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Tim Cook hatte es nicht leicht. Er musste 2011 in die Fuß­stapfen des legen­dären Steve Jobs treten, der in den Jahren zuvor visio­näre Dinge wie den iPod, das iPhone und das iPad ent­wi­ckelt hatte. In 33 Jahren hatte Jobs ein gigan­ti­sches Impe­rium auf­ge­baut und die Welt der Technik revo­lu­tio­niert. Steve Jobs war Apple“, sagte David Gill, der ehe­ma­lige Boss von Man­chester United einmal, um anzu­fügen: Sir Alex Fer­guson ist Man­chester United“. Denn dessen 38 Titel in 26 Amts­jahren waren nicht minder impe­rial.

Spinnt man David Gills Ana­logie ein Stück weiter, wäre der Tim Cook von Man­chester United also David Moyes, Alex Fer­gu­sons Nach­folger. Hier gerät der Ver­gleich jedoch ins Sto­cken. Denn wäh­rend Tim Cook die Nach­folge von Steve Jobs heute noch aus­füllt, hat der Schotte David Moyes seit seinem Enga­ge­ment bei Man­United in der Fuß­ball­welt keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Der­zeit steht er mit West Ham United nur wegen der bes­seren Tor­dif­fe­renz ober­halb der Abstiegs­ränge. Dabei fing seine Trai­ner­kar­riere einst so ver­hei­ßungs­voll an.

Dreimal Trainer des Jahres

Seine erste Trai­ner­stelle trat Moyes 1998 bei Preston North End an, wo er im Anschluss an seine aktive Fuß­bal­ler­kar­riere an die Sei­ten­linie wech­selte. Das Team spielte in der dritt­klas­sigen Second Divi­sion und Moyes bewahrte es vor dem Abstieg, führte das Team im Fol­ge­jahr zur Meis­ter­schaft und schei­terte dar­aufhin erst in den Play­offs am direkten Pre­mier-League-Durch­marsch. Bereits zu dieser Zeit han­delten Medien ihn als mög­li­chen Assis­tenz­trainer an Alex Fer­gu­sons Seite. 

Moyes aller­dings lan­dete 2002 beim FC Everton und sagte, Everton sei The Peo­p­le’s Club“, womit er unwis­sent­lich eine neue inof­fi­zi­elle Ver­eins­be­zeich­nung schuf. Eine gute erste Saison schloss Everton mit dem siebten Tabel­len­platz ab. Und Moyes legte das Fun­da­ment für sein hohes Stan­ding, das er bis heute bei den Tof­fees“ genießt. Der Klub lan­dete in seiner 12-jäh­rigen Amts­zeit neunmal auf den Plätzen zwi­schen fünf und acht, wofür Moyes 2003, 2005 und 2009 zum Trainer des Jahres in Eng­land gekürt wurde.

David Moyes hatte sich einen Namen im eng­li­schen Fuß­ball gemacht und galt nicht mehr bloß als großes Trai­ner­ta­lent, son­dern als gestan­dener Pre­mier-League-Trainer. Mit einem nam­haften Für­spre­cher.

The Chosen One

Denn wie es sich für einen echten Impe­rator wie Sir Alex Fer­guson gehörte, bestimmte der mit seinem Abtreten selbst, wer sein Erbe bei Man­chester United antreten durfte. Fer­gies“ Wahl fiel auf seinen Lands­mann David Moyes.

Er wurde zu The Chosen One“, dem Aus­er­wählten. Über dem Unter­rang im Old Traf­ford hing ein Banner mit dem Schriftzug, daneben sein Kon­terfei – ein Image, das Moyes nicht mehr los­werden sollte. Und eine ewige Erin­ne­rung daran, dass er den Trai­ner­posten quasi geschenkt bekommen hatte. Ob auch ver­dient, wusste er nicht einmal selbst.

Man erzählte sich, der ältere Mit­ar­bei­ter­stab bei United habe David Moyes von Beginn an nicht akzep­tiert. Sie nannten ihn Everton“ und fragten bei Moyes‘ erstem Arbeitstag auf dem United-Kom­plex herum: Ist Everton schon da?“

Früh miss­fiel Moyes‘ Wort­wahl in Man­chester. Man war von Alex Fer­guson gewohnt, jedes Spiel gewinnen zu müssen. Der Sir selbst hatte sich und seinem Team diese Prä­misse auf­er­legt: I’ve never played for a draw in my life“, noch nie in seinem Leben hatte er auf ein Unent­schieden gespielt. David Moyes hin­gegen war vor­sichtig in seiner Wort­wahl, er nannte den FC Liver­pool den Favo­riten“, sprach davon hof­fent­lich zu gewinnen“ und glaubte, Man­chester City sei auf einem Niveau, das anzu­streben ist“. Seine Worte umgaben eine Unsi­cher­heit, nicht die Power für die United stand.

