Am Sonntag entscheidet ein Ball über Schmach oder Triumph, Siegeszug durch Paris oder Lissabon. Aber wie bereitet man eine Gruppe junger Männer darauf vor, die Hoffnung von Millionen Landsleuten zu schultern?
Das Selbstvertrauen von Spielern lässt sich also gezielt aufbauen?
Sofern der Spieler von sich aus dazu bereit ist, ja. Bei Spielern, die es bis zur Nationalmannschaft gebracht haben, ist das sicher auch so. Es gibt aber bei jedem Menschen Phasen, in denen es sinnvoll ist, daran erinnert zu werden. Wenn ich mir selbst vertraue, dann könnte ich mich auch weniger verletzen, weil ich meinem Körper vertraue.
Kann das nicht dazu führen, dass man sich überschätzt und spielen will, obwohl es im Muskel zwickt?
Ganz im Gegenteil. Vielleicht ist „Selbstbewusstsein“ in diesem Zusammenhang der präzisere Begriff als „Selbstvertrauen“. Wer sich der eigenen Stärken und Schwächen genau bewusst ist, ein Bewusstsein für seinen Körper hat und auf Signale achtet, kann besser Entscheidungen treffen, die der Mannschaft dienen. Das beste Beispiel ist Sami Khedira. Beim Aufwärmen vor dem Finale der WM 2014 hat er gemerkt, dass etwas nicht stimmt, dass er sich verletzt hat. Ihm war klar, dass er seine Leistung nicht hundertprozentig abrufen können würde und darauf verzichtet, das größte Spiel seines Lebens zu spielen, um den Erfolg der Mannschaft nicht zu gefährden. Das zeugt von großer mentaler Stärke.
Letztlich bleibt das alles aber Vorbereitung. Während des Spiels haben Sie keinen Einfluss. Frustriert es Sie, wenn Sie merken, dass ein Spieler auf dem Platz in alte Muster zurückfällt?
Ich ärgere mich jedenfalls nicht über den Spieler. Wenn er auf dem Platz nicht das abrufen kann, was wir besprochen haben, dann war es eventuell schlicht der falsche Weg für ihn oder er hat in dem Bereich noch Trainingsbedarf. Dann geht die Arbeit eben nach dem Spiel weiter. Andersherum freue ich mich mit dem Spieler, wenn ich merke, dass ihm meine Arbeit geholfen hat.
Paul Breitner sagt, dass er sich bis heute nicht daran erinnern kann, im Finale der WM 1974 den Elfmeter zum Ausgleich erzielt zu haben. Da wäre jede Art von mentaler Vorbereitung wohl umsonst gewesen.
Wirklich? (Lacht.)
Ja. Er selbst glaubt, dass es daran lag, dass er sich so stark konzentriert hat.
Wenn das wirklich stimmt, muss er in einem Tunnel gewesen sein. Wie gesagt, Einige Spieler bringen sich im Laufe ihrer Karriere gewisse Mentaltechniken auch selbst bei. Eine sportpsychologische Vorbereitung wäre also nur insofern umsonst gewesen, dass Breitner sie in dem Fall schlicht nicht nötig hatte. Wobei mir ein totaler Filmriss wirklich noch nie untergekommen ist.
Ist das schon wieder bedenklich?
Es erschwert zumindest meine Arbeit. Ich kann mit Spielern keine Erfahrungen aufarbeiten, an die sie sich nicht erinnern. (Lacht.) Aber eigentlich kann man immer versuchen, solche Situation aufzuarbeiten. Man könnte beispielsweise gemeinsam Videos von solchen Momenten besprechen. In dem Fall wäre das aber wahrscheinlich nicht nötig, er hat ja getroffen. (Lacht.)