Am Wochenende eskalierte das Regionalliga-Spiel zwischen dem BFC Dynamo und Chemie Leipzig. Die Gäste erheben schwere Vorwürfe gegen den BFC und seine Fans. Der Klub bleibt ein Problemfall.
Auf der anschließenden Pressekonferenz deutet Chemie-Trainer Miroslav Jagatic an, was aus seiner Sicht geschehen ist. Er sei in Deutschland geboren und aufgewachsen und lasse sich bestimmte Dinge nicht sagen. Er wolle nicht ins Detail gehen, da er wisse, dass nicht alle BFCler so seien. BFC-Trainer Christian Benbennek moderiert Jagatic´ Anschuldigungen ab. Man könne auch erfahren genug sein, um in so einer Situation einfach in die Kabine zu gehen. Außerdem werde er ja bei Auswärtsspielen auch bepöbelt. Die Sache scheint für ihn damit erledigt.
Auf Twitter wird die BSG deutlicher. Berichtet Hitlergrüßen, Affenlauten und geworfenen Gegenständen gegen Spieler und Funktionäre. Am Folgetag veröffentlicht der BFC eine Stellungnahme, in der er vor allem das Verhalten des Gäste-Trainers und der Chemie-Fans kritisiert. Zwar betont der Verein, dass er sich gegen Rassismus einsetze, Fehlverhalten der eigenen Anhänger, geschweige denn ein grundlegendes Problem, wird darin aber kaum eingeräumt. Hitlergrüße habe es nicht gegeben, wie auch die örtliche Polizei nach Auswertung der Videoaufnahmen bestätigt habe.
Dem widerspricht die Polizei. Gegenüber n‑tv sagte ein Sprecher, dass das Verfahren mitnichten eingestellt sei und man sehr wohl weiter ermittle. Der BFC betont zudem, dass es wichtig sei, „dass eine wahrheitsgemäße und sachliche Aufarbeitung erfolgt und nicht durch falsche oder einseitige Berichterstattung unser Verein verantwortlich gemacht wird.“
Auch Chemie Leipzig veröffentlicht eine ausführliche Schilderung der eigenen Sicht auf die Geschehnisse. Aus dem BFC-Block soll Jagetic „Deine Sippe gehört vergast!“ zugerufen worden sein. Erst durch diese Äußerung habe der Trainer kurzzeitig die Fassung verloren. Zugleich verurteile die BSG „die unerträgliche Täter-Opfer-Umkehrung seitens des BFC Dynamo“. Die BSG erwarte eine Richtigstellung des BFC Dynamo.
Ob der BFC dem nachkommt, ist mehr als fraglich. Zwar stimmt es, dass der Verein im Jugendbereich wertvolle Integrationsarbeit leistet. In seinen Jugendmannschaften ist er multikulturell aufgestellt. Doch mit dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus im eigenen Stadion scheint sich der BFC schwerzutun. Das mag daran liegen, dass es nach der Wende vor allem Personen aus dem rechten Spektrum waren, die noch zum Verein hielten, während sich viele andere vom als Stasi-Club verschrienen BFC abwandten und der Verein durch die unteren Ligen dümpelte.
Heutzutage bevölkern mitnichten nur Nazis die Tribünen des Sportforums. Vermutlich stellen vermeintlich „unpolitische“ Fans die Mehrheit. Die Toleranz dieser Masse gegenüber rassistischen Äußerungen ist dennoch erschreckend hoch. Vielleicht hängt das halbherzige Engagement des Vereins auch damit zusammen, dass der BFC in der Vergangenheit kaum Konsequenzen zu befürchten hatte. Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) erweckte zuletzt häufig den Eindruck, Rassismus im Stadion nicht wirklich konsequent zu verfolgen. Zu oft wurde weggeschaut, häufig setzten der Verband und seine Sportsgerichtbarkeit fragwürdige Prioritäten. Zumindest im aktuellen Fall hat der NOFV angekündigt, sich „intensiv“ mit den Vorfällen beim Spiel zu beschäftigen.
Vor diesem Hintergrund könnte der der aktuelle sportliche Höhenflug des BFC Dynamo sogar ein möglicher Schlüssel zur Verbesserung sein. Mit 27 Punkten aus zehn Spielen führen die Weinroten die Tabelle der Regionalliga Nordost an. Sollte der BFC seine Leistungen bestätigen und nächstes Jahr unter den Augen einer größeren Öffentlichkeit in der 3. Liga spielen, wäre die Zeit des Wegschauens und Tolerieren möglicherweise vorbei. Es müsste eine echte, kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Anhang stattfinden.
Vielleicht bestünde dann die Chance, ein Umfeld aufzubauen, das Fans, die bereits zitierte Diffamierungen verwenden, nicht mehr toleriert. Solange dieses Umfeld nicht geschaffen ist, wirken die Beschwerden von Verantwortlichen und Fans, dass ihr „Kampf gegen Rassismus“ für Außenstehende nicht mehr als ein Lippenbekenntnis sei, tatsächlich wie eine Täter-Opfer-Umkehr. Solange es bei dieser Wagenburgmentalität bleibt, ist der BFC Dynamo tatsächlich ein Problemfall.