In Everton gaben sie ihm den Spitz­namen Dithe­ring Dave“, der zit­ternde Dave. Gemeint waren seine Ent­schei­dungs­schwie­rig­keiten und die Unsi­cher­heit. Spe­ziell, wenn es um Trans­fers ging. Und bei Man­chester United lie­ferte er wei­tere Argu­mente für diesen Spitz­namen.

Ein Meister der Anpas­sung

Ähn­lich wie Fer­guson pflegte auch Moyes einen auto­kra­ti­schen Füh­rungs­stil, es gab klar hier­ar­chi­sierte Struk­turen und nur einen Boss. Die Geschicke derart zu leiten, hat eine ana­chro­nis­ti­sche Note, ist leicht ver­staubt und wenig fle­xibel. Doch Fer­guson war ein Meister der Anpas­sung. Sein Team konnte sich aktua­li­sieren, wenn die Dinge nicht so liefen wie geplant, wenn Pfeiler weg­bra­chen oder die Mann­schaft zurücklag. Wenige Mann­schaften waren so bekannt für ihre Come­back-Qua­li­täten wie die von Fer­guson trai­nierten Teams.

Und dort machten Fuß­ball­ex­perten den großen Schwach­punkt von David Moyes aus: Ihm fehle es an Anpas­sungs­fä­hig­keit. Bei Everton galt er als Defensiv-Spe­zia­list und war in erster Linie darauf bedacht, das Spiel des Geg­ners zu stoppen, erst dann das eigene Spiel auf­zu­ziehen. Er sei ver­narrt gewesen in die Fit­ness, all­seits gefürchtet waren seine Hor­se­shoe Runs“ (Huf­ei­sen­läufe), wie Phil Neville sie nannte. 

Ich glaube nicht, dass Moyes je die Größe dieses Ortes erkannt hat“

Rio Ferdinand über David Moyes

Bei United war die Marsch­route eine andere. Dort saßen Spieler wie Rio Fer­di­nand in der Kabine, die schon sechsmal Meister geworden waren und die Cham­pions League gewonnen hatten. Moyes hat weder als Spieler noch als Trainer jemals einen bedeu­tenden Titel gewonnen. Ich glaube nicht, dass Moyes je die Größe dieses Ortes erkannt hat“, sagte Fer­di­nand später in den Man­chester Evening News.

Nach zehn Monaten stand der Klub auf dem siebten Tabel­len­platz und Moyes musste seine Sachen packen. Als Ryan Giggs inte­rims­weise das Trai­ning über­nahm und die Saison an der Linie zu Ende bringen sollte, sagte Uniteds Ersatz­tor­wart Anders Lin­de­gaard: Ohne respektlos gegen­über Moyes zu sein, aber jetzt fühlt es sich wieder an wie Man­chester United.“

Ein Luft­wechsel musste her. Bisher hatte sich David Moyes über Preston, Everton und Man­chester beruf­lich in einem Radius von 60 Meilen bewegt. Im Herbst 2014 ging es nach San Sebas­tian ins Bas­ken­land, wo der Schotte den Erst­li­gisten Real Sociedad vor dem Abstieg bewahren sollte. Sociedad war zu diesem Zeit­punkt so etwas wie das FC Everton der La Liga, ein solides Tabel­len­mit­tel­feld-Team. Eine gute Aka­demie, gute Grund­lagen, solider Sup­port und eine stolze Tra­di­tion“, wie Moyes bei seiner Ankunft tro­cken fest­stellte.

Nachdem er La Real“ in seiner Pre­mie­ren­saison auf den 12. Tabel­len­platz gehievt hatte, machte sich Opti­mismus breit. Er wollte dem Team einen bri­ti­schen Spiel­stil auf­tragen: schnell, der Ball immer in Bewe­gung. Doch die Rea­lität zu Sai­son­start waren zwei tor­lose Unent­schieden, zwei Nie­der­lagen, ein sehr destruk­tives Spiel und auf­kom­mende Pro­bleme außer­halb des Platzes. Es ent­wi­ckelte sich keine schot­tisch-spa­ni­sche Sym­biose, wie erhofft. Die Sprach­bar­riere war groß, der Wille einer kul­tu­rellen Annä­he­rung nicht gegeben. Moyes soll ver­wei­gert haben, regel­mäßig Spa­nisch zu lernen, weil eine gebro­chene Sprache seine Auto­rität unter­graben hätte.

