Joel Matip erlebt in Liverpool die Zeit seines Lebens. Jetzt ist er auch noch Meister. Und das Geheimnis seines Erfolgs ist eine Currywurstbude im Ruhrpott.
Dieses Interview mit Joel Matip erschien erstmals in 11FREUNDE #221 (hier im Shop erhältlich). Dass der FC Liverpool Meister werden würde, war damals schon abzusehen. Nicht jedoch, dass der Verein die Meisterschaft im Juni ohne Fans würde feiern müssen.
Joel Matip, wie stoppt man Lionel Messi?
Du brauchst einen guten Tag, ein bisschen Glück und eine ganze Mannschaft, die unermüdlich rennt. Aber selbst das reicht manchmal nicht. Ich erinnere mich an das Hinspiel im Viertelfinale letztes Jahr in Barcelona. Wir haben ihn da super im Griff, stoppen ihn beim Konter – dann jagt er dir einfach mal den Freistoß in den Winkel. Ich stehe in der Mauer, drehe mich um und denke nur: „Da kannst du machen, was du willst.“
Im Hinspiel unterlag Liverpool mit 0:3. Haben Sie an ein Wunder im Rückspiel geglaubt?
Direkt nach dem Spiel war ich bedient. Doch von Tag zu Tag wuchs das Selbstvertrauen wieder an. Wir waren nicht so schlecht in Barcelona, hatten unsere Chancen, und das 0:3 war definitiv zu hoch ausgefallen. Dann denkst du dir: Anfield, ein schnelles Tor, vielleicht geht noch was!? Aber so richtig dran geglaubt habe ich erst im Rückspiel selbst. Wie wir anliefen, wie das Stadion kochte, das war gleich ganz besonders.
Ihr Mitspieler Andy Robertson drückte im ersten Zweikampf Messis Kopf runter. Er wollte
ihn einschüchtern.
(Lächelt.) Ja, gegen Andy würde ich auch nicht gerne spielen. Mein Ding sind solche Sachen nicht, ich veranstalte auch keinen Trashtalk. Hart gegen den Mann, hart im Zweikampf, das reicht.
„Ich werde den Teufel tun und mir daheim Youtube-Filme über mich anschauen.“
Es gibt diesen Moment in der ersten Halbzeit, als Barcelona vier gegen zwei in Ihrem Strafraum spielt. Man findet ihn in einem Youtube-Zusammenschnitt Ihrer besten Szenen.
Tut mir leid, den kenne ich nicht. Ich werde auch den Teufel tun und mir daheim Youtube-Filme über mich anzuschauen. Das ist mir unangenehm, mich da zu sehen. Die Videos zur Spielanalyse sind schon genug für mich.
Lassen Sie uns die Szene trotzdem anschauen, denn nur ein Tor von Barcelona hätte das
Aus bedeutet. Messi führt den Ball in Überzahl, Sie kommen von links und spitzeln
ihn im letzten Moment weg.
(Schaut die Szene auf dem Laptop.) Das ist Intuition. Du weißt, dass Messi lieber mit links schießt. Also habe ich spekuliert, dass er sich den Ball auf diesen Fuß legt und nicht abspielt. Wenn er nach rechts gezogen hätte, hätte ich ihm noch etwas Druck geben können. Du überlegst, was das kleinere Übel ist. Aber das sind Hundertstel, da bleibt keine Zeit für eine Checkliste.
Ihr Jugendtrainer Sven Hübscher hat erzählt, dass Sie früher die Antizipation trainiert haben.
In der Jugend bei Norbert Elgert auf Schalke haben wir viele kognitive Übungen durchgeführt. Du verteidigst in dem Fall alleine zwei Tore und musst schauen, wie der Stürmer beim Abspiel oder Schuss das Standbein hält. Knickt er das Sprunggelenk ab oder nicht? Das ist vergleichbar mit dem Training für Torhüter, bei dem sie ihre Reflexe schulen.
Wie entscheiden Sie, wann Sie als Innenverteidiger vorrücken?
Bei Liverpool pressen wir hoch; wenn der Stürmer also vorne angreift und wir nicht mit verschieben, dann klafft eine große Lücke. Also kann es schon vorkommen, dass ich als Innenverteidiger in der gegnerischen Hälfte stehe. Wir scannen die Umgebung und schätzen den Gegenspieler ein. Messi oder Suarez können auch mal in deinem Rücken durchstarten, deswegen mussten wir an diesem Abend höllisch aufpassen.
Sie bilden ein Duo mit Virgil van Dijk. Wie sprechen Sie sich ab?
Meistens beschreiben wir nur, was wir sehen. „Right shoulder“, „left shoulder“, wenn ein Gegenspieler von rechts oder links kommt. Wir geben nur die Orientierung, denn wir sind quasi die Augen im Rücken der Sechser. Wenn sie einen guten Job machen, nimmt uns das viel Arbeit ab.
Van Dijk gilt als der beste Verteidiger der Welt. Ist das für Sie ein Vorteil oder ein Nachteil, weil er gleichzeitig Ihr Konkurrent ist?
Es hat sein Für und Wider. Mich beeindruckt, mit welcher Konstanz er sein Niveau hält. Er macht seine Sache super, aber ist eben auch mein Konkurrent. Auf unser Miteinander hat das aber keine Auswirkung, ich verstehe mich mit allen Innenverteidigern sehr gut. Mit Dejan (Lovren, d. Red.) kann ich mich auch auf Deutsch unterhalten. Virg, Joe (Gomez, d. Red.), Dejan – wir sind Artgenossen, deswegen herrscht untereinander eine sehr gute Chemie.