Lukasz Piszczek verlässt Borussia Dortmund. Mit seinem Weggang endet nicht nur eine großartige Zeit, sondern auch eine Sehnsucht. Vielleicht ist das für den Verein der Anfang einer neuen Zeitrechnung.
Ein paar Anstandsminuten würde Edin Terzic ihm noch gewähren und dann könnte er seine müden Beine endlich hochlegen. Gegen die flinken seiner jungen Mitspieler und die der Gegenspieler hätte er sowieso kaum noch eine Chance.
Würde, hätte, könnte. Es kam natürlich anders.
Weil sich der junge Mateu Morey schwer verletzte und Thomas Meunier nicht überzeugte, musste Lukasz Piszczek plötzlich wieder hinten rechts ran. Sein Tempo, die Physis, die Flankenläufe, die tiefen Bälle: All das, was sein Spiel über ein Jahrzehnt ausgemacht hatte, war ein wenig abgeklungen. Die Spielintelligenz, die Ruhe und das taktische Verständnis jedoch hatte er nicht verloren. Und so lieferte Piszczek auf seine alten Tage unverhofft noch einmal Höchstleistungen. In der wichtigsten Phase der Saison stabilisierte er die rechte Seite der Borussia. Und krönte in Berlin eine Karriere, die gar keine Krönung mehr benötigt hätte.
Piszczek wollte unbedingt noch einen Titel mit dem BVB holen, hatte er gesagt. Also fegte er im Olympiastadion 90 Minuten lang die rechte Seite rauf und runter. Dann flossen die Tränen. Die er wahrscheinlich lieber irgendwo im Kabinentrakt rausgedrückt hätte, wo keine Kamera auf ihn gerichtet war.
Ein Abschiedsspiel will er nicht, hat er schon gesagt. Er stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Und auch, dass ihm ein volles Westfalenstadion am letzten Spieltag nicht ein zweites Mal beim Heulen zugucken kann, dürfte ihm vielleicht sogar ganz recht sein.
Also wird es nach der Saison für ihn zurück in seine Heimat gehen. Ohne großen Knall, ohne Runde um den Borsigplatz und ohne die Jungs von früher. Er geht dorthin zurück, wo er das Fußballspielen gelernt hat, zum LKS Goczalkowice-Zdroj. Dort will er einfach noch ein bisschen kicken und die von ihm gegründete Jugendakademie betreuen. Fernab sämtlichen Trubels.
„Der Vergleich schmälert die großartige Erinnerung“
Lukasz Piszczek wird dieser Rückzug bestimmt sehr glücklich machen, in Dortmund werden sie ihn vermissen, den vielleicht besten Rechtsverteidiger der Vereinsgeschichte. Aber auch das werden sie verkraften. Beim BVB kennt man sich inzwischen ja ganz gut mit melancholischen Abschieden aus.
Als Jürgen Klopp den Verein 2015 verließ, sagte er viele kluge Sätze. In einem warnte er davor zu vergleichen. „Denn der Vergleich schmälert die großartige Erinnerung und erschwert die großartige Zukunft.“ Vielleicht nimmt sich der Verein die Worte seines Ex-Trainers sechs Jahre später schließlich zu Herzen und beginnt damit, die ohne Frage großartige Vergangenheit schlussendlich abzulegen und in die Zukunft aufzubrechen. Mit Lukasz Piszczek geht nun nämlich das letzte Stück Vergangenheit.