Bernd Schuster sitzt auf dem Podium des Presseraums im noblen Schlosshotel Pichlarn und gibt den freundlichen Herrn. Als sich bei der dritten und letzten Frage-Runde im Rahmen des zehntägigen Trainingslagers ein deutscher Journalist meldet, übersetzt der Trainer von Real Madrid für die 50 spanischen Medienvertreter höchstpersönlich die Fragen und Antworten – und hat die Lacher auf seiner Seite.
Egal ob spanischer oder deutscher Fragesteller, natürlich geht es auch an diesem Nachmittag in Irdning zuallererst um den Ronaldo-Transfer und dann um die zweitbeste Lösung, die den Namen van der Vaart trägt. Nein, betont Schuster, er sei nicht genervt oder nervös angesichts des ganzen Theaters. Man sehe doch, wie locker er mit den Journalisten darüber spreche.
In der Tat ist es keine Wutrede, die Bernd Schuster da in der steirischen Ferienidylle hält. Aber der Inhalt hat es in sich. Mit ruhiger Stimme und einem Schuss Ironie an mancher Stelle erklärt er den Medienvertretern, was ihm missfällt. »Ich habe mich daran gewöhnt, als Letzter über Verpflichtungen oder Verhandlungen unterrichtet zu werden«, spricht der gebürtige Augsburger in die Mikrophone. »Es ist nicht schön, mich über die Presse informieren zu müssen. Ihr steht vor mir und erwartet Antworten.« Was das Verhältnis zu Sportdirektor Predrag Mijatovic angeht, erklärt Schuster, es gebe keine Animositäten, und setzt aber mit einem Augenzwinkern hinzu: »Ich spreche nicht oft mit ihm.«
Bereits vergangene Woche hatte »Don Bernardo« Kritik geübt. »Seit die EM begonnen hat, redet man davon, dass man alles zuvor geregelt haben sollte, damit der Spieler bereits in der Mannschaft ist«, sagte Schuster und beklagte die allgemeine Ronaldo-Obsession des Präsidiums.
1a? Oder 1a plus 2b?
Trotz aller Beteuerungen seitens Schusters ob des guten Verhältnisses zwischen ihm und Real-Präsident Ramón Calderón, scheint nicht nur die Kommunikation mit Mijatovic, sondern auch die mit Calderon gestört zu sein. »Entweder es kommt Cristiano Ronaldo oder niemand mehr. Es gibt keinen Plan B«, zitierte die Sportzeitung »Marca« Real-Präsident Ramón Calderón Anfang der Woche. Schuster seinerseits war und ist in diesem Punkt flexibel. »Van der Vaart ist eine Option gewesen«, sagt Schuster den Pressevertretern in Irdning und korrigiert sich aber sofort: »Er ist immer noch eine, falls Ronaldo nicht kommt.« Calderón indes macht das Gezerre um HSV-Spielmacher und bekennenden Spanienliebhaber endgültig zur Posse, indem er pikanterweise vor dem Aufeinandertreffen beider Teams beim Emirates-Cup in London den baldigen Abschluss der Verhandlungen mit dem HSV ankündigt. Also doch nur die zweitbeste Lösung, obwohl Calderón den Fans, wie schon im Vorjahr mit Kaká, die 1a-Variante versprochen hat? Oder etwa die 1a- plus 2b-Lösung?
Cristiano Ronaldo – mit der Verpflichtung des portugiesischen Schönlings, der sich bei Manchester United zum effektiven Schönspieler entwickelt hat, will Calderón, seit Juli 2006 Präsident bei Real Madrid, Stärke und Macht demonstrieren. Seine Vorgänger hatten Zidane, den brasilianischen Ronaldo, Figo und Beckham – die Galaktischen – nach Madrid geholt. Robben, Sneijder, Pepe und Metzelder – mit Transfers dieser Güteklasse ruft man sich dagegen als Real-Präsident nicht nachhaltig in Erinnerung.
Schuster seinerseits will möglichst schnell die Verstärkungen bei der Mannschaft haben und versucht nach Ansicht von Beobachtern Mijatovic durch seine Aussagen in den Medien unter Druck zu setzen. Der Sportdirektor wiederum hält es für unangebracht, dass Schuster in der Öffentlichkeit über Personalien spricht.
Vor allem im kreativen Bereich blieb das Personal der Spielzeit 2007/2008 phasenweise – wenn auch seltener als unter Vorgänger Fabio Capello – hinter den Erwartungen zurück. Schuster hatte diese vom ersten Tag seiner Tätigkeit weg selbst geschürt, indem er nicht nur von Titeln in allen Wettbewerben sprach, sondern auch ankündigte, schönen Fußball spielen zu lassen.
Es blieb bei einem Titel, dem des spanischen Meisters, und gelegentlichem Zauberfußball im Estadio Santiago Bernabéu. In der Champions-League war im Achtelfinale gegen den AS Rom bereits Schluss, im spanischen Pokal schieden die Königlichen ebenfalls im Achtelfinale aus. Capello musste mit einer ähnlichen Bilanz gehen, Schuster darf vorerst weitermachen. Wahrscheinlich, weil er bei den Fans deutlich mehr Rückhalt genießt und immerhin die Meisterschaft mit einem Ligarekord von 85 Punkten nach Madrid holte.
Für diese Saison gibt der »Alemán« den erneuten Gewinn der spanischen Meisterschaft als oberstes Saisonziel aus – wohl nur, um den Druck von der Mannschaft zu nehmen. Die Real-Fans, mit neun Siegen im Landesmeister-Wettbewerb reichlich erfolgsverwöhnt, warten bereits seit sechs Jahren auf den zehnten Triumph in der europäischen Königsklasse. Was Bernd Schuster als Spieler verwehrt blieb, muss er in dieser Saison als Trainer schaffen: die wichtigste Trophäe endlich in Händen zu halten. Andernfalls dürfte die Männerfreundschaft mit Ramón Calderón zu Ende sein.
Inzwischen ist der Real-Chef in die Steiermark gereist, um Schuster über den neuesten Stand der Verhandlungen mit Manchester United und dem Hamburger SV zu unterrichten. Der Besuch war schon geplant, bevor die Unstimmigkeiten zu Tage traten, kommt aber allen Seiten umso gelegener.
Vielleicht wird bei der Gelegenheit auch noch über Schusters Salär gesprochen. Der 48-Jährige hat Berichte dementiert, wonach sein Gehalt in der zweiten Saison bei Real auf drei Millionen Euro verdoppelt worden sei. »Es gibt keinen Grund, mich zu beglückwünschen«, betonte Schuster am Mittwoch. Wahrscheinlicher als eine Gehaltsaufbesserung sei die Verpflichtung von Cristiano Ronaldo, sagte Schuster und lächelte dabei.