Mit dem Testspiel gegen Dänemark beginnt für Joachim Löw die letzte Etappe seiner Amtszeit als Bundestrainer. Seine Anfänge erlebte Malik Fathi hautnah mit, er war der erste Debütant unter Löw. Hier erinnert er sich.
Joachim Löw ist nach der WM vom Co- zum Cheftrainer befördert worden. Bei Ihnen war es in der gerade abgelaufenen Saison bei der U 23 von Hertha BSC ähnlich. Wie kompliziert ist eine solche Situation?
Ich habe Jogi Löw als Co-Trainer ja nicht erlebt. Aber nach allem, was man weiß, glaube ich, dass das bei ihm ein nahtloser Übergang war. Vieles von dem, was er als Cheftrainer gemacht hat, hatte er auch vorher schon unter Jürgen Klinsmann gemacht, die Trainingsinhalte festlegen zum Beispiel. Außerdem hatte er vor seiner Zeit bei der Nationalmannschaft schon als Cheftrainer gearbeitet. Es geht dann um den eigenen Führungsstil und darum, dass du derjenige bist, der die Entscheidungen treffen muss. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihm das schwergefallen ist. Ich finde, er hat einen Top-Job gemacht.
Sie lachen.
Ja: Wer bin ich denn, dass ich das beurteile? Unter Löw hat die Nationalmannschaft immer oben mitgespielt, bis auf ein einziges Turnier. Trotzdem wird nach einer Phase, in der es mal nicht so gut läuft, gleich die ganze Ära in Frage gestellt. Das begreife ich nicht. Wenn man sich Löws Bilanz über 15 Jahre anschaut, kann ich nur sagen: Chapeau. Die Konstanz auf diesem Level – beeindruckend!
Wie haben Sie seinen Führungsstil erlebt?
Sehr sachlich. Sehr ruhig. Man darf aber nicht vergessen: Das ist nur eine Momentaufnahme. Ich habe Löw bei keinem großen Turnier erlebt, ich habe ihn nicht in brisanten Qualifikationsspielen erlebt. Jemand wie Philipp Lahm, der über Jahre mit ihm zusammengearbeitet hat, könnte da mit Sicherheit mehr ins Detail gehen.
Was hat Löw ausgezeichnet?
Taktisch und inhaltlich ist er brutal stark, rhetorisch gut, dazu hat er die Dinge einfach sachlich rübergebracht. Trotzdem hast du immer eine gewisse Energie gespürt. Er ist nicht einlullend. Jogi Löw hat dir ganz klar zu verstehen gegeben: Wie ist unsere Idee? Wie wollen wir spielen? Und was muss dafür umgesetzt werden? Man merkt einfach: Er ist sehr sicher. Sehr souverän. Vielleicht beschreibt ihn das am besten. Er weiß, was er tut, er hat sehr viel Wissen, ist inhaltlich sehr stark und dementsprechend auch souverän in der Übermittlung.
„Er albert nicht mit den Spielern herum“
Für einen Trainer geht es immer auch darum, das richtige Verhältnis aus Nähe und Distanz zu seinen Spielern zu finden. Wo hat Löw sich da positioniert?
Das ist ein wichtiger Punkt. Das merke ich selbst gerade. Ich bin eher jemand, der sehr nah an den Spielern dran ist. Joachim Löw ist schon eher der Trainer. Er albert nicht mit den Spielern herum. Das heißt nicht, dass er nicht auch mal lacht oder schmunzelt. Aber bei ihm ist schon klar: Hier der Trainer, da die Mannschaft. Und trotzdem ist er empathisch, auf seine sachliche Art.
Man findet eigentlich kaum einen Spieler, der etwas Schlechtes über ihn sagt.
