Der Deutsche Julian Gressel ist Leistungsträger bei Atlanta United und steht kurz vor der MLS-Meisterschaft. Im Interview spricht er über die Entwicklung der Liga, Zlatan Ibrahimovic und was passieren würde, wenn Atlanta den Titel holt.
Und wie lief es für Sie persönlich? Letztes Jahr wurden Sie ja schon zum „Rookie of the Year“ gewählt.
Ausgesprochen gut! Ich habe da weitergemacht, wo ich aufgehört habe. Bis auf eines habe ich alle Spiele von Anfang an gemacht, meine Statistiken sind besser geworden und meine Leistungen konstanter. Nach so einem ersten Jahr kommt man natürlich besser in die Mannschaft rein. Letztes Jahr war ja auch überhaupt die erste Saison für den ganzen Klub. Das Grundgerüst stand dieses Jahr also und mein Anspruch war, darin zum Leistungsträger aufzusteigen. Das ist mir gelungen. Egal, wo ich eingesetzt wurde. Was, ohne überheblich klingen zu wollen, eine meiner Qualitäten ist – ich kann da spielen, wo der Trainer mich braucht.
Apropos Trainer. Ihr Erfolgscoach Gerardo Martino wird den Klub nach der Saison verlassen. Überwiegt die Wehmut oder sind Sie mehr gespannt, was danach kommt?
Ein bisschen Wehmut ist auf jeden Fall dabei. Er ist ein Trainer, der auf mich gesetzt hat, mich mochte und meine Karriere dadurch ordentlich angeschoben hat. Er hat mich ständig spielen lassen und mich weitergebracht. Dementsprechend ist es natürlich schade, dass er geht. Aber ich freue mich auf einen neuen Trainer, neue Ideen und neue Impulse. Das bringt mich als Spieler auch enorm weiter, wenn ich mich wieder anbieten und auf eine neue Spielidee einstellen muss.
Wie würden Sie Martino als Trainer und Ihr zu ihm Verhältnis beschreiben?
Unser Verhältnis ist richtig gut. Dadurch, dass er nicht so viel Englisch spricht, haben wir keine tiefgreifenden philosophischen Diskussionen. Die braucht es auf dem Platz aber auch nicht. Er bringt mehr sehr viel bei, erklärt die kleinsten Details, von denen er denkt, dass sie mir helfen können. Allgemein ist er ein Trainer, der unbedingt gewinnen will. Er liebt den Offensivfußball, aber der Sieg steht über allem. Deshalb ist er sich auch nicht zu schade, etwas defensiver aufzustellen. Man hat auch in den Playoffs gesehen, dass die Mannschaft da sehr flexibel ist. Gerade im K.o.-System braucht man das, wenn man weiterkommen möchte. Auch diese Flexibilität habe ich von ihm gelernt.
Merkt man ihr neues Standing auch im Bekanntheitsgrad?
National kann ich das nicht so gut einschätzen, aber in Atlanta kennt man auf jeden Fall mein Gesicht. Wenn ich mit meiner Verlobten essen gehe, erkennen mich die Leute – auch ohne Trainingsanzug. Das ist aber immer ganz entspannt und freundlich. Die Fans in Atlanta sind einfach überragend.
Die Euphorie hat also auch im zweiten MLS-Jahr nicht nachgelassen?
Überhaupt nicht. Sie ist eher noch größer geworden. Wahrscheinlich auch, weil unsere Saison noch etwas besser war. Die Fans wollen den Titel und würden alles dafür geben. Das wirkt sich auch auf uns Spieler aus. Wir sind sehr aktiv in der Community, gehen viel raus zu den Menschen, schreiben Autogramme, sind einfach für die Fans da. Und im Gegenzug stehen an jedem Spieltag tausende von Leuten vor dem Stadion.
Und es ist jedes Mal ausverkauft. Der Zuschauerschnitt von über 50.000 ist höher als bei vielen Bundesligavereinen. Dennoch wird die MLS von Europa immer etwas stiefmütterlich behandelt.
An anderen Standorten mag das anders sein, doch die Fans hier können definitiv mit Europa mithalten. Was die veranstalten, ist riesig. Wir haben schon so viele Rekorde gebrochen, was Zuschauer angeht. Hoffentlich können wir auch den letzten brechen: die meisten Zuschauer bei einem Heimspiel um den MLS-Cup. Wenn wir dann auch noch den Titel holen, wird die ganze Stadt zu einer einzigen, gigantischen Party.