Vom „Wunderknaben“ zum „Buhmann“ in vier Jahren: Vor Saisonbeginn hätte so mancher Schalke-Fan Max Meyer noch persönlich zu einem neuen Verein gekarrt. Im Winter 2018 ist er plötzlich das gefeierte Herzstück des Teams.
Gegen die Hertha stellte Tedesco ihn auf die Sechs. Und alle so: Was? Denn hätte man Schalke-Fans in den letzten Jahren um eine Beschreibung von Max Meyer gebeten, der Begriff „Fummelkutte“ wäre, neben dem der „Enttäuschung“, vermutlich überproportional häufig gefallen. Meyer spielte in der Jugend jahrelang auch Futsal, hat eine tolle Technik, ist dribbelstark und trickreich. Aber eben auch einigermaßen schmächtig und schwach im Zweikampf. So einer im defensiven Mittelfeld? Schwachsinn, dachten viele. Rätselhaft, absurd – kafkaesk.
Nur geht Meyer eben auch eine wichtige Fummelkutten-Qualität ab: die Geschwindigkeit. Dafür liegt seine Passquote Fummelkutten-untypisch regelmäßig über 90 Prozent, er findet auf engstem Raum fast immer einen Ausweg und seine Ballsicherheit sorgt für Pressingresistenz. Nicht die schlechtesten Eigenschaften für einen zentralen Ballverteiler.
Tedesco hat erkannt, dass die Konter-Philosophie seiner Vorgänger Meyers größte Stärken unterdrückte, weil sie ihm den Ball nahm. In seiner neuen Rolle im neuen Schalker Ballbesitzspiel kommen sie mittlerweile besonders gut zur Geltung. „Die Position kommt mir entgegen, weil ich dort viele Ballkontakte habe und das Spiel von hinten öffnen kann“, sagt Meyer. Kollege Leon Goretzka verglich ihn bereits mit Gennaro Gattuso und Marco Veratti.
Die Verwandlung ist abgeschlossen
Gemeinsam mit Goretzka, der im Sommer ja bekanntlich weg ist, hat Tedesco Meyer zum Herzstück des Schalker Teams gemacht. Ein zusätzlicher Abgang Meyers, wie zuletzt kolportiert, würde schmerzen. Tedesco sagt, es wäre „eine harte Nummer, wenn auch Max ginge.“
Allerdings hat der Trainer auch Argumente für einen Verbleib: Meyer habe „noch nie so viel gespielt wie jetzt.“ Vom neunten bis 21. Spieltag stand Meyer immer 90 Minuten auf dem Platz. Und: „Er hat eine Position gefunden, auf der er seine Stärken ausspielen kann.“ Ganz bescheiden tut er so, als habe er damit nichts zu tun, als hätte Meyer sich selbst zum Sechser verwandelt. Der sagt selbst: „Ich fühle mich so wohl wie lange nicht mehr.“
Vorbei sind die Zeiten, als Markus Weinzierl seine Leistung kommentierte: „Er ist Nationalspieler, hat einen hohen Anspruch an sich selbst – und er gewinnt von sechs Zweikämpfen nur einen. Das sagt alles.“ Vorbei die Schubkarren-Fantasien der Schalker Fans, stattdessen fummeln sie beim Gedanken an einen Meyer-Verlust im Sommer nervös an ihren Jeanskutten. Vorbei das Unglück, vorbei die Zwänge der falschen Positionen.
Auch optisch hat sich was getan: Statt Fummler-Tolle trägt er jetzt seriöse 9‑Milimeter-Stoppeln. Max Meyers Verwandlung ist abgeschlossen. Hätte Franz Kafka sie geschrieben, begänne die Erzählung womöglich so: „Als Max Meyer am achten Spieltag aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich auf dem Platz zu einem defensiven Mittelfeldspieler verwandelt.“ Nur gut, dass die Schalker Erzählung ein Happy End gefunden hat.