Er bietet ja auch nicht viel Angriffsfläche. Du kommst in eine Mannschaft, die funktioniert. Der Trainer ist nicht egozentrisch, sondern hat eine ganz ruhige, souveräne Ausstrahlung. Dazu hat die Nationalmannschaft unter Löw immer auf einem Toplevel gespielt. Das heißt, als Spieler ist es einfach geil, für die Nationalmannschaft zu spielen: Da läuft der Ball, und du bist die Mannschaft, die das Spiel dirigiert. Und das seit inzwischen 15 Jahren, eigentlich mit Beginn der Ära Löw. Davor gab es ja auch ein paar Jahre, in denen es nicht ganz so war. Wo sollte man da mit Kritik ansetzen?
Nach Ihrem Debüt sind Sie nur noch einmal, im Oktober 2006 in einem Freundschaftsspiel gegen Georgien, für ein paar Minuten in der Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen. Wann war Ihnen klar, das war es jetzt mit meiner Länderspielkarriere?
Als ich nicht mehr eingeladen wurde (lacht). Im Herbst 2006 war ich eigentlich immer dabei, in der Rückrunde ist es dann abgebrochen. Vielleicht gibt es den einen oder anderen Spieler, der mal versucht nachzufragen, was eigentlich los ist. Das habe ich nicht gemacht. Wenn du nicht mehr nominiert wirst, wird das schon seine Gründe haben. Das war’s dann halt.
Hatten Sie noch mal Kontakt zu Löw?
Nicht wirklich. Als ich in Mainz gespielt habe, habe ich ihn noch mal gesehen. Aber über ein bisschen Smalltalk – Mensch, wie geht’s – ist das nicht hinausgegangen. Mit Hans-Dieter Hermann, dem Sportpsychologen der Nationalmannschaft, habe ich noch ein paar Mal geredet, weil mich das Thema Psychologie im Fußball einfach brutal interessiert.
„Was will man jemandem vorwerfen, der in all den Jahren mit der Nationalmannschaft immer ums Halbfinale und Finale kreist?“
Löws weiteren Werdegang haben Sie nur aus der Ferne verfolgt. Hat er sich verändert?
Ich maße mir nicht an, ihn charakterlich zu beschreiben oder zu beurteilen. Dafür kenne ich ihn nicht gut genug. Wenn ich die Momente nehme, in denen ich ihn erlebt habe, dann kann ich nur sagen, dass er sich und seinem Stil treu geblieben ist. Wie er in stressigen Situationen mit Kritik umgeht – das beschreibt einfach seine Coolness. Souveränität steht bei ihm irgendwie über allem. Das hat ihn ausgezeichnet: in guten Phasen, in Weltklasse-Phasen, aber auch in weniger guten Phasen.
Trotzdem hat er vor allem seit der WM 2018 viel Kritik abbekommen.
Was will man jemandem vorwerfen, der in all den Jahren mit der Nationalmannschaft immer ums Halbfinale und Finale kreist? Und in dem Fall dann eben nicht. Das ist die negative Aura, die der Fußball manchmal mit sich bringt. Wenn es mal nicht so läuft, will jeder seine Expertise kundtun.
Nach der EM übernimmt Hansi Flick die Nationalmannschaft. Wie haben Sie ihn in Ihrer kurzen Länderspielkarriere erlebt?
Als sehr angenehmen, sympathischen und sehr nahbaren Menschen. Hans Flick ist jemand, bei dem du ein gutes Gefühl hast. Einer, der zuverlässig arbeitet, aber das immer mit einem Lächeln.
Ist Flick die richtige Wahl für Löws Nachfolge?
Wenn man sich seine Erfolge bei den Bayern anschaut, ist die Entscheidung absolut richtig. Vor dem, was Hansi Flick bei den Bayern geleistet hat, vor seiner Qualität, kann man nur den Hut ziehen. Wenn er es hinkriegt, diese Qualität auf die Nationalmannschaft zu übertragen, werden wir sehr viel Spaß mit der Nationalmannschaft haben.
Dieses Interview stammt von tagesspiegel.de und erscheint an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation.
_