„The Strongest“ aus La Paz ist eines der beliebtesten Teams Südamerikas. Der Name passt zur bewegten Vereinsgeschichte. Aber woher kommt er wirklich?
Niemals passte der Name des bolivianischen „Club The Strongest“ besser als im September 1969. Denn damals war der Verein aus La Paz eigentlich am Ende. Gerade hatte er ein internationales Freundschaftsturnier in Santa Cruz de la Sierra bestritten, der heute größten Stadt des Landes. Um 14 Uhr am 26. des Monats machte sich die Mannschaft auf den Rückflug in die Hauptstadt. Dort sollte sie nie ankommen. Kurz vor dem Ziel brach der Funkkontakt zur Maschine ab, deren Überreste am späten Abend in den Bergen, knapp 100 Kilometer vor La Paz gefunden wurden. Kein einziger Fluggast überlebte das Unglück. Es ist als „Tragedia de Viloco“ — die Tragödie von Viloco — in die Geschichtsbücher eingegangen.
Für den Fußballverein The Strongest bedeutete das abseits der Trauer um die Verstorbenen, dass von einem Tag auf den anderen beinahe die komplette Mannschaft inklusive sportlicher Führung neu aufgestellt werden musste. Lediglich vier Spieler hatten die Reise nicht mit angetreten. Viele glaubten, dass der traditionsreiche Klub nicht überleben würde.
Doch The Strongest sollte seinem Namen alle Ehre machen. Eine Welle der Unterstützung schwappte über den Kontinent. Der südamerikanische Fußballverband sowie große Teams aus Nachbarländern wie die argentinischen Boca Juniors oder Flamengo und Fluminense aus Brasilien sprangen in die Bresche und spendeten eigene Erlöse. Unter der Führung des Präsidenten Rafael Mendoza Castellón, der mithilfe der Stadt insbesondere in die Infrastruktur investierte, gelang es dem Verein wieder auf die Beine zu kommen und schon bald wieder nationale Titel zu gewinnen.
Überlebenskraft im Namen
Das also, was The Strongest immer gemacht hat. Wozu der Name des Vereins ja auch in gewisser Weise verpflichtet, wenn auch die ursprüngliche Idee eine andere gewesen war. Gegründet wurde er am 8. April 1908 unter dem Namen „Strong Foot Ball Club“. Federführend waren 12 Jugendliche, die sich regelmäßig in einem Kiosk im Stadtzentrum von La Paz trafen. Sie waren bereits Anhänger anderer Teams gewesen, vor allem des „Club 20 de Octubre“ und von „Thunder F.B.C.“. Beide hatten aber nur wenige Jahre bestanden und waren im Frühjahr 1908 bereits wieder aufgelöst. Ein Umstand, der für nicht wenige Vereine seinerzeit galt, seitdem 1899 der erste Fußballklub in La Paz entstanden war.
Die Gründungsmitglieder vom Strong Foot Ball Club wollten endlich Teil eines Vereins sein, der sich mehr als ein paar Jährchen am Leben hielt. Weswegen sie ihren Verein nach der Stärke und Überlebenskraft benannten, die ihn auszeichnen sollte. Schwarz und Gelb sollten die Vereinsfarben werden — für die Nacht und den Tag. Schon wenige Tage nach der Gründung entschieden die Mitglieder, dass ihnen die Symbolik des Vereinsnamen nicht ausreichte, sondern es gleich den Superlativ brauchte: Aus „Strong F.B.C.“ wurde „The Strongest F.B.C.“.
Die Jugendlichen hatten mit ihrer Namenswahl den richtigen Riecher. Innerhalb weniger Monate entwickelte sich ihr Team zu einem der bedeutendsten Klubs der Hauptstadt und später des ganzen Landes. Schon 1911, drei Jahre nach der Gründung, gewann The Strongest die „Copa Prefectural“, das erste Fußballturnier überhaupt, das auf bolivianischem Boden ausgetragen wurde. Ab 1922, als sich der Verein auch für andere Sportarten öffnete, firmierte er nur noch unter dem Namen „Club The Strongest“, der sich bis heute nicht mehr verändert hat.
