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Wenige Tage nach seinem Wechsel zum FC Bayern haben wir mit Eric Maxim Choupo-Moting über seine Zeit bei einem der reichsten Klubs der Welt, sein Tor gegen Ber­gamo und Rol­ler­fahren in Paris gespro­chen. Wie ist es, oft nur der Back-up zu sein? Wie kam er mit Tuchel zurecht? Und was sind seine Ziele mit einer Mann­schaft, die alles erreicht hat? Das Inter­view ist heute in 11FREUNDE #229 erschienen. Ihr bekommt die Aus­gabe am Kiosk eures Ver­trauens oder bei uns im Shop.

Fuß­ball ist oft ein Glücks­spiel. Es geht um Können, Talent, Fleiß und Dis­zi­plin, das schon, aber natür­lich geht es auch darum, zur rich­tigen Zeit am rich­tigen Ort zu sein.

So wie Eric Maxim Choupo-Moting am 12. August 2020 um 22:48 Uhr in Lis­sa­bons Estadio da Luz. Es ist das Vier­tel­fi­nale der Cham­pions League zwi­schen Ata­lanta Ber­gamo und Paris Saint-Ger­main, und es läuft die dritte Minute der Nach­spiel­zeit. Choupo-Moting ist seit 13 Minuten im Spiel, als er im Fünf­me­ter­raum abhebt, das Bein streckt und den Ball zum 2:1 ins Tor drückt.

Nicht Neymar, nicht Angel Di Maria, nicht Kylian Mbappe oder einer der vielen anderen 100-Mil­lionen-Euro-Super­stars schießt PSG ins Halb­fi­nale der Cham­pions League, son­dern ein Spieler, der 2018 von Stoke City nach Paris gewech­selt war und von dem die meisten Fans nur wussten, dass er nichts gekostet und bis dato keine Titel gewonnen hatte.

Ein User schrieb später unter einem You­tube-Clip: Dieser Spieler hat PSG wei­ter­ge­bracht, als es Zlatan je geschafft hat.“ Ein anderer twit­terte: Wenn du ein guter Typ bist, zahlt es sich am Ende immer aus. Danke, Maxim!“

Schuppo ist ein feiner Kerl, den man ohne Wei­teres zum Kom­mu­ni­ons­essen seiner eigenen Familie mit­nehmen würde“

Thomas Tuchel

Die Kar­riere des Eric Maxim Choupo-Moting ist eine der erstaun­lichsten Erzäh­lungen im heu­tigen Fuß­ball. Zumin­dest wenn man das Spiel und die Akteure aus der Per­spek­tive eines Fans oder Jour­na­listen betrachtet, also nicht in der Kabine sitzt oder selbst auf dem Platz steht. 

Kein Zweifel, Choupo-Moting war immer ein solider Stürmer. Er begann seine Pro­fi­kar­riere beim HSV, später spielte er für Nürn­berg, Schalke und Mainz. Einmal schei­terte ein Wechsel zum 1. FC Köln, weil ein Fax­gerät kaputt war, wes­halb der Ver­trag erst wenige Minuten nach Trans­fer­schluss bei der DFL ankam. Nach seiner Bun­des­li­ga­zeit kickte er in Eng­land für Stoke City.

Meis­tens steckten seine Teams im Abstiegs­kampf; mit der kame­ru­ni­schen Natio­nal­mann­schaft schied er zweimal in der WM-Vor­runde aus. Er schoss einige Tore, aber selten traf er in seiner Saison zwei­stellig. Oft stand er im Schatten von nam­haf­teren Stür­mern wie Samuel Eto’o oder Klaas-Jan Hun­telaar. Kurzum: Wenig deu­tete darauf hin, dass dieser Mann mit Ende 20 zu einem der größten Klubs der Welt wech­seln würde. Und es schien auch eher unwahr­schein­lich, dass er zwei Jahre später, mit 31, noch einen Ver­trag beim amtie­renden Cham­pions-League-Sieger erhalten könnte.

Also, wie hat er das gemacht?

Schuppo ist ein feiner Kerl, den man ohne Wei­teres zum Kom­mu­ni­ons­essen seiner eigenen Familie mit­nehmen würde“, sagte Thomas Tuchel, der ihn bei Mainz 05 trai­nierte und zu PSG holte. Es ist ein Satz, über den man schmun­zeln kann, in dem aber sehr viel Wahr­heit steckt.

