Unser Autor ist sich sicher: Wer die richtigen Ansprüche an den Fußball stellt, wird die 3. Liga lieben.
Manuel Janzer kommt völlig frei an den Ball. Das ist die große Chance zur Führung. Er schießt an den Pfosten. Der Ball prallt zurück ins Feld, Janzer bleibt liegen. Sein herangeeilter Mitspieler Stephan Fürstner braucht den Ball nur noch zu versenken, trifft aber nicht das leere Tor, sondern den am Boden liegenden Janzer. Ungläubiges, entsetztes Aufstöhnen im vollen Stadion. Diese Szene liegt jetzt zwei Jahre zurück. Braunschweig kämpfte gegen den SV Meppen in der 3. Liga ums Überleben und brachte nichts als Slapstick zu Stande. Sie wollten unbedingt, sie konnten nicht. Dramatik, Hektik, Unvermögen. Noch immer ist diese Situation symptomatisch für die Schönheit der 3. Liga.
Denn in diesem Frühjahr zeichnete sich ab, dass die 2. Bundesliga mit Schalke 04 und Werder Bremen prominenten Zuwachs aus der Bundesliga bekäme. Seitdem heißt es, dass die „spannendste 2. Bundesliga aller Zeiten“ bald begänne. Doch nichts könnte falscher sein. Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Fußball interessiert, weiß, dass die „spannendste 2. Liga aller Zeiten“ nichts mit Schalke, Werder und dem HSV zu tun haben kann, sondern ein altes DSF-Synonym für trostlose Montagsspiele zwischen Ahlen und Unterhaching ist. Mit verwackelten Bildern, mit Nebel über den kargen Grashalmen, kommentiert von Markus Höhner. Mäßig begabt, nicht besonders bemüht, alles ein bisschen ranzig. Eine Liga, mit der man sich identifizieren konnte.
Wenn der HSV auf Schalke trifft oder Nürnberg gegen Werder spielt, treffen mittelständische Unternehmen aufeinander. Denn die 2. Liga hat sich längst professionalisiert. Ihr bizarrer Charme ist abgestiegen. Auch neureiche Emporkömmlinge wie der 1. FC Heidenheim oder SV Sandhausen haben dafür gesorgt, dass eine tektonische Verschiebung des Fußball-Mittelstandes nach unten eintrat. Die 3. Liga ist so, wie die zweite Liga vor 20 Jahren war. Sie ist ein Liebhaber-Produkt, die perfektionierte Unperfektion.
Die 3. Liga ist die Zwischenwelt der deutschen Ligenhierarchie. Zwischen Bolzplatz und Arena, zwischen aufstrebendenen Talenten und abgehalfterten Ex-Profis. Für Traditionsvereine ist es der absolute Tiefpunkt, für solvente Dorfklubs das Highlight der Vereinsgeschichte. Sie ist das Scharnier zwischen Profi- und Amateurfußball. Große Traditionsvereine wie Kaiserslautern, Braunschweig und Saarbrücken teilen sich die Spielklasse mit drolligen Stadtteilclubs wie dem TSV Havelse oder windigen Investorenvereinen. Die Liga hat deshalb viel zu bieten: Atmosphäre, gallische Dorfmentalität oder völlig falsch eingesetztes Geld. Als Drittligist von einem Investor abhängig zu sein bedeutet, von einem mäßig begabten Investor abhängig zu sein. Sonst wäre der Verein schließlich nicht Drittligist. So ablehungswürdig diese Konstrukte sind, sorgen sie hier für den nötigen Unterhaltungswert. Wie letztes Jahr die mittlerweile insolvente KFC Uerdingen Entertainment GmbH oder in diesem Jahr die Trainer-Aufbereitungsanlage Türkgücü.