Früher kam an ihm niemand vorbei. Selbst kräftigste Stürmer wurden nach Zweikämpfen mit „Eisen-Dieter“ vom Platz geschleppt. Heute wird er 60 Jahre alt. Dieter Schlindwein im großen Karriereinterview.
Dieses Interview erschien erstmals in 11FREUNDE #210. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Dieter Schlindwein, früher sangen die Fans „Es gibt nur einen Eisen-Dieter!“ Aber in Wahrheit gab es zwei. Hatten Sie mit Dieter Eilts mal Streit um den Spitznamen?
Ach, nein. Wir teilen uns den Namen freundschaftlich.
Eilts wurde außerdem „Ostfriesen-Alemao“ genannt.
Auch ich war spielerisch nicht so limitiert, wie Sie sich vielleicht erinnern. Als Jugendlicher wollte ich spielen wie Franz Beckenbauer, körperlos und elegant.
Warum wurden Sie dann knallharter Vorstopper bei Waldhof Mannheim?
Waldhof ist ein Arbeiterviertel, da wurde malocht, die Leute wollten keine Schönspieler sehen, man musste die Ärmel hochkrempeln und kämpfen. In Mannheim habe ich gelernt, mich durchzusetzen.
Ihr Heimatdorf, Karlsdorf in Baden-Württemberg, ist eigentlich KSC-Gebiet. Wie hat man dort den Wechsel nach Mannheim aufgenommen?
Karlsdorf liegt bei Karlsruhe, die meisten Freunde und Verwandten waren KSC-Fans. Mein Vater hat Mitte der Fünfziger sogar für den Klub gespielt. Mir lag auch ein Angebot des KSC vor, aber ich entschied mich wegen der guten Jugendabteilung für Waldhof. Außerdem konnte ich nebenbei eine Ausbildung als Industriekaufmann in einer Firma für Armaturen und Messgeräte machen. Mit 17 Jahren spielte ich zum ersten Mal in der zweiten Bundesliga.
„Meine Waldhof-Wollmütze trage ich heute noch – super Qualität“
1983 stieg die Mannschaft in die Bundesliga auf. Die Presse nannte es das „Wunder von Waldhof“. Was machte die Mannschaft so stark?
Der Zusammenhalt, das Familiäre. Das fing schon in der Jugendmannschaft an, die Kurt Koberger trainierte. Er und seine Frau Renate kümmerten sich 24 Stunden am Tag um uns. Sie häkelte den Spielern mühevoll blauschwarze Wollmützen für die kalte Jahreszeit. Die trage ich heute noch – super Qualität. Der Vater des Erfolgs war aber natürlich Schlappi (Trainer Klaus Schlappner, d. Red.). Er kam vor allem bei den jungen Spielern gut an, obwohl sein Training verdammt hart war.
Nach außen gab er gerne den Scherzbold mit markigen Sprüchen. Zum Beispiel: „Wer kein Bier trinkt, kann nicht Fußball spielen“.
Das war seine Art, aber ehrlich: Wir haben nur im Trainingslager vorm Schlafengehen noch ein Bier getrunken. Ein Ritual sozusagen. Das war’s mit Alkohol. Ich habe eh in meiner gesamten Karriere fast abstinent gelebt.
1985 nahm er eine Single namens „Schlappi-Räp“ auf, Jahre bevor andere Bands auf Deutsch rappten.
(Lacht.) Er konnte sich zumindest gut vermarkten, mit dem Pepitahütchen, dem Schnurri und seinen Songs. Aber er nahm uns Spieler dabei immer mit. Schon vor dem Schlappi-Räp hatte er mit uns eine Platte aufgenommen, den „SV-Waldhof-Rock“. Die gesamte Mannschaft im Tonstudio. Großartig.
Waldhof-Bube: Mit Mannheim verpasst Schlindwein knapp den UEFA-Cup.
Welches Spiel aus Ihrer Waldhof-Zeit ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Ein 3:1‑Sieg gegen Kickers Offenbach im März 1979. Ich war gerade mal 18 Jahre alt und machte alle drei Tore. Dann natürlich noch das 2:1 bei den Bayern 1984. Es war die Oktoberfestzeit, Bayerns Präsident verkündete vorher: „Während der Wiesn sind die Bayern unschlagbar!“ Nach dem Spiel gab Schlappi noch an der Trainerbank ein Interview.
Er sagte: „Auch ein Präsident kann sich mal irren.“
Die Bayern hatten zu dem Zeitpunkt 12:0 Punkte, für die stellte sich nur die Frage, wie hoch sie gegen uns gewinnen würden. Ich habe in dem Spiel auch ein Tor gemacht.
Ein filigraner Lupfer über Raimond Aumann ins Tor.
Wie gesagt: Ich war technisch nicht so schlecht. (Lacht.) Es war eh ein super Tag. Am Abend war ich im Sportstudio – und habe dort an der Torwand drei weitere Dinger gemacht.
Wann wurde Werder Bremen auf Sie aufmerksam?
Schon bei meinem ersten Bundesligaspiel mit Waldhof im Sommer 1983. Wir gewannen damals 2:0 gegen Werder, ein legendäres Spiel, in dem wir den Gegner niedergekämpft haben. Otto Rehhagel ist an der Linie ausgeflippt: „Schiri, immer der Schlindwein, was für ein schlimmer Spieler!“ Zwei Tage später rief er an: „Dieter, willst du nicht nach Bremen kommen?“ Danach trafen wir uns immer wieder mal. 1986 hat es schließlich geklappt, weil sich Bruno Pezzey verletzt hatte und Werder einen neuen Vorstopper suchte.