Denn im Grunde ist es genau so: Choupo-Moting ist ein Spieler, der eine Gruppe zusam­men­halten kann, auch und vor allem ein fra­giles und hete­ro­genes Gefüge wie eine Fuß­ball­mann­schaft. Er ist ein Typ, der von vielen gemocht wird, weil er wenig Atti­tüden zeigt. Der inte­grativ wirkt und positiv denkt. Der was erlebt hat, aber auch noch mit­er­leben möchte. Ein weiser Mr. Choupo, ein großer Brudi. Er könnte jener Spieler sein, den es angeb­lich gar nicht gibt: demütig und in sich ruhend“, schrieb die Süd­deut­sche Zei­tung“ pas­send vor seinem Wechsel zu den Bayern.

Vor län­geren Inter­views mit Fuß­ball­profis hat man als Jour­na­list manchmal etwas Sorge, dass der Inter­viewte ein­silbig ant­wortet und das Gespräch am liebsten schon nach fünf Minuten beenden würde. Als wir für die aktu­elle Aus­gabe mit Maxim Choupo-Moting spra­chen, war das Gegen­teil der Fall. Da saß einer, der mit sich im Reinen war. Der ein­fach war, wie er ist. Der nicht nur sen­dete, son­dern an einem Aus­tausch inter­es­siert schien. Kennt ihr den Film Wild Style?“, fragte er an einer Stelle. Dann erzählte er im breiten Ham­burger Sing­sang von befreun­deten Rap­pern aus St. Pauli, schwärmte von Banksy, Street-Art, Graf­fiti, Mode und einem Kölner Künstler, der eine Galerie in Paris eröffnet hat. Ja, auch er möge schnelle Autos, aber manchmal habe er sich in Paris ein­fach auf einen Roller gesetzt und sei los­ge­fahren. Nach Marais oder Pom­pidou, an belebte und offene Orte. 

Man kann sich also gut vor­stellen, wie Choupo-Moting in einer Mann­schaft ankommt, in der es viele Kon­kur­renz­si­tua­tionen und Alpha­tier­ge­habe gibt. Man hat es vor Augen, wie er diesen ganzen Wahn­sinn erdet. Ein Normal One unter lauter Spe­cial Ones. Und ziem­lich sicher wusste Tuchel all das auch, als er ihn im Sommer 2018 anrief und sagte, er habe da eine Idee. Was wäre, wenn er ihn, Maxim Choupo-Moting, den er schon bei Mainz so gerne trai­niert hatte, nach Paris holte und sie gemeinsam die Meis­ter­schaft und viel­leicht auch die Cham­pions League gewinnen würden? 

Das wäre nicht schlecht, dachte Choupo-Moting.

Einige fran­zö­si­sche Medien ver­standen diesen Transfer zu Beginn nicht, und auch ein paar Fans waren skep­tisch. Ein Neu­zu­gang, der keine 50 Mil­lionen Euro gekostet hatte, nicht mal zehn Mil­lionen. Ein Spieler, der, um Him­mels willen, ablö­se­frei war. Konnte der wirk­lich gut sein?

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Großer Brudi bei PSG

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Choupo-Moting sagt, in der Öffent­lich­keit seien all diese Summen manchmal Thema gewesen, etwa wenn er spielte und ein 50-Mil­lionen-Euro-Stürmer auf der Bank saß. In der Kabine habe das aber nie­manden inter­es­siert. Ein paar der fran­zö­si­schen Natio­nal­spieler kamen direkt am ersten Tag auf ihn zu und sagten, dass sie ihn, Mr. Choupo, über Kurt Zouma kennen würden. Die beiden hatten sich wäh­rend ihrer gemein­samen Zeit in Stoke ange­freundet und oft kurze gemein­same Videos für Insta­gram gedreht.

Nach zwei, drei Wochen habe sich Choupo-Moting in der PSG-Kabine zuhause gefühlt. Nach zwei, drei Monaten war er ihr Freund und für einige ihr Mentor, ihr Mr. Choupo.

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Auf dem Platz war Choupo-Moting wie erwartet meis­tens der Back-up. Aber wenn er spielte, dann tat er das oft wie der Graf­fiti-Artist Zoro“ im Film Wild Style“: über­ra­schend, manchmal impro­vi­siert, meis­tens mit großem Enthu­si­asmus.

Aber wie das so ist im Fuß­ball: Bis­weilen liegen zwi­schen Aner­kennung und Spott nur wenige Zen­ti­meter aus­ein­ander. Im April 2019 stoppte er im Spiel gegen Stras­bourg einen Schuss seines Mit­spie­lers Chris­to­pher Nkunku auf der Linie, statt ihn ins Tor zu lenken. Eine kuriose Situa­tion. Ein Aus­setzer. Ver­mut­lich habe ich zu viel nach­ge­dacht: Geht der Ball ohne mein Zutun rein? Muss ich ihn doch noch rein­schießen? Und dann war es schon zu spät“, sagt er heute.

