Die Topklubs in Europa haben ein Problem – sie trainieren einfach falsch. Behauptet zumindest der niederländische Fitnessguru Raymond Verheijen.
Abgesehen von diesem Problem, dem viele Trainer durch Rotation beizukommen versuchen, gilt es bei der Trainingsplanung den besonderen Charakter des Fußballs zu beachten. Dazu muss man sich nur an den Charakteristika des Spiels orientieren: Der Unterschied zwischen einer Mannschaft auf hohem und einer auf niedrigem Niveau ist die Geschwindigkeit ihres Spiels. Auf niedrigerem Niveau hat man mehr Zeit und Raum. Wozu man vielleicht eine halbe Sekunde hat, das muss man auf höherem Niveau in einer Drittelsekunde schaffen. Fußball ist ein Sport, in dem es um Intensität und Handlungsschnelligkeit geht, aber nicht um Ausdauer. Denn das Spiel auf jedem Niveau dauert 90 Minuten.
Das Problem ist: zu viel Training
Weil Fußball aber ein Intensitätssport ist, muss man Qualität trainieren. Wäre er ein Ausdauersport, stände Quantität im Mittelpunkt des Trainings. Dann müsste man mehr und länger trainieren, wie Schwimmer oder Leichtathleten es tun. Im Fußball indes muss man besser trainieren, intensiver und mit höherem Tempo. Einmal am Tag für 90 Minuten kann man sich im Training zu hundert Prozent verausgaben. Zweimal am Tag ist das unmöglich. Nachmittags wird man das Morgentraining spüren, und dann kann man nicht zu hundert Prozent dabei sein. Also bringt man seinen Spielern bei, mit weniger als hundert Prozent zu trainieren, und erzielt den gegenteiligen Effekt von dem, was man eigentlich erreichen will. Ich weiß, dass viele Fußballfans glauben, dass die Spieler zu wenig trainieren. Das Problem ist in Wirklichkeit aber zu viel Training.
Der schwedische Sportmediziner Jan Ekstrand hat in einer ausführlichen Untersuchung im Auftrag der UEFA schon vor fünf Jahren darauf hingewiesen, dass die meisten Verletzungen daher rühren. Schon in der Saisonvorbereitung neigen die meisten Vereine dazu, zu viel zu schnell zu machen. Und auch während der Saison bleibt Fußball ein Spiel- und kein Trainingssport. Leichtathleten trainieren oft acht oder neun Monate ohne Wettkampf, im Fußball muss man aber zwei- oder dreimal in der Woche spielen. Also dominiert der Wettkampf und nicht das Training. Fakt ist: 90 Minuten Fußballtraining mit höchster Intensität sind genug.
Mourinho und Guardiola arbeiten exzellent
Inzwischen haben viele Sportwissenschaftler ohne fußballspezifischen Hintergrund den Fußball gekapert. Spieler werden aufwendig mit Bluttests oder Ähnlichem untersucht. Doch je mehr Informationen man hat, desto müder wird das Auge für das, was man eigentlich beobachten sollte. Dabei können Zahlen und Daten nicht erklären, wie sich ein Spieler fühlt. Also macht keine Tests, sondern fragt sie selber, das ist viel effektiver! Oder macht Tests nur, um die eigenen Beobachtungen zu überprüfen.
Chelsea ist heute ein Klub, in dem sehr gut gearbeitet wird, José Mourinho ist exzellent in puncto Periodisierung. Auch Pep Guardiola ist ein sehr guter Trainer, und Bayern München hatte zusammen mit Chelsea lange die wenigsten Verletzten in Europa. Doch insgesamt wird es noch einige Jahre dauern, bis die junge Generation fußballspezifisch arbeitender Fitnesstrainer bei den Spitzenklubs angekommen ist. Sie werden wesentlich besser darin sein, topfitte Spieler ohne Verletzungen zu entwickeln. Und wir Fans werden dann noch mehr Spaß an ihnen haben.