Wir stellen unsere Lieblings-YouTube-Videos vor. Zum Beispiel diesen bis heute unerreichten Klassiker: Dynamo Dresdens Willi Konrad bedrängt einen Reporter von Spiegel TV.
Reporter von Spiegel TV leben gefährlich. Das sehen wir nahezu jede Woche, wenn wieder ein besonders wagemutiger Journalist bei einer Gerichtsverhandlung eines kriminellen Clan-Mitglieds auftaucht und Interviews mit den Angeklagten und/oder dessen Entourage führen möchte. Der Reporter erinnert dabei ein wenig an den Dokumentarfilmer Heinz Sielmann, der vor vielen Jahren mit seiner Kamera auf der Lauer lag: Expedition ins Clan-Reich. Er trifft Typen, die „Tyson-Ali“, Mahmoud „El Presidente“ Al-Zein oder Ahmed „Patron“ Miri heißen. Mal wird er bedroht, mal wüst beschimpft, mal schütten ihm die zornigen Männer Wasser übers Aufnahmegerät.
Auch früher – vor 20, 30 Jahren – war der Job des Spiegel-TV-Reporters ziemlich riskant. Die Clan-Typen sahen nur etwas anders aus und trugen urdeutsche Name. Einer hieß: Willi Konrad. Eine Figur wie aus einem Roman von Jörg Fauser. Halbseidener Geschäftsmann auf Durchreise.
Konrad, Jahrgang 1940, wuchs als Vollwaise im Haus des ehemaligen Kickers-Offenbach-Präsidenten Horst-Gregorio Canellas auf. Anfang der Siebziger arbeitete er selbst als Geschäftsführer und Manager bei den Kickers. Sein größter Coup war die Verpflichtung des damaligen Topstürmers Erwin Kostedde vor der Saison 1971/72. Wenige Monate später kam heraus, dass er knietief im Bundesligaskandal steckte. Konrad war der Geldbote für den Kölner Torwart Manfred Manglitz gewesen. Juristisch wurde er dafür nicht belangt, er wurde sogar Nachfolger von Canellas als Kickers-Präsident.
Nachdem er sich einige Jahre später mit dem Verein überworfen hatte, gründete er die Spielervermittlung „ISV“, die sich auf Profis aus dem sozialistischen Osteuropa konzentrierte. Nach der Wende ging er mit seinem Freund Rolf-Jürgen Otto zu Dynamo Dresden, wo beide Beträge aus Spielertransfers in sechsstelliger Höhe veruntreuten. Allein im Zeitraum 1. Mai bis 15. August 1995 stellte Konrad dem Klub 86.250 Mark für Kost und Logis bei Spielerverpflichtungen in Rechnung.
Dabei hatte Konrad dem Klub anfangs das Blaue vom Himmel versprochen. Topspieler wie Rudi Völler, so sagte er, würden bald für Dynamo auflaufen. Am Ende kamen aber nur gealterte Ex-Stars wie Herbert Waas oder Andreas Sassen. Der „Spiegel“ schrieb schon damals, dass Otto und Konrad „im Osten so schnell und so viel Geld abzocken wollen wie eben möglich“.
Irgendwann in dieser Zeit hatte Willi Konrad seinen bekanntesten öffentlichen Auftritt. Bei Youtube ist es zu sehen unter dem Titel „Schweizgeld“, und im Grunde ist dieses Wort zu einer Art Synonym für den Namen Willi Konrad geworden: Schweizgeld.
Das komplette Video wirkt aus heutiger Sicht gespenstisch und bizarr, aber auch wie eine formvollendete Hommage an die Neunziger. Das Setting ist das Rudolf-Harbig-Stadion. Kalte Architektur, Laufbahn, nur ein paar verirrte Zuschauer. Am Rande des Spielertunnels fragt ein Reporter von Spiegel TV nach dem Verbleib von 1,6 Millionen Mark auf einem Züricher Konto. Willi Konrad gefällt das nicht.