Weiße Spieler überzeugen mit Spielintelligenz, schwarze durch ihre Physis. Eine Studie zeigt, wie der Sprachgebrauch von Fußballkommentatoren rassistische Stereotypen verstärkt – und damit ganze Karrieren erschwert.
Donnerwetter. „Wenn der Heskey den Hintern rausstreckt“, sagte Fritz von Thurn und Taxis einst über den englischen Stürmer Emile Heskey. Ja also, wenn dieser Emile Heskey seinen Hintern rausstrecke, dann: „Donnerwetter!“
Emile Heskey hat in 516 Premier-League-Spielen 111 Tore geschossen. Für die englische Nationalmannschaft traf er in 62 Einsätzen lediglich siebenmal. Das sind für einen Stürmer keine überragenden Zahlen, solide sind sie allemal. Dennoch wird im deutschsprachigen Wikipedia-Artikel über Emile Heskey, dessen Familie aus Antigua stammt, schon im einleitenden Absatz darauf hingewiesen, dass seine Torquote „ungewöhnlich niedrig“ sei und er dafür „von weiten Teilen der englischen Fußballmedien und ‑anhängern kritisiert“ werde. Charakteristisch für seine Spielweise sei hingegen „vor allem die Fähigkeit, in der Offensive den Ball vor dem Gegner zu behaupten, Freiräume zu schaffen und Mitspieler in Szene zu setzen.“ Körperlichkeit statt Effizienz. Sieht also nicht nur Thurn und Taxis so, ohne ihm nun bewusste rassistische Denkmuster zu unterstellen, sondern auch Wikipedia.
Geht es nach einer Studie des dänischen Forschungsunternehmens RunRepeat, die in Zusammenarbeit mit der englischen Spielergewerkschaft PFA entstand, sind derlei Zuschreibungen kein Zufall. Demnach werden nämlich Spieler mit dunklerer Hautfarbe in der Berichterstattung häufiger auf ihre Physis und Athletik reduziert, während Fußballer mit heller Hautfarbe eher für ihre Intelligenz, ihre Qualität und ihren Fleiß gelobt werden.
Das ergab eine Auswertung von 2073 Aussagen englischsprachiger Kommentatoren von 80 Spielen in England, Spanien, Italien und Frankreich. Demnach richtete sich 62,6 Prozent des Lobes der amerikanischen, kanadischen und englischen Kommentatoren in Bezug auf die Spielintelligenz an hellhäutige Spieler. Ihre Kritik diesbezüglich traf hingegen zu 63,33 Prozent nicht-weiße Fußballer. Ganz ähnlich verhielt es sich mit Lob und Kritik bezüglich der Qualität (62,79 Prozent Lob für weiße Profis, 67,57 Prozent Kritik für dunkelhäutige Spieler).
Geht es hingegen um körperliche Attribute, zeigt sich ein anderes Bild: Für ihre Geschwindigkeit heimsen zu 84,17 Prozent dunkelhäutige Spieler Lob von den Kommentatoren ein, für ihre Kraft sind es sogar 86,76 Prozent. All diese Zuschreibungen, so die Autoren der Studie, beeinflussten natürlich auch die Wahrnehmung der Zuschauer. Bei diesen verfestige sich dadurch das rassistische „brawn versus brain“-Stereotyp, wonach dunkelhäutige Menschen vor allem durch physische Attribute, weniger durch kognitive Fähigkeiten auffallen. Oder wie Piara Powar, der Direktor von Football Against Racism in Europe es ausdrückt: „Es besteht weiterhin das Vorurteil, dass schwarze Athleten zwar gute Performer sind, aber keine Leader.“
Ein Vorurteil mit weitreichenden Folgen. „Es ist wichtig, sich klar zu machen, wie weitreichend diese Wahrnehmungen sind und wie sie Spieler sogar beeinflussen, wenn sie ihre aktive Karriere schon beendet haben“, sagt Jason Lee aus dem Vorstand der Spielergewerkschaft PFA. Als Beispiel führt er Profis an, die eine Trainertätigkeit anstreben: „Ist es nicht ein unfairer Vorteil, dass die Bewertung von Spielern als intelligent und fleißig das Resultat einer rassistisch geprägten Wahrnehmung ist?“
„Es gilt nach wie vor: Man muss als Schwarzer deutlich härter arbeiten, um zu leben wie ein Weißer“
Tatsächlich gibt es in den Topligen Europas kaum dunkelhäutige Trainer. Daniel Thioune, Trainer vom VfL Osnabrück, sagte vergangenen Sommer im Gespräch mit 11FREUNDE: „Es gilt nach wie vor: Man muss als Schwarzer deutlich härter arbeiten, um zu leben wie ein Weißer.“ Geht es nach der Studie von RunRepeat trägt auch die Art und Weise wie Kommentatoren Fußballspiele im Fernsehen begleiten zu dieser Ungleichheit bei. „Um die tatsächlichen Auswirkungen des strukturellen Rassismus anzugehen, müssen wir rassistische Vorurteile anerkennen und angehen“, so Jason Lee.
Ein erster Schritt dazu sei es, sich des Problems bewusst zu werden, sagt der Studienleiter Danny McLoughlin gegenüber Zeit Online. Auch größere Diversität bei den Fußballkommentatoren selbst könnte helfen, die rassistisch geprägten Sprachmuster zu durchbrechen. Weniger als acht Prozent der in der Studie analysierten Kommentatoren waren dunkelhäutig. „Wenn sie diverser wären“, so McLoughlin, „würde ich weniger drastische Ergebnisse erwarten.“ Dann wäre vielleicht weniger Donnerwetter. Aber mehr Gerechtigkeit.