„Sunderland ’til I Die“ ist ein Meisterwerk. Die Serie zeigt die Größe des englischen Fußballs – und was grundfalsch ist.
Man könnte denken, dass inzwischen jeder Verein, der etwas auf sich hält, Kamerateams hinter seine Kulissen lässt, um daraus eine Serie für einen Streamingdienst zu machen. Zumeist wird dabei der Eindruck vermittelt, dass es entscheidend darauf ankommt, was in den fünf Minuten vor dem Spiel oder in der Halbzeit in der Kabine passiert. Schon bei Sönke Wortmanns Film „Deutschland – ein Sommermärchen“ über die deutsche Mannschaft bei der WM 2006 war die am meisten diskutierte Szene die, in der Jürgen Klinsmann in der Kabine rief: „Knallt die Polen durch die Wand.“ Und seit wir Pep Guardiola in „All or Nothing“ in Action gesehen gesehen haben, könnte man den zerebralen Meister des Matchplans auch für einen Old-School-Motivierer halten.
Insofern ist die zweite Staffel von „Sunderland ’til I Die“, die am 1. April auf Netflix angelaufen ist, eine glatte Enttäuschung. Die Kamera ist kein einziges Mal in der Kabine, überhaupt sind Trainer und Spieler nur Nebenfiguren, im Mittelpunkt stehen andere: die Besitzer des Klubs und seine Fans. Dadurch aber kommt man dem, worum es im Fußball in England geht, viel näher als selbst durch das allergrößte Kabinengeschrei. Man versteht nämlich, was am englischen Fußball so wunderbar ist und so grundfalsch zugleich.
In der ersten Staffel, die in der Saison 2017/18 entstanden war, ging es noch darum, die Rückkehr des AFC Sunderland in die Premier League zu begleiten. Doch statt der Geschichte einer triumphalen Rückkehr wurde ein sportliches Desaster ohne Gleichen erzählt, denn Sunderland stieg trotz des höchsten Etats der Liga gleich noch einmal ab und das als Tabellenletzter. Besitzer Ellis Short, ein amerikanischer Milliardär, hatte Netflix eigentlich deshalb die Tore geöffnet, um den Klub für Investoren interessanter zu machen. Doch letztlich verkaufte er ihn noch vor der Ausstrahlung der Dokumentation, bezahlte vorher alle Schulden und war froh, den katastrophalen Laden loszuwerden.
Englische Klubs gehören Unternehmen, Fonds oder einzelnen Superreichen, und man fragte sich schon bei der ersten Staffel, welche Geschäftsidee hinter diesem Geschäft eigentlich steht. In der neuen Staffel von „Sunderland ’til I Die“ wird die Antwort darauf gegeben. Die Hauptfigur heißt Stewart Donald, ein Geschäftsmann in seinen vierziger Jahren, der in der Versicherungsbranche zu Geld bekommen ist, aber immer davon träumte im Fußball eine Rolle zu spielen. Er kaufte den Sechstligisten Eastleigh und führte ihn in die fünfte Liga und beteiligte sich am Drittligisten Oxford United. Sunderland übernimmt er als Kopf eines ungenannten Konsortiums nach dem Abstieg in die League One und ist gleich zu Beginn ziemlich überwältigt. „ Der Klub hat mich umgehauen. Die Leidenschaft der Fans, sie sind völlig fußballverrückt. Ich fühle diese Emotionen und das ist vielleicht nicht gut für mich, denn ich arbeite dafür, ihre Träume zu erfüllen.“