die Kreisliga-Relegation auf dem Sportplatz die Straße runter. Egal wo, Du bist an unserer Seite und gibst uns ein Gefühl von Heimat, wie weit weg von zu Hause wir auch sein mögen.
Weißt Du noch, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben, fragen uns unsere Liebsten, und wir stottern Vermutungen in den Raum. Aber an den Siegtreffer in der 89. Minute erinnern wir uns, in Jahren noch, als wäre es gestern gewesen.
Jedes Spiel ist wie ein erstes Date. Die nervöse Aufregung im Vorfeld, die erlösende Freude, wenn eintritt, worauf man gerade noch kaum zu hoffen wagte. Dabei kannst Du uns nicht enttäuschen, weil wir nichts von Dir erwarten. Außer, dass Du immer für uns da bist.
Lieber Fußball, hör nicht so genau hin, wenn wir trotzdem Tag für Tag über Dich meckern, weil Du vermeintlich nicht mehr bist, was Du mal warst. Hör nicht so genau hin, wenn wir im Kurzschluss der Enttäuschung behaupten, Du seist langweilig geworden oder zur Gelddruckmaschine verkommen. Morgen war heute schon die gute alte Zeit.
Lieber Fußball, wir müssen jetzt los. In den Blumenladen um die Ecke. Du weißt schon. Aber eines wollen wir noch sagen: Vielen Dank.
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