Die Ereignisse rund um das abgesagte Länderspiel in Hannover zeigen: Der deutsche Fußball will nicht trauern, sondern kreist selbstverliebt um eigene Befindlichkeiten.
Diese zwanghafte Überhöhung des Fußballs und Wichtigtuerei der deutschen Funktionäre war schon vor dem dann abgesagten Spiel gegen die Niederlande auf merkwürdige Weise durchexerziert worden. Pausenlos hatten DFB und die Führung der Nationalelf das Spiel als „Symbol für Freiheit und Demokratie“ (Joachim Löw) vorgefeiert. Und bei der gemeinsamen Trauerarbeit sollte dann auch wirklich nichts dem Zufall überlassen werden. Den Takt hatte Oliver Bierhoff im empathiefreien Beamtenduktus vorgegeben: „Wir werden die Symbolik, die das Spiel ja hat, durch Maßnahmen darstellen“.
Das durfte dann die offizielle DFB-Kundenbindungsmaßnahme übernehmen, was diese in gruseligem PR-Deutsch auf der Homepage verkündete: „Nach den Anschlägen von Paris will auch der Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Also sollte alles aufgefahren werden, was kurzfristig an „Maßnahmen“ (Bierhoff) zu realisieren war: Choreographie, Lichteraktion und, besonders schön, „individuelles Mitgefühl“ durch Eintragungen in Kondolenzbücher. Nicht einmal für den üblichen Social-Media-Unfug wäre sich der sogenannte „Fanklub“ zu schade gewesen. Textprobe: „‚Nous Sommes Unis´ heißt es auch an der Foto-Stele im Fan Club-Zelt. Die Bilder, die kostenlos gemacht werden können, werden sofort auf der Facebook-Seite des Fan Club in einem Foto-Album gepostet.“ Auch nur die vage Möglichkeit, es den Zuschauern in Hannover selbst zu überlassen, angemessene Formen der Trauer zu finden, kam in den Planungen wie nahezu immer überhaupt nicht vor.
Es steht nun zu befürchten, dass bis zum Wochenende auch der Bundesliga-Spieltag zu einem mutigen Fanal gegen Terrorismus umgedeutet wird. Dabei wäre es ganz im Gegenteil hilfreich und sinnvoll, wenn Fußball als Teil des ganz normalen Alltags begriffen würde, den es ja zu schützen und zu bewahren gilt. Dafür müsste sich aber der Fußball, insbesondere der deutsche, nicht so schrecklich wichtig nehmen. Eine wahrscheinlich vergebliche Hoffnung.
Natürlich sollen die Spiele der Bundesliga am kommenden Wochenende stattfinden. Aber nicht als Symbol für Freiheit und Demokratie, sondern einfach, weil Fußball gespielt wird. Wie jedes Wochenende.