In Deutschland ist der Videobeweis weiter heftig umstritten. Wie läuft es in Italien, Holland, Portugal und Australien? Wir haben nachgefragt.
Italien
Michele Tossani arbeitet als freier Fußballredakteur in Italien und schreibt an dieser Stelle häufig über die Serie A
Natürlich hat sich noch nicht jeder so ganz an den neuen Videobeweis gewöhnt, aber generell loben Fans und Experten seine Umsetzung. Und es besteht kein Zweifel daran, dass er in dieser Saison bereits großen Einfluss hatte: Nach sieben Spieltagen hat der VAR bereits zu 33 Strafstoßentscheidungen beigetragen. Die Zahl der Fouls ist gesunken (von 260 in der vergangenen Saison auf 203 in dieser), ebenso wie die Zahl der Gelben Karten (von 313 auf 245).
Viele Fans hatten geunkt, dass der Videobeweis aufgrund der Unterbrechungen die Nachspielzeit ins Unermessliche steigen lassen würde. Das konnte sich nach den ersten Spielen so nicht bestätigen lassen. Die effektive Spielzeit hat sich im Vergleich zur Vorsaison nur um 0,02 Prozent verringert.
Der Popularität des Videobeweises hier in Italien hat es sicherlich geholfen, dass der erste von außen verhängte Strafstoß gegen Juventus ausgesprochen wurde. In Italien ist die Ansicht weit verbreitet, dass die regulären Schiedsrichter zu nachsichtig mit den Bianconeri umgehen würden. Natürlich rief der Videobeweis unter den Spielern Kritik hervor. Gigi Buffon meinte, das Spiel werde zum Wasserball degradiert, und Sami Khedira fügte hinzu: „Im Moment ist es ein Desaster!“ Atalantas Trainer Gian Piero Gasperini regte sich fürchterlich über die Fehler des Videobeweises auf und monierte, dass die lange Zeit bis zur Entscheidung dem Fußball seine Emotionalität raube. Doch das sind Einzelmeinungen, die breite Öffentlichkeit goutiert die Minimierung der Fehlentscheidungen in dieser Spielzeit.
Der entscheidende Unterschied: Ein Videoassistent in jedem Stadion!
Italien unterscheidet sich bei der Umsetzung in einem Punkt deutlich von Deutschland: Während die Bundesliga eine Zentrale in Köln für die Entscheidungen ausgewählt hat, sitzt in der Serie A bei jedem Spiel ein Videoassistent in einer eigenen Kabine im jeweiligen Stadion. Von dort gibt es einen Hinweis an den Referee auf dem Rasen, sich eine bestimmte Szene auf einem Monitor am Spielfreldrand noch einmal genauer anzuschauen.
Es gibt also keinen Hauptverantwortlichen wie Hellmut Krug in Deutschland, der jedes Spiel überblickt. Die Entscheidungsmöglichkeit von außerhalb des Platzes sind auf mehrere Schultern verteilt. Natürlich bleibt ein Problem: Kommt es zu einer psychologischen Unterwerfung des Hauptschiedsrichters? Sprich: Lässt sich der Mann an der Pfeife schneller korrigieren, wenn ein etablierterer und angesehener Koordinator ihm einen andere Entscheidung nahelegt?
Bisher ist klar abgestimmt, wann der VAR eingreifen kann: bei Torentscheidungen, roten Karten, Bestrafung des falschen Spielers und Elfmetern. Nicht wenige Fans wünschen sich eine noch weitreichendere Kompetenz. Und: Sie wollen mehr Informationen darüber, was vor sich geht. Bislang – und das ist ähnlich wie in der Bundesliga – sehen sie nur das Zeichen des Schiedsrichters für den Videobeweis und müssen dann warten, wie der Schiedsrichter nach der Revision der Bilder entscheidet.