Erstaunlich: Abwehrkante Giorgio Chiellini hat an der Uni Turin seinen Doktor gemacht. Ein weiteres kurioses Kapitel aus der Reihe „Fußballer und Universitäten“
1.
2009 machte Tobias Rau von sich reden, als er die Fußballschuhe an den Nagel hängte und dafür in die schweißigen Leinenturnschuhe eines Lehramtsstudenten schlüpfte. „Rau?“, wird jetzt der ein oder andere sagen. Rau war einst eines der größten Talente des deutschen Fußballs, wurde Deutscher Meister mit den Bayern und durfte gar sieben Mal in der Nationalmannschaft ran. Irgendwann aber stockte die große Karriere. Als Raus Freundin ein Studium begann und anfing, Kommilitonen mit nach Hause zu bringen, muss es irgendwo zwischen WG-Party, Mensafraß und Küchentischgesprächen über Adornos Kritik der politischen Ökonomie ein Erweckungserlebnis für den Profi gegeben haben. „Wir hatten so viel Freiheit“, sagte seine Freundin dem „Spiegel“. Jeder, der den süßen Nektar des Studentenlebens kosten durfte und nun vom bösen, grauen Arbeitsleben gegeißelt wird, würde ihr Recht geben. Nur: Rau war Fußballprofi. Fußballprofi, verdammt!
2.
Eine Uni-Veranstaltung mit Christoph Daum zu teilen, muss die sprichwörtliche Kirsche auf der Seminars-Sahne sein. Egal worum es geht: Daum wird es besser wissen, langatmig erklären, eventuell über heiße Kohlen laufen und dabei luftige Weisheiten unters Volk werfen. Sicherlich ein großer Spaß. Leider gibt es keine Überlieferungen von Daums Kommilitonen, nur vom Erfolgstrainer selber. Der studierte Sport in Köln und musste, da seine Gattin berufstätig war, öfter den gemeinsamen Hund mit in den Hörsaal nehmen. Klausuren saß der kleine Köter in Daums Sporttasche aus, befriedet durch Hundeknochen und eine Tasse Wasser. Wunderschön auch, was Daum über das insgesamt eher lockere Studentenleben in den Siebzigern sagte: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment. Das habe ich abgelehnt, ich war auch schon verheiratet. Mit der ganzen Flower-Power-Bewegung hatte ich nicht viel zu tun. Ich hatte immer meine Probleme mit dieser antiautoritären Erziehung und diesen ganzen Popkonzerten.“
3.
Jeder Student kennt es, das anstrengende Problemereiten in der Uni-Administration. Dass die Erbsenzählerei auf den Prüfungsämtern nicht nur dazu da ist, Studenten möglichst effektiv und nachhaltig zu gängeln, sondern manchmal auch durchaus zu etwas gut ist, zeigt das Beispiel von Ottmar Hitzfeld. Der studierte nämlich parallel zur Spielerkarriere Mathematik und Sport im heimischen Lörrach, weil er nach der Karriere unbedingt Lehrer werden wollte. Als er sein Studium 1983 beenden wollte, erklärte ihm das Lehramt Freiburg, er sei seit über zehn Jahren nicht im Schuldienst gewesen und bat ihn deshalb zur Nachprüfung. Eine Kleingeisterei, die den jungen Hitzfeld derart erzürnte, dass er seine Berufswahl überdachte und quasi aus Trotz von Lehrer auf Meistertrainer umsattelte. Eine gute Entscheidung.
4.
Einer der ganz Großen des Fußballs war der Brasilianer Sócrates, Kopf der genialen Seleção der Achtziger, die ohne WM-Titel traurigerweise unvollendet blieb. Dass Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira immerhin den längsten Namen aller jemals registrierten WM-Teilnehmer trägt, wird ihm wahrscheinlich kein Trost gewesen sein. Ungleich kürzer war sein Spitzname: „O Doutor“. Sócrates studierte während seiner Karriere Medizin, weshalb er zwar die WM 1978 verpasste, nach seiner Laufbahn als Fußballer aber als Kinderarzt arbeiten konnte. Das Recht auf sein Studium ließ sich der „Doktor“ vom Fußballgeschäft nicht nehmen. Die Freistellungen für Seminare und Klausuren hatte er sich vertraglich zusichern lassen.
5.
