Die traditionsreichen Stadien der berühmten Londoner Amateurteams Clapton und Dulwich Hamlet drohen dem Immobilienmarkt anheimzufallen. Doch die Fans wehren sich leidenschaftlich.
Wer nach London fährt, um dort unterklassigen Fußball zu gucken, gepaart mit einer möglichst großen Fankultur vor Ort, kommt um zwei Optionen nicht umhin. Im Osten der Stadt lockt der neuntklassige Clapton FC, der regelmäßig eine dreistellige Fanschar aufbietet. Zwei Ligen weiter oben und auf der Südseite der Themse kickt Dulwich Hamlet FC, zu deren Spielen sich gar über 1.000 Zuschauende einfinden.
Trotzdem sich beide Fanszenen vielfältig sozial engagieren und jeweils vor allem Londoner Linksalternative zu den Spielen der Teams pilgern, sind sie sich nicht immer grün. Gegenseitige Frotzeleien sind an der Tagesordnung. Nun aber werden CFC- und DHFC-Anhänger vom gleichen Schicksal eingeholt. Die historischen Spielstätten von Clapton und Dulwich sind in ihrem Fortbestand gravierend bedroht – und die Fans wehren sich.
Alter, gefleckter Hund gegen McBohne
Clapton FC spielt traditionell im „Old Spotted Dog Ground“ in Forest Gate im Ostlondoner Bezirk Newham. Und traditonell kann in diesem Fall wörtlich genommen werden: Seit genau 130 Jahren ist der „Spotted Dog“ die Heimstatt des Amateurklubs. Damit ist es der älteste Fußballplatz der Stadt. Schon 1898 sahen 12.000 Zuschauer ein FA-Cup-Spiel gegen Tottenham Hotspur.
Wenig verwunderlich ist der Platz mittlerweile deutlich in die Jahre gekommen. Neben den kleinen, rostigen Tribünen wuchert das Unkraut entlang der Außenlinien. Wenn es nach den Fans gehen würde, hätten sie sich dem Verfall längst entgegengestellt. Aber über das Gelände bestimmt Vereinsboss Vincent McBean. Und da liegt das Problem.
Mit dem Boss haben sich die Anhänger nämlich schon lange überworfen. Sie glauben, McBean möchte am liebsten das Vereinsgelände verkaufen und größtmöglichen Profit aus ihrem Herzensklub schlagen. Tatsächlich scheint das nicht von der Hand zu weisen: Die Gesellschaft, die das Stadiongelände verwaltet, hat er pleite gehen lassen. Als Nachfolger bereit steht eine neue und prinzipiell gleich aufgebaute Firma – mit dem entscheidenden Unterschied, dass McBean in dieser die volle Verfügungsgewalt hätte.
Die Hoffnung lebt
Noch ist es nicht so weit. Claptons Fans haben durch einen Antrag vor Gericht erreicht, dass die „Charity Commission“, eine staatliche Behörde für diese Zwecke, die Geschäfte McBeans überprüft. Außerdem verlieh der örtliche Bezirksrat auf Initiative der Fans dem „Old Spotted Dog Ground“ vor einem Jahr den Status eines „community values“ – eine wichtige gesellschaftliche Institution.
Weil sie ihrem Vereinsboss für die juristische Auseinandersetzung aber nicht auch noch das Geld zur Verfügung stellen wollen, boykottieren die Clapton-Fans schon die gesamte Saison die Heimspiele ihres Teams. Eine harte Entscheidung, die aber auf breite Unterstützung traf. Kein Wunder – die Netzwerke der Anhänger sind groß. Zum Start ihrer Kampagne „Save the Old Spotted Dog“ kamen vergangenen Mittwoch über 100 Leute. Und die Unterschriftenzahl einer Online-Petition wächst stündlich. Es besteht also noch Hoffnung für Londons ältesten Fußballplatz.
Das sieht knapp 20 Kilometer südwestlich schon anders aus. Seit über einem Monat spielt Dulwich Hamlet schon gar nicht mehr im angestammten Stadion, dem altehrwürdigen „Champion Hill“ auf dem gleichnamigen Hügel. Dabei ließe sich auch dieses leicht zum fußballerischen Kulturgut erklären. 1931 spielte der Klub erstmals in dem kleinen Stadion, das mittlerweile zwar modernisiert wurde, von seinem altertümlichen Charme aber nur wenig verloren hat. Der einzige Eingang ins Innere führt für die Besucher etwa noch immer entlang einer Autowaschanlage vor den Stadiontoren.
Wohnraum ist im zunehmend populärer werdenden Londoner Süden ein knappes Gut. Deshalb hätten sich die DHFC-Fans mit der ursprünglich angedachten Lösung der „Meadow Residential“-Gruppe anfreunden können, die vor vier Jahren das Stadiongelände erwarb. Der „Champion Hill“ sollte weichen, dafür aber in unmittelbarer Nähe eine neue Heimat für „The Hamlet“ entstehen.
Doch als die zuständigen Behörden im vergangenen Oktober die Baugenehmigung verweigerten, änderte die Immobilienfirma ihre Strategie. Plötzlich forderte sie eine nachträgliche Mietzahlung über 121.000 Pfund und brachte den Klub damit in arge Finanznöte. Anfang März schmiss sie Dulwich Hamlet dann aus dem Stadion, sodass der Tabellenzweite der Isthmian League seine Spiele seitdem beim Ligakonkurrenten Tooting & Mitcham austragen muss. Und damit nicht genug: „Meadow Residential“ eignete sich kurzerhand die Namensrechte des Vereins an. Es schien, als stünde Dulwich Hamlet unmittelbar vor dem eigenen Ableben.
Hilfe vom Bürgermeister und Rio Ferdinand
Die Gefahr ist alles andere als gebannt, aber auch in Dulwich sind die Fans das größte Pfund. Den finanziellen Kollaps verhindern sie durch eine großangelegte Spendenkampagne, die die Spielergehälter bis zum Ende der Saison sichern soll. Auf einer Demonstration Mitte März marschierten 1.200 Personen vor die geschlossenen Tore des „Champion Hill“. Und die Macher der Kampagne „Save Dulwich Hamlet“ feiern zumindest Teilerfolge: Viele Politiker und sogar Londons Bürgermeister Sadiq Khan erklärten ihre Solidarität mit dem Klub. Die größte Hilfe könnte derweil von Rio Ferdinand kommen, dem 81-fachen Nationalspieler und engen Freund des „Hamlet“-Trainers. Er sitzt einer Stiftung vor, die sozialen Wohnungsbau betreibt und Dulwich Hamlet retten will. Ein erstes Angebot für das Stadiongelände wurde von den bisherigen Eigentümern aber offenbar abgelehnt.
Die Zukunftsaussichten für Dulwich Hamlet wie für Clapton FC sind also nicht gerade rosig. Eine friedliche Beilegung der Konflikte erscheint undenkbar. Dazu sind die Interessen zu verschieden: Auf der einen Seite wittern McBean und die „Meadow Residential“ Millionengeschäfte auf dem zügellosen Londoner Immobilienmarkt. Auf der anderen Seite stehen die Anhänger, die über Jahre demokratische und engagierte Fankultur geschaffen haben und nicht weichen werden. DHFC- und CFC-Fans unterstützen sich inzwischen gegenseitig. Ein kluger Schachzug, denn es geht um viel.