Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Nur Jürgen Klopp weinte nicht, damals in Braun­schweig, jeden­falls nicht vor lau­fender Kamera. 4:1 hatte er gerade mit dem 1.FSV Mainz 05 bei der Ein­tracht gewonnen, und eigent­lich waren sie doch schon in der Bun­des­liga gewesen. Ihr Spiel war vorbei, sie standen im Kreis auf dem Platz, die Arme um die Schul­tern gelegt. In Frank­furt jedoch lief das Spiel noch, und das Unvor­stell­bare pas­sierte.

Die Ein­tracht schoss in der letzten Minute gegen Reut­lingen und in der Nach­spiel­zeit noch zwei Treffer erzielt und zog damit an den Main­zern vorbei. Um ein Tor! Prä­si­dent Harald Strutz saß schluch­zend in Braun­schweig auf dem Rasen, die Spieler starten ins Nichts. Zum dritten Mal inner­halb von sieben Jahren ver­passte Mainz 05 den Auf­stieg am letzten Spieltag. Es war ein Drama, und manche fragten sich, ob Trainer und Mann­schaft daran zer­bre­chen würden.

Der Mainz-Moment von Berlin

Es gibt ganz unter­schied­liche Wege in die Bun­des­liga auf­zu­steigen, und zwei davon sind in dieser Saison bereits beschritten worden. Zweit­li­ga­meister 1.FC Köln steht fast pro­to­ty­pisch für all jene Klubs, die schlicht einen mas­siven wirt­schaft­li­chen Vor­sprung halb­wegs unfall­frei ins Ziel bringen. Der SC Pader­born hin­gegen hat eines jener Wunder geschafft, wie es sie immer wieder mal gibt, wenn unter den Händen des rich­tigen Trai­ners die pas­senden Spieler zusam­men­kommen. Dann kann auch ein unschein­barer Außen­seiter wie im Rausch bis in die höchste Spiel­klasse fliegen. Und dann gibt es noch einen dritten Weg, der sehr steinig ist und den man auch Mainzer Weg nennen könnte.

Am Diens­tag­mittag dieser Woche herrschte an der Alten Förs­terei eine noch immer etwas gedämpfte Stim­mung. Ob in der War­te­schlange bei der Kar­ten­ab­ho­lung oder unter den Mit­ar­bei­tern des Klubs, noch war das Gefühl nicht ganz ver­flogen, am Sonntag einen Mainz-Moment erlebt zu haben. Nur ein Tor hatte beim 2:2 in Bochum gefehlt, um zum ersten Mal in der Ver­eins­ge­schichte in die Bun­des­liga auf­zu­steigen. Des­halb fühlen sich die Rele­ga­ti­ons­spiele gegen den VfB Stutt­gart (heute und am Montag um jeweils 20:30 Uhr) auch nicht nach einer zweiten Chance an, son­dern als Auf­for­de­rung, nach einem Mara­thon­lauf doch bitte noch einen Berg zu besteigen.

Urs Fischer, Unions Trainer, stellte sich die Frage: Wie wendet man nega­tive Energie in posi­tive um?“ Eine Ant­wort darauf war, seinen Spie­lern keine Szenen mehr vom Spiel in Bochum zu zeigen. Lieber wollte er gleich Stutt­gart in den Blick nehmen und nega­tive Energie in Trotz ver­wan­deln“. Dass es nicht ein­fach sein würde, das merkte man Fischer aber auch deut­lich an. Der Schweizer ist sowieso kein Mann don­nernder Parolen, son­dern strahlt eine Fried­helm-Funkel-hafte Men­schen­freund­lich­keit aus. Des­halb setzte er auf so etwas wie Schwarm-Auf­mun­te­rung. Es ist die Auf­gabe des ganzen Ver­eins, eine posi­tive Stim­mung zu ver­breiten.“

Das ist nicht ganz ein­fach, denn natür­lich weiß jeder Unioner, dass sich in den letzten zehn Jahren nur zweimal der Zweit­li­gist in der Rele­ga­tion durch­ge­setzt hatte. Dabei waren Mann­schaften wie der HSV oder Wolfs­burg gleich zweimal in einem erbar­mungs­wür­digen Zustand dort auf­ge­taucht – und schafften es trotzdem. Im Gegen­satz dazu wirkt der VfB Stutt­gart mit seinem Mikro­auf­schwung unter dem neuen Trainer Nico Willig gerade fast wie eine Truppe voller Super­helden, wäh­rend Union auf der Ziel­ge­raden nur zwei seiner letzten sechs Spiele gewinnen konnte.

Auf die harte Tour

Wir ver­fügen über genug Erfah­rung, um mit der Situa­tion umzu­gehen“, sagte Fischer. Einige seiner Spieler sind schon mal auf­ge­stiegen, und er selber wurde mit dem FC Basel zweimal Schweizer Meister und holte einmal den Pokal. Das ist kein über­flüs­siger Hin­weis, denn Erfolge im Fuß­ball haben oft jene, die schon Erfolg hatten. Das beschränkt sich nicht nur auf Spieler und Trainer, son­dern gilt auch für ganze Ver­eine. Es gibt Klubs, die wissen, wie man Titel holt oder im Abstiegs­kampf über­lebt, weil es dort genug Leute gibt, die das schon erlebt haben. Und manchmal muss man es eben lernen – auf die harte Tour. 

Der 1.FC Union Berlin hat in den letzten acht Jahren die Saison immer in der oberen Tabel­len­hälfte beendet. Inzwi­schen gehört die Ära, in der die Anhänger für den Klub Blut spenden mussten und das Sta­dion bauten, eher zu einer mythi­schen Ver­gan­gen­heit als zur Gegen­wart. Union ist inzwi­schen einer der fünf finanz­stärksten Ver­eine der Liga, ein Auf­stieg wäre daher kein Wunder, son­dern logi­sche Folge von Wachstum und Wei­ter­ent­wick­lung.

Vor zwei Spiel­zeiten stand Union unter Trainer Jens Keller am 25. Spieltag schon mal an der Tabel­len­spitze, wurde aber nur Vierter. In der letzten Saison wurde der Auf­stieg sogar laut und deut­lich als Ziel aus­ge­geben, sie endete auf dem elften Platz. In Köpe­nick machen sie gerade also die Erfah­rung, die vor 15 Jahren auch Mainz gemacht hat: Auf­steigen will geübt sein. Nicht nur auf dem Platz, son­dern auch im Klub selber und bei den Fans. Es ist eine beson­dere Kunst mit süßer Beloh­nung.

Nagende Unge­duld beim Publikum

Inzwi­schen stimmt es übri­gens nicht mehr, dass die Anhänger der Unioner ein Auf­stieg erschre­cken würde, weil sie ihr kleines Idyll durch die bösen Mächte der Bun­des­liga bedroht sähen. Offi­ziell ist die Losung zwar ein Alles kann, nichts muss“. Doch es hat sich beim Publikum eine nagende Unge­duld ein­ge­stellt, wann es ihr Klub denn end­lich mal über die Ziel­linie nach oben schafft.

In Mainz war es 2004, ein Jahr nach dem Drama von Braun­schweig, so weit. Klopps Mann­schaft stieg am letzten Spieltag als Dritter in die Bun­des­liga auf, es gab damals keine Rele­ga­tion. Mainz über­holte Aachen noch, weil die Ale­mannia zur glei­chen Zeit verlor. Wir waren ein­fach dran“, sagte Klopp damals, und so langsam gilt das auch für den 1.FC Union Berlin.