„Die Bestimmung des Platzierungspreises von Aktien im Vorfeld einer Börsenneueinführung – Eine vergleichende ökonomische Analyse am Beispiel des Börsenganges von Fußballvereinen“. Der Titel von Oliver Bierhoffs Diplomarbeit kommt ähnlich gestriegelt daher wie seine Frisur. 2002 schloss der DFB-Teammanager sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuni Hagen ab. Nach nur 26 Semestern. Bierhoff als Langzeitstudent? Der mit Mitte Dreißig noch in seiner WG wohnt, bis zum Mittag schläft, Dosenravioli frühstückt, sich mit Kellnerjobs über Wasser hält und am Wochenende säckeweise Wäsche mit zu Mama nimmt? Mitnichten. Der Mann ist beschäftigt. Wer italienischer Meister werden und das Golden Goal im Europameisterschaftsfinale schießen muss, der darf so lange im Studium rumbummeln, wie er will.
6.
Als der „etwas andere“ Profi gilt hierzulande Thomas Broich. Von seinen Mitspielern „Mozart“ genannt, schaute Broich Zeit seiner Karriere stetig über den Tellerrand und schrieb sich zu seiner Gladbacher Zeit an der Düsseldorfer Uni ein, um Philosophie zu studieren. Ein schönes Spielchen für die Medien, denn Broich posierte auch mal gerne mit Büchern und Baskenmütze. Was die wenigsten wissen: Broich war nicht der einzige Student im Team. Auch die Mitspieler Zé Antonio und Kasey Keller waren damals eingeschrieben. Keller, der aus England gekommen war, sagte dazu: „Es ging bei den englischen Profis immer nur um Autos, Alkohol und Frauen.“ Ein Prioritätenverhältnis, dass sich zu zwei Dritteln mit dem zahlreicher Studenten deckt.
7.
Auch in der Riege der studierten Fußballer: Hans-Jörg Butt. Der ehemalige Nationaltorhüter begann während seiner Karriere ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fernuni. Von der „Bild“ darauf angesprochen, maulte Butt: „Ja, BWL, als Fernstudium, zehntes Semester. Aber jetzt fangt nicht an mit ›Der etwas andere Profi‹ oder so was!“ Na gut, dann nicht.
8.
Genervt reagierte einst auch Richard Golz. Als ihn ein Journalist auf das Klischee der Studentenstadt Freiburg ansprach und allen Ernstes wissen wollte, ob das Universitätsleben auch in der Kabine zu bemerken sei, fuhr der Tormann dem Schreiber sarkastisch übers Maul. „Ja, klar. Vor lauter Philosophieren über Schopenhauer kommen wir gar nicht mehr zum Trainieren.“ Na na na, man wird ja wohl noch eine total dumme Frage stellen dürfen.
9.
Eine Sonderstellung im mexikanischen Fußball nehmen die UNAM Pumas ein. Die Pumas sind nämlich nicht nur eines der erfolgreichsten Teams des Landes, sondern darüber hinaus auch eine Universitätsmannschaft. Natürlich sind nicht mehr alle Kicker zugleich Studenten, 2009 waren aber immerhin noch sechs Profis an der Uni eingeschrieben. Das eigene Stadion mit einem Fassungsvermögen von 72.449 steht auf dem Uni-Gelände, die Meisterschafte werden auf dem Campus gefeiert. Die vielleicht beste Uni-Party der Welt? Nicht auszuschließen.
10.
Zum Abschluss ein kleiner Schwenk in die Niederungen des Freizeitfußballs. Fester Bestandteil des Uni-Lebens sind mittlerweile die Uni-Ligen, in denen Freizeit-Teams gegeneinander antreten, um festzustellen, wer weniger amateurhaft ist. An sich eine nette Sache, die traditionell witzige, Entschuldigung, „witzige“ Namensgebung der Teams birgt aber durchaus Fallstricke. In der Uniliga Göttingen etwa hatten sich zwei Teams die Namen „Eintracht Frauenschweigt“ und „FC Siewillja“ gegeben und die Wappen mit halbnackten Frauen garniert. Was folgte, war eine Sexismusdebatte. Wir wollen diese hier nicht wieder aufnehmen und distanzieren uns natürlich von jeder Form von Sexismus. Deshalb weisen wir lieber auf Namen von anderen Uni-Teams hin, die empfindlich genau unseren Pennälerhumor treffen: Wacker Durchsaufen. Ballerdasdarein Istanbul. Arsenal Longdong. Glashoch Rangers. Glasbier Rangers. Fellatio Rom. AS Rum. Boavista Porno. Und schließlich unser Favorit: Die Elfenbeinbrüste