„Los Tigres“ (die Tiger), wie der Klub aufgrund seiner traditionell schwarz-gelb gestreiften Jerseys auch genannt wird, gilt heute als der sportlich zweiterfolgreichste Verein Boliviens. In der „Liga de Fútbol Profesional“, der Eliteliga holte er zwölfmal den Titel, unter anderem bereits 1977, im ersten Jahr, in dem die Liga gespielt wurde. Auch in den Vorgängerwettbewerben war The Strongest häufig erfolgreich, dazu kommen zahlreiche Pokalsiege. 1965 stellte der Klub zudem die erste Mannschaft, die außerhalb des Landes in einem internationalen Turnier gewinnen konnte.
Historische Rivalität
Die Tiger spielten niemals unterklassig und wurden von der FIFA zu einer der wichtigsten Mannschaften des Jahrhunderts auf dem Kontinent erklärt. Aktuell steht der Vizemeister der Vorsaison auf dem ersten Platz der bolivianischen Meisterschaft, die allerdings zunächst in zwei Gruppen ausgetragen wird. Bekanntester Spieler ist Pablo Escobar, der inzwischen 39-jährige Kapitän der Mannschaft.
Erfolgreicher ist in der Andenrepublik nur der Club Bolívar. Seit den 1930er Jahren streiten beide Klubs um die fußballerische Vorherrschaft im Land. Gemeinsam tragen sie den Clásico Boliviano im „Estadio Hernando Siles“ aus. Die Spielstätte ist das Nationalstadion Boliviens und wird von den größten Klubs auch im Ligabetrieb genutzt, obwohl beide auch über eigene Stadien verfügen. Das „Hernando Siles“ liegt auf einer Höhe von 3637 Metern und gilt als eines der weltweit höchstgelegenen Stadien.
Im Derby 1993 wurde um den Standort der Fans gespielt. The Strongest siegte und die schwarz-gelben Hinchas finden sich seitdem auf der Südseite des Stadions wieder. Die bedeutendste „Barra“ — so werden die Fan-Gruppen genannt — ist die „La Gloriosa Ultra Sur“, die ihre Kurve mit unzähligen Fahnen und der für Südamerika so typischen Kapelle regelmäßig in ein Tollhaus verwandelt. Ableger der „Barra“ gibt es mittlerweile gar in Argentinien und New York.
Der berühmteste Fan aber war Raúl „Chupa“ Riveros. Bis zu seinem Tod vor zwölf Jahren reiste er The Strongest für mehr als 30 Jahre überall hinterher. Noch heute feiern die Anhänger seinen Geburtstag am 27. September als „día del hincha gualdinegro“ — als Tag der schwarz-gelben Fans. „Chupas“ Markenzeichen war sein schwarzer Hut mit gelbem Band sowie sein berühmter Ausruf: „K’alatakaya Huarikasaya“. Grob übersetzt heißt das so viel wie „Die Steine brechen, das Vicuña (ein Alpaka-ähnliches Tier Boliviens) zittert“ und soll die Stärke des Vereins symbolisieren. The Strongest eben.
Eine sinnlose Schlacht
Diesen Namen haben sich nach dem Vorbild des bolivianischen Originals über die Jahre 13 andere Teams in Südamerika gegeben. Sogar eine Schlacht im sogenannten Chacokrieg wurde nach dem Fußballklub aus La Paz benannt. Mehr als ein Drittel der Vereinsmitglieder waren in den frühen 1930er Jahren gegen Paraguay in den Krieg gezogen. Eine erfolgreiche Offensive der bolivianischen Armee bekam daraufhin den Namen „Batalla de Cañada Strongest“ verpasst.
Den Krieg verlor Bolivien trotzdem, die Menschen sprachen von „la guerra estúpida“, dem dummen Krieg. Bolivien und Paraguay kämpften um ein Stück Grenzregion, fast 100.000 Menschen starben. The Strongest leistete in den Folgejahren seinen Beitrag zur Normalisierung des Landes und war einer der ersten Klubs, in dem paraguayische Spieler wieder zugelassen wurden. Dabei hatten viele der „Stronguistas“ ihr Leben im Krieg verloren, darunter auch Spieler der ersten Mannschaft. Ein starker Vereinsname schützt eben vor vielem, nicht aber vor der Sinnlosigkeit des Krieges.