Jahrzehnte stand Trabzonspor im Schatten der übermächtigen Istanbuler Klubs. Nun scheint endlich die große Stunde des Vereins von der Schwarzmeerküste zu schlagen. Warum sich in der türkischen Süper Lig Historisches anbahnt.
Dort wird wieder einmal rebelliert. Die Rebellion richtete sich gegen die Vormachtstellung der drei Istanbuler Klubs und ist quasi in der DNA von Trabzonspor verankert. „Wir sind das erste Team in der türkischen Fußballhistorie, das gegen das Istanbul-Monopol kämpft“, sagte Vereinspräsident Ahmet Agaoglu kürzlich gegenüber der Sportbild. „Es ist wie eine Revolution – wir sind die Stimme der Menschen, die in diesem Land vergessen werden.“ Und die Vergessenen sind gerade obenauf.
Der sechsmalige Meister, letztmals 1984, könnte nach vielen vergeblichen Anläufen endlich die richtige Mischung gefunden haben. Angeführt vom ehemaligen Napoli-Kapitän Marek Hamšík und dem türkischen Nationaltorhüter Ugurcan Cakir dominiert Trabzonspor die Liga fast nach Belieben. Nach 19 Spielen beträgt der Vorsprung auf den Zweiten aus Konya sieben Zähler, Başakşehir hat als Dritter schon 13 Punkte Rückstand.
Ein Vorteil des Karadeniz Firtinasi, des Schwarzmeersturmes, ist die ausbleibende Belastung durch Spiele im Europapokal. „Wir spielen weder in der Champions League noch in der Europa League. Die Teams aus Istanbul schon. Das sind sehr schwierige Spiele: Sie müssen reisen, lassen eine Menge Energie. Das ist gut für uns. Wenn die spielen, spielen wir nicht“, erklärte Hamšík.
Das größte Pfund der Mannschaft ist aber ihre Ausgewogenheit. Es passt im Kader. Das zeigt nicht zuletzt das Torverhältnis: Trabzonspor stellt die beste Abwehr (14 Gegentore) sowie den besten Angriff der Liga (36 Tore). Ihren Anteil daran haben die Neuverpflichtungen. Neben Hamsik spielt etwa der aus Parma gekommene Angreifer Andreas Cornelius eine tragende Rolle. Mit neun Treffern ist er Trabzonspors bester Torjäger. Es deutet also vieles darauf hin, dass im türkischen Fußball zumindest eine vorübergehende Wachablösung ansteht. Es wäre ein Ereignis mit enormer Bedeutung. Für den Fußball und die Vergessenen der türkischen Gesellschaft – nicht umsonst sind die Trabzonspor-Anhänger über das ganze Land verteilt. „Es wird riesig“, sagt Präsident Agaoglu. „Hunderttausende werden kommen.“