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Reporter von Spiegel TV leben gefähr­lich. Das sehen wir nahezu jede Woche, wenn wieder ein beson­ders wage­mu­tiger Jour­na­list bei einer Gerichts­ver­hand­lung eines kri­mi­nellen Clan-Mit­glieds auf­taucht und Inter­views mit den Ange­klagten und/​oder dessen Entou­rage führen möchte. Der Reporter erin­nert dabei ein wenig an den Doku­men­tar­filmer Heinz Siel­mann, der vor vielen Jahren mit seiner Kamera auf der Lauer lag: Expe­di­tion ins Clan-Reich. Er trifft Typen, die Tyson-Ali“, Mah­moud El Pre­si­dente“ Al-Zein oder Ahmed Patron“ Miri heißen. Mal wird er bedroht, mal wüst beschimpft, mal schütten ihm die zor­nigen Männer Wasser übers Auf­nah­me­gerät.

Auch früher – vor 20, 30 Jahren – war der Job des Spiegel-TV-Repor­ters ziem­lich ris­kant. Die Clan-Typen sahen nur etwas anders aus und trugen urdeut­sche Name. Einer hieß: Willi Konrad. Eine Figur wie aus einem Roman von Jörg Fauser. Halb­sei­dener Geschäfts­mann auf Durch­reise.

Konrad, Jahr­gang 1940, wuchs als Voll­waise im Haus des ehe­ma­ligen Kickers-Offen­bach-Prä­si­denten Horst-Gre­gorio Canellas auf. Anfang der Sieb­ziger arbei­tete er selbst als Geschäfts­führer und Manager bei den Kickers. Sein größter Coup war die Ver­pflich­tung des dama­ligen Top­stür­mers Erwin Kos­tedde vor der Saison 1971/72. Wenige Monate später kam heraus, dass er knie­tief im Bun­des­li­ga­skandal steckte. Konrad war der Geld­bote für den Kölner Tor­wart Man­fred Man­g­litz gewesen. Juris­tisch wurde er dafür nicht belangt, er wurde sogar Nach­folger von Canellas als Kickers-Prä­si­dent.

Nachdem er sich einige Jahre später mit dem Verein über­worfen hatte, grün­dete er die Spie­ler­ver­mitt­lung ISV“, die sich auf Profis aus dem sozia­lis­ti­schen Ost­eu­ropa kon­zen­trierte. Nach der Wende ging er mit seinem Freund Rolf-Jürgen Otto zu Dynamo Dresden, wo beide Beträge aus Spie­ler­trans­fers in sechs­stel­liger Höhe ver­un­treuten. Allein im Zeit­raum 1. Mai bis 15. August 1995 stellte Konrad dem Klub 86.250 Mark für Kost und Logis bei Spie­ler­ver­pflich­tungen in Rech­nung. 

Dabei hatte Konrad dem Klub anfangs das Blaue vom Himmel ver­spro­chen. Top­spieler wie Rudi Völler, so sagte er, würden bald für Dynamo auf­laufen. Am Ende kamen aber nur geal­terte Ex-Stars wie Her­bert Waas oder Andreas Sassen. Der Spiegel“ schrieb schon damals, dass Otto und Konrad im Osten so schnell und so viel Geld abzo­cken wollen wie eben mög­lich“.

Irgend­wann in dieser Zeit hatte Willi Konrad seinen bekann­testen öffent­li­chen Auf­tritt. Bei You­tube ist es zu sehen unter dem Titel Schweiz­geld“, und im Grunde ist dieses Wort zu einer Art Syn­onym für den Namen Willi Konrad geworden: Schweiz­geld. 

Das kom­plette Video wirkt aus heu­tiger Sicht gespens­tisch und bizarr, aber auch wie eine form­voll­endete Hom­mage an die Neun­ziger. Das Set­ting ist das Rudolf-Harbig-Sta­dion. Kalte Archi­tektur, Lauf­bahn, nur ein paar ver­irrte Zuschauer. Am Rande des Spie­ler­tun­nels fragt ein Reporter von Spiegel TV nach dem Ver­bleib von 1,6 Mil­lionen Mark auf einem Züri­cher Konto. Willi Konrad gefällt das nicht. 

Konrad schaut den Reporter abfällig an. Was fällt dieser daher­ge­lau­fenen Bazille ein, ihn, den Geschäfts­mann von Welt, von der Seite anzu­spre­chen?

Isch hab ka Geld über­wiese, was soll denn die doofe Frage?“, blafft Konrad.

Und dann dreht er auf. Eine Schimpf­kas­kade, die sich Bade­salz“ nicht besser hätten aus­denken können.

Sind Sie in Ihrem Kopf net normal oder was?“

Konrad trägt ein tür­kises Sakko und eine expres­sio­nis­ti­sche Kra­watte. Sein ver­blie­benes Rest­haar steht zu einem gro­tesken Kranz ab, der ein wenig an wild wach­sendes Schilf an einem See­ufer erin­nert.

Unver­schämt mir so a Frage zu stellen. Isch hau Ihnen in die Fresse, mehr sind se net wert.“

Im Hin­ter­grund geiern Kon­rads Entou­rage und Leute vom Sicher­heits­dienst herum, Vokuhila-Typen mit Säge­werk-Gesich­tern in Leder­ja­cken- und/​oder Bom­ber­ja­cken-Jeans-Kra­watten-Kom­bi­na­tion. 

Konrad schlägt auf das Mikrofon wie auf ein läs­tiges Insekt. Weg!“, sagt er, und weil nie­mand weg geht, auch er selbst nicht, blökt er weiter: Schi­cken Sie mir den Chef­re­dak­teur, wie können Sie mich auf so etwas anspre­chen? Hab in meinem ganzen Leben noch kein Geld in die Schweiz über­wiesen. Dreck­schwein!“

Dann könnte es vorbei sein, aber Willi will’s nun wissen. Der getrof­fene Köter bellt. Er bedrängt den Reporter, der irgend­wann nur noch stam­melt: Es ist doch gut!“

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Nach 39 Sekunden ist diese Szene vorbei, und man ist ein wenig ent­täuscht, denn man hat noch einige Frage: Ver­tragen sich die beiden? Holt Konrad doch noch zu einem Faust­schlag aus? Ver­prü­gelt sich das Sicher­heits­per­sonal selbst?

Das beste Resümee zieht ein User unter dem Video: Auf­grund Kon­rads völlig nüch­ternen und sach­li­chen Reak­tion auf die Frage muss man zwei­fellos davon aus­gehen, dass die Beschul­di­gungen nicht der Wahr­heit ent­spre­chen.“

1995 musste sich Konrad, der unschul­dige und ehren­werte Geschäfts­mann, trotzdem vor Gericht ver­ant­worten. Nun gab er klein­laut zu, dass die Pro­vi­sionen der Trans­fers mir 250.000 Mark im Jahr gebracht haben“. Zehn Jahre später starb er an Herz­ver­sagen. Auch sein Partner in Crime, Rolf-Jürgen Otto, ist mitt­ler­weile ver­storben. In seiner Trau­er­an­zeige schrieb seine Witwe: Sein Leben war schön, aber teuer.“ Was über Kon­rads Trau­er­an­zeige stand, wissen wir nicht. Ver­mut­lich dies: Willi hat ka Geld in die Schweiz über­wiese.“