Über Social-Media-Kanäle ver­breiten sich solche Szenen in Win­des­eile. Der Sport­sender DAZN schlag­zeilte: Der Fail des Jahres.“ Und in Deutsch­land dachten einige ver­mut­lich wieder an den Fax-Fauxpas mit Köln und der DFL. Ach, der Junge hat aber auch ein Pech.

Dass er ein paar Monate später ein Tor gegen Tou­louse schoss, das in der Sport­schau Chancen auf das Tor des Jahres gehabt hätte, bekamen weniger Leute mit. Neymar und Cavani fielen in dem Spiel aus, also stürmte Choupo-Moting von Beginn an. Er machte zwei Tore, bei einem spielte er auf engstem Raum fünf Gegen­spieler mit einer soge­nannten Rou­lette-Dre­hung aus – und zim­merte den Ball anschlie­ßend ins Tor.

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Noch ein paar Monate später folgte das Cham­pions-League-Vier­tel­fi­nale gegen Ber­gamo. Am Tag des 50. Geburtstag von Paris Saint-Ger­main. Tuchel schickte ihn in der 79. Minute für Mauro Icardi aufs Feld: Komm, Junge, reiß dir den Arsch auf“, sagte er, und Choupo-Moting rannte los, weiter, schneller, er dachte, so könnten nicht zurück nach Paris. Er lei­tete den Aus­gleich zum 1:1 ein. Und als dann der Pass in die Mitte kam und ich den Ball ins Tor schoss, explo­dierte alles. Es war der Wahn­sinn“.

Choupo-Moting wusste da schon, dass seine Zeit in Paris bald enden würde. Nach der Final­nie­der­lage gegen den FC Bayern packte er seine Sachen und fuhr heim zu seinen Eltern, die immer noch da wohnen, wo er auf­ge­wachsen ist: in Ham­burg-Altona. Er joggte an der Elbe und trai­nierte mit seinem Vater auf dem Bolz­platz, wo er Fuß­ball spielen gelernt hat.

Von einer dieser Ses­sions gibt es ein Insta­gram-Video. Man könnte behaupten, es sei per­fekt insze­niert, aber einem wie Mr. Choupo glaubt man, dass er nicht nur für seine 800.000 Fol­lower an diesen Ort zurück­kehrte, son­dern weil er das wirk­lich noch liebt: bolzen, kicken, in einem Käfig zwi­schen den engen Häu­ser­reihen Altonas. Ein paar Kids an der Seite, das Geräusch, wenn ein Ball gegen den metal­lenen Zaun don­nert, und dahinter der Hafen, die Schiffe, Övel­gönne. Kennt ihr den Fischer­park?“

Bei den Bayern wird Eric Maxim Choupo-Moting wieder im Schatten eines Super­stars stehen. Genauer gesagt im Schatten des aktuell besten Stür­mers der Welt. Aller­dings sieht Choupo-Moting die Sache gelassen, klar. Er sei näm­lich – und das ist auch wichtig bei der Betrach­tung seiner Person – kein reiner Stürmer. Er selbst hat sich nie als einen 25-Tore-Angreifer wie Robert Lewan­dowski ver­standen und sich daher selten selbst Druck gemacht. Er ist ein Offen­siv­all­rounder, und auch wenn es manchmal Tage gibt, an denen er etwas tapsig und über­eifrig wirkt, gilt immer noch das, was der ehe­ma­lige Mainzer Manager Chris­tian Heidel mal gesagt hat: Es gibt eigent­lich nichts, was Choupo nicht kann.“

Zu den Bayern ist Choupo-Moting nicht gekommen, um nur auf der Bank zu sitzen. Er sagt: Ich hatte immer ein gesundes Selbst­be­wusst­sein. Wenn ich wechsle, dann will ich auch spielen.“ Aus seinem Mund klingt das nicht nach Ärger oder Kon­kur­renz­stress, es klingt nach ein paar Über­stei­gern und einer Rou­lette­dre­hung auf engstem Raum. Nach Bolz­platz in der Tiefe des Raumes. Nach Wild Style in der Allianz Arena.

Das Inter­view mit Eric Maxim Choupo-Moting ist heute in 11FREUNDE #229 erschienen. Ihr bekommt die Aus­gabe am Kiosk eures Ver­trauens oder bei uns im Shop.