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David Moyes, der Aus­er­wählte.

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Dass er über die gesamte Amts­zeit in einem Hotel lebte, ver­stärkte das Gefühl nur, dass der Schotte in San Sebas­tian ein Fremd­körper war. Iden­ti­fi­ziert und abge­stoßen ver­ließ er nach 364 Tagen und nur zwölf gewonnen Spielen aus 42 Ver­su­chen den Norden Spa­niens wieder. Er hat den Klub, die Spieler, die Liga, die Stadt und die Sprache nie ver­standen“, schrieb der spa­ni­sche Jour­na­list Inaki Izquierdo.

Wieder war Moyes die Anpas­sung miss­lungen. Bei Man­United war es die Größe, mit der er nicht klar­zu­kommen schien, bei Real Sociedad die Kultur. Also ging es zurück auf die Insel. Kleiner denken.

Abstieg mit dem AFC Sun­der­land

Am 23. Juli 2016 stellte der AFC Sun­der­land David Moyes als neuen Trainer vor. Das Ziel lau­tete Klas­sen­er­halt. Die Black Cats befanden sich in einer ähn­li­chen Situa­tion wie der FC Everton, den Moyes 2002 über­nommen hatte.

Ins­ge­samt holte Sun­der­land unter Moyes 13 Spieler und gab auf dem Trans­fer­markt vor Sai­son­be­ginn 30 Mil­lionen Euro aus. Unty­pisch für Dithe­ring Dave“ und sein zöger­li­ches Ent­schei­dungs­ver­mögen. Doch die Trans­fers, unter denen einige Ex-Schütz­linge von ihm waren, floppten. Nur sechs Siege in der kom­pletten Saison mün­deten im Abstieg in die zweit­klas­sige Cham­pi­on­ship. 

Abge­rundet wurde das erneute Miss­ver­ständnis von einigen äußerst unglück­li­chen Aus­sagen von Moyes gegen­über der BBC-Jour­na­listin Vicki Sparks, die ihm eine kri­ti­sche Frage gestellt hatte. Im Glauben die Mikro­fone seien aus, sagte er: Du musst auf­passen, dass du keine Schläge bekommst, auch wenn du eine Frau bist“. Als Kon­se­quenz musste der Schotte 30.000 Pfund zahlen, was weniger seinem finan­zi­ellen Status scha­dete als seinem per­sön­li­chen. Mit einem lädierten Image endete seine Zeit beim stolzen AFC Sun­der­land.

Eine seltsam ver­al­tete Denk­weise“ beschei­nigte ihm Louise Taylor vom Guar­dian. Sowohl auf wie neben dem Platz hatte sich David Moyes über die Jahre scheinbar nicht wei­ter­ent­wi­ckelt.

200. Pre­mier-League-Sieg

Obwohl Moyes in vier Jahren bei drei grund­ver­schie­denen Ver­einen geschei­tert und nie länger als ein Jahr im Amt geblieben war, ernannte West Ham United ihn am 7. November 2017 zum neuen Trainer. Die Mis­sion lau­tete wieder einmal: Klas­sen­er­halt. Mit einem 4:1‑Sieg über Hud­ders­field Town im Januar mar­kierte Moyes seinen 200. Pre­mier-League-Sieg. Damit ist er erst der vierte Trainer nach Alex Fer­guson, Arsene Wenger und Harry Red­knapp, der diesen Mei­len­stein erreicht hat.

Am Ende der Saison stand ein solider 13. Tabel­len­platz, doch die Ver­eins­füh­rung ent­schied sich, dem Schotten keinen neuen Ver­trag anzu­bieten, son­dern ließ ver­lauten: Wir wollen einen Hoch­ka­räter“. Autsch. 

Weil der Chi­lene Manuel Pel­le­g­rini jedoch nicht so funk­tio­nierte, wie man es im Osten Lon­dons erwartet hatte, griffen die Ver­ant­wort­li­chen doch auf einen zurück, der nicht in die Kate­gorie Hoch­ka­räter passt: Ein halbes Jahr später stand David Moyes wieder auf der Matte.

Seit dem 29. Dezember 2019 leitet der Schotte nun wieder die Geschicke im London Sta­dium. Bei seiner Rück­kehr, sagte er, es gäbe nur drei Trainer mit mehr Siegen in der Pre­mier League als ihn. Das ist, was ich tue: Ich gewinne“, sprach er in Sir-Alex-Fer­guson-Manier. Seit seiner Rück­kehr sind zwölf Spiele ver­gangen. Nur drei hat West Ham davon gewonnen.