Linz trifft in der Europa League auf Manchester United. Vater des größten Erfolgs der Vereinsgeschichte ist Valérien Ismaël, der nach schwierigen Anfangsjahren als Trainer in Oberösterreich inzwischen wie eine Kultfigur verehrt wird. Mitunter ist der Franzose selbst überrascht, zu was sein Team imstande ist.
Können Sie Ihre Spielidee etwas konkreter fassen?
Wir leben von unserem Teamgeist. Alle Spieler, auch die neuen, haben verinnerlicht, wie wir mit und gegen den Ball agieren wollen. Es ist uns gelungen, den durchschnittlichen Ballbesitz von 46 auf zuletzt 56 Prozent pro Spiel zu steigern. Tendenz steigend. Anfangs fehlten uns Lösungsansätze, wie man das Spiel mit dem Ball aufzieht. Die Gegner stellten sich hinten rein und warteten auf Konter. Also haben wir als Team konkret an diesem Baustein gearbeitet und Lösungen gesucht. Und wenn ich unsere Ergebnisse anschaue, muss ich sagen: Es klappt nicht nur das Spiel gegen sondern auch das mit dem Ball ganz gut.
Das Erreichen des Europa-League-Achtelfinals ist der größte internationale Erfolg des LASK. Gab es einen Schlüsselmoment, der diesen Erfolg möglich werden ließ?
Aus meiner Sicht waren es zwei Knackpunkte: Im August hatten wir das Rückspiel in der Euro-League-Quali beim FC Brügge verloren. Es war das erste Mal, seit wir als Gruppe zusammen waren, dass wir keinerlei Zugriff auf das Spiel bekamen. Hinterher waren alle sehr enttäuscht, wie chancenlos wir gewesen waren. In dem Moment war es swichtig, dass wir nicht den Kopf in den Sand steckten, sondern uns bewusst machten, dass wir besser werden müssen, wenn wir in Europa mitspielen wollen. Im Trainerteam haben wir daraufhin die Trainingssteuerung komplett verändert – und kurz darauf das erste Gruppenspiel gegen Trondheim gewonnen. Das war für alle eine sehr wichtige Erkenntnis.
Und der zweite Knackpunkt?
Unsere Niederlage bei Sporting Lissabon im Oktober. An dem Tag spielten wir Sporting regelrecht an die Wand, wir dominierten die Portugiesen von der ersten bis zur letzten Sekunde, verloren am Ende aber mit 2:1. Als wir nach Linz zurück kamen, wurde uns seitens der Medien und vom ganze Umfeld klar gemacht, dass wir trotz der knappen Auswärtsniederlage eine wirklich beeindruckende Leistung abgeliefert hatten geleistet hatten und auf dem richtigen Weg sind. Kurz: Die Niederlage brachte uns den Glauben an die eigene Stärke. Es war der Beginn der Erfolgswelle, die wir bis jetzt reiten. Danach spielten wir in Eindhoven unentschieden, schossen Sporting mit 3:0 aus unserem Stadion und gewannen gegen Rosenborg.
Im Achtelfinale wartet nun Manchester United mit Paul Pogba, Anthony Martial und Marcus Rashford auf Ihr Team. Auf dem Papier hat der LASK keine Chance.
Sie haben Recht, meine Mannschaft tritt gegen Spieler an, die sie bisher nur aus dem Fernsehen oder von der Playstation kennen. Auch in der Kaderbreite können wir da nicht mithalten, aber am Spieltag stehen da auf dem Rasen nur elf gegen elf – und dann gibt es immer eine Chance.
Können Sie in dieser Lage auf Erfahrungen aus Ihrer Spielerzeit zurückgreifen?
Ich erinnere mich an die Saison 1997/98, als wir mit Racing Strasburg im UEFA-Cup auf den FC Liverpool trafen. Ich war im Hinspiel zuhause gesperrt und furchtbar enttäuscht. Bis dahin war es das größte Spiel meiner Laufbahn. Bei Liverpool spielten damals Robbie Fowler und Michael Owen. Vor dem Rückspiel an der Anfield Road war ich sehr aufgeregt und machte mir unglaublich viele Gedanken. Aber als ich auf dem Platz stand, war es alles nicht mehr so extrem, da ging es Mann gegen Mann – und am Ende schafften wir den Einzug ins Achtelfinale. Das sollten meine Spielern auch verinnerlichen: Dass in einem Spiel immer alles möglich – selbst wenn der Gegner Manchester United heißt.
Selbst wenn beim LASK die beiden etatmäßigen Innenverteidiger wegen einer Gelbsperre im Hinspiel ausfallen und Goalgetter Thomas Goidinger und Linksverteidiger Marvin Potzmann wegen eines Kreuzbandrisses fehlen?
Wir haben in dieser Saison schon viel rotiert und stets haben die neuen Leute sich reibungslos in die Mannschaft eingefügt. Egal wer bei uns auf dem Platz steht: Die Prinzipien werden umgesetzt.
Ein weiterer Hemmschuh ist, dass das Heimspiel wegen des Corona-Virus vor leeren Rängen stattfindet.
Ja, es kommt gerade knüppeldick für uns. Aber das sind alles Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Natürlich ist es schade, dass wir ausgerechnet ein Spiel gegen Manchester nicht gemeinsam mit unseren Fans erleben können. Aber in der gegenwärtigen Lage haben wir alle eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft.
Und welchen oberösterreichisches Bonmont haben Sie sich zurecht gelegt, für den Fall, dass es am Ende fürs Weiterkommen gegen ManUnited reicht?
Noch keinen. Jetzt spielen wir erst einmal und im Zweifel wird meinem Co-Trainer bestimmt wieder ein lustiger Spruch einfallen.