Wer als Drittligist einen Erstligisten aus dem Pokal schmeißt, hat eine würdige Party verdient. Die Spieler von Arminia feierten am Zaun – und machten damit alles richtig.
Was macht den Fußball so faszinierend? Die Tore von Arjen Robben? Die unglaubliche Athletik von Cristiano Ronaldo? Die maschinengleiche Überlegenheit des FC Bayern? Auch. Aber vor allem sind es die kleinen und großen Sensationen, die David-gegen-Goliath-Momente. Die herzerwärmenden Emotionen, die solche Momente auslösen. Entfesselte Kurven voller hemmungslos ausflippender Frauen und Männer. Glückliche Fußballprofis, die nicht an Prämien, fette Karren oder aufgebrezelte Blondinen denken, sondern sich freuen wie kleine Kinder. Szenen, wie nach dem Sieg von Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen.
Ein süßer Sieg
Soeben hatte der Drittligist den Tabellenneunten der Bundesliga aus dem DFB-Pokal gekegelt. Mit einem souveränen 3:1‑Erfolg, einem wunderbaren Pokalfight aus dem Lehrbuch: Aufopfernd kämpfender Underdog überwindet im heimischen Stadion die eigenen Grenzen, zeigt eine taktische Glanzleistung und grätscht sich auf einem Kartoffelacker zum Erfolg.
Mit einem Torwart, der Bälle pariert, die er sonst nicht pariert. Mit einem Gegner, der die Partie doch noch zu drehen scheint und dann den Todesstoß versetzt bekommt. Elf schwer arbeitende Fußballer hatten sich diesen Sieg redlich verdient. Das machte es für die 26.000 Zuschauer auf der Alm noch süßer.
So können Bayern-Fans nicht mehr jubeln
Die Stimmung in Bielefeld war schon vor und während des Spiels fantastisch gewesen. Laut und wild und voller sprudelnder Euphorie. So können Fans des FC Bayern einfach nicht mehr jubeln, sie haben es längst verlernt. So jubeln nur Fußballfans, die jahrelang Nackenschläge verpasst bekommen haben, die trotzdem zum nächsten und zum übernächsten Spiel kamen, die vielleicht nicht an die Sensation glauben, aber hoffen. Die sich vom Fußball, der kunterbunten Wundertüte, noch verzaubern lassen können.
Schöner als direkt nach dem Schlusspfiff eines solchen Spiels ist kein Jubel dieser Welt. Und selbst als Fan der gegnerischen Mannschaft kann man nicht anders, als sich für die zerschundenen und überglücklichen Underdogs zu freuen, die nach dem Spiel glücklich wie Hundewelpen in die Kurve rennen, um mit ihren Leuten zu feiern. Wann hat man Südtribüne auf der Alm das letzte Mal so vor Glück wabern sehen? Und dann taten die Spieler von Arminia Bielefeld etwas, was ihnen zusätzliche Sympathiepunkte einbrachte: Sie krabbelten kollektiv auf den Zaun.
„Alle auf den Zaun“, hatten die Fans gefordert und die Spieler taten ihnen den Gefallen. Da standen sie dann, aufgereiht nebeneinander, der Zaun wackelte, die Kurve zischte und flackerte und die Regie der ARD nässte sich in diesem Moment vermutlich ein vor Freude, denn ein besseres Bild kann es für das Ende eines spektakulären Pokalabends nicht geben.
Fassungslos vor Glück
Dass Fußballer nach Erfolgen Kontakt zu ihren Fans suchen, ist nichts Neues. Aber allzu häufig hat man den Eindruck, dass selbst diese Momente der Glückseligkeit einstudiert werden. Das typische Szenario: Kapitän oder Publikumsliebling klettert auf den Zaun, lässt sich vom Capo die Humba diktieren und animiert dann recht unbeholfen via Megafon Fans und Mitspieler.
Arminias Helden, Torwart Alexander Schwolow, der zweifache Torschütze Manuel Junglas, Sturmtank Fabian Klos, all die anderen, sie standen einfach auf dem Zaun und ballten minutenlang die Fäuste. Fußballer und Fans hatte gar nicht die Chance, einen Hochglanz-Jubel durchzuchoreografieren, sie waren einfach fassungslos vor Glück.
Arminia Bielefeld, Tabellenführer der Dritte Liga, ist der einzige Nicht-Bundesligist im DFB-Pokal-Viertelfinale. Wie schön wäre es, wenn uns der Underdog noch einmal solche Szenen beschert wie am gestrigen Abend. Sie sind es, die diesen Wettbewerb so faszinierend machen – und ganz sicher nicht der 18. Pokaltriumph des FC Bayern.