Unser Autor hat Cristiano Ronaldo noch nie leiden können. Bis im Europameisterschafts-Finale etwas Eigenartiges passierte.
Und irgendwo in mir drin weinte ich auch ein wenig. Gut, es war eher ein Aufstoßen wegen des vielen Bieres, aber immerhin: ich litt mit Cristiano. Den ich urplötzlich auch völlig distanzlos „Cristiano“ nannte, nicht mehr Cristiano Ronaldo oder spöttisch – Grund Nummer 273 – bei seinem dämlichen Markennamen „CR7“. Nachdem er vom Feld getragen worden war, tauchte er am Spielfeldrand wieder auf, fast als eine Art Co-Trainer, gab emotional Anweisungen, schrie, humpelte, litt, raufte sich die – Grund Nummer 8 – völlig überpflegten Haare.
All das, diese ehrliche Nervosität, die Hilflosigkeit, gegen die Cristiano vergeblich anfuchtelte, ließ durchscheinen, was unter all den He-Man-Muskeln, den Lamborghinis, der eigenen Unterwäschelinie, der allgemeinen Werbegesichtigkeit dieser völlig zur Oberfläche verkommenen Person kaum mehr zu sehen war: Da stand ein kleiner Junge, der es über alles liebt, Fußball zu spielen und auf Teufel komm raus nicht verlieren kann. Es zeigte sich eine durch und durch ehrliche und unschuldige Liebe zu diesem Sport, die ja natürlich, denkt man darüber nach, der Grund ist, warum Cristiano Ronaldo überhaupt so gut ist, wie er ist.
Wie ein Kleinkind am Weihnachtsabend
Als Eder das entscheidende Tor schoss, jubel-humpelte Ronaldo die Linie auf und ab, fasste sich ungläubig an den Kopf, kam zur Jubeltraube zu spät. Vor der Pokalübergabe schubste er seinen Trainer ein wenig, umarmte, was ihm vor die He-Man-Arme lief, jubelte, weinte, humpelte, rannte zu den Fans, stemmte später den Pokal und wirkte dabei wie ein Kleinkind am Weihnachtsabend, mit tränenfeuchten Wangen und glasigen Augen, den Blick irgendwo im Äther dieses absolut perfekten Universums.
Irgendjemand machte den Ton aus, dann das Bild, und wir gingen nach Hause. Noch auf der Straße zückte ich mein Notizbuch und schrieb: Grund Nummer eins, Cristiano Ronaldo zu mögen: Vielleicht doch kein so schlechter Kerl.