Lange Zeit waren Bundesligastürmer arme Schweine, weil Einzelkämpfer. Das bescherte uns zwar Maschinen wie Robert Lewandowski. Raubte uns aber auch jede Menge Schönheit. Ein Plädoyer für die Doppelspitze.
Man muss ja vorsichtig sein mit Redewendungen. Allzu schnell sind sie kein augenzwinkerndes, Finger in die Wunde legendes Bonmot mehr, sondern schnöde Floskel. Aber weil man auch mal etwas riskieren muss im Leben, sagen wir jetzt einfach, wie es sich ja doch oft genug darstellt: Schön ist, was modern ist.
Das gilt für die Automobil-Industrie, in der man zu denken scheint, dass der ökologische Fortschritt unbedingt mit Design-Hässlichkeit einhergehen muss. Als müsse nachhaltige Energie immer Verzicht sein und eben auch für das Auge. Anders sind die vielen Elektro- und Hybridautos, die aussehen, als hätte ein Designer einen Rubik-Würfel in vollster Wut mit der Kreissäge bearbeitet, kaum zu erklären.
Das gilt für die Mode-Industrie, angesichts deren Fashion-Weeks-Laufsteg-Shows man wiederum zu denken scheint, dass der Mensch der Moderne sich gern als abstraktes Kunstwerk, entworfen von einem übermedikamentierten Schabrackentapir, empfindet.
Verzweifelte Trainer und Philosophen
Und natürlich gilt es auch für die Fußball-Industrie, in der seit Jahren ein Zahlenfetisch vorherrscht, von dem man gar nicht genau wissen möchte, welchen Minderwertigkeitskomplex er zu kaschieren versucht. Den Anfang nahm der Unsinn, wie so mancher Unsinn, in den Neunzigern Jahren. Die Viererkette war geboren. Oder besser gesagt: Mit fast Jahrzehnten Verzögerung auch nach Deutschland geschwappt.
Man spielte sie in Mainz, in Mönchengladbach und irgendwann durfte ein gewisser Ralf Rangnick, damals Trainer des Bundesligisten (!) SSV Ulm im Aktuellen Sportstudio des ZDF über all das philosophieren. Das tat er derart überzeugend, dass er seither als Fußball-Professor galt.
Mit dem Internet tauchten die ersten Internet-Seiten auf, die begannen, das Spiel wie eine Weltkarte zu vermessen. Und irgendwann waren Begriffe wie „inverse Außen“, „falsche Neun“ und „fluide Sechs“ etabliert. Trainer verzweifelten darüber, lesen zu müssen, was sie sich jetzt schon wieder ausgedacht haben sollen.
Und die Fans warfen mit Halbwissen um sich, dass man reizende Skat-Brüder plötzlich als normal Menschen erachtete: 4−2−3−1, 4−3−3, 4−1−4−1 waren die Zahlencodes ins Verständnisglück. Kuriose Randerscheinung: die sich abwechselnden Phasen, in denen nur modern ist, wer in einer bestimmten Formation spielen lässt.