Zu Beginn der Epidemie besuchte Schalkes Bastian Oczipka Krankenhäuser, Pflegeheime, Kneipen – und packte mit an. Wir sprachen mit ihm über sein Engagement, den Neustart der Bundesliga und wie man einen richtig guten Tunnel spielt.
Was hat Ihnen bei der Suche nach Rhythmus geholfen?
Mein kleiner Sohn, der auch nicht in die Kita gehen konnte. Um ihn herum haben wir versucht, unseren Tag zu regeln. Wir sind morgens spazieren gegangen, dann habe ich auf ihn aufgepasst, während meine Frau gearbeitet hat. Und am Nachmittag bin ich runter in den Keller und habe per Videoschalte mit der Mannschaft die Fitnesseinheiten absolviert.
Wie hat das funktioniert?
Nachprüfen, ob einer bescheißt, ist auf jeden Fall schwieriger. (Lacht.)
Was hat Ihnen im Vergleich zum Alltag gefehlt?
Das Zwischenmenschliche in der Kabine. Ich meine, wir sind 25 Männer auf einem Haufen. Jeder, der in einer Amateurmannschaft spielt, weiß, wie lustig das ist.
Hatten Sie Existenzängste? Der Verein drohte, in die Insolvenz zu geraten.
Für die Vereine ist es schon eine schwierige Phase, vor allem, wenn die Saison abgebrochen werden würde. Und auch wenn ich die genauen Zahlen nicht kenne, erahne ich, was das für die Existenzen unserer Mitarbeiter bedeuten könnte. Auch wenn ich als Profi sicherlich privilegiert bin.
Inwiefern?
Uns plagen eben keine Existenzängste. Aber natürlich haben auch wir Gehaltsabstriche hinnehmen müssen. Spaß macht das nicht.
Ende März bot die Mannschaft an, auf bis zu 30 Prozent des Gehalts zu verzichten. Wie lief das ab?
Via Zoom. Da hat sich unser Mannschaftsrat per Videoschalte mit dem Vorstand getroffen. Wir haben früh unser Signal gegeben, dass wir den Mitarbeitern von Schalke 04 helfen wollen, wenn es brenzlig wird. Niemand soll seinen Arbeitsplatz verlieren. Dann hat es nur gedauert, bis wir im Detail einen vernünftigen Plan gefunden hatten.
Sie haben in den vergangenen Wochen verschiedene soziale Einrichtungen besucht, um auf die dortige Arbeit hinzuweisen. Warum?
Wie so oft: Zufall. Ich wurde vor eineinhalb Jahren gefragt, ob ich eine Trainingseinheit für Kinder mit Beeinträchtigungen im Rahmen der Special Olympics NRW geben könnte.
Und Ihre Antwort?
Klar, kann ich machen. Aber ich war danach selbst überrascht, wie viel Spaß mir das gemacht hat. Zu sehen, dass Kinder vor Glück weinen, weil wir uns für sie und ihren Sport interessieren – das ist fantastisch. Und das wollte ich in der jetzigen Zeit nochmal intensivieren.
Leon Goretzka und Joshua Kimmich haben „We kick Corona” ins Leben gerufen. Warum haben Sie dort nicht gespendet?
Das ist eine super Sache von den beiden, nicht falsch verstehen, aber ich möchte selber wissen, was mit meinem Geld passiert. Ich möchte diesen persönlichen Bezug. Mir war es deshalb wichtig, dass ich den Leuten ein Gesicht gebe, die gerade einen tollen Job in Krankenhäusern oder Pflegeheimen machen. Dass ich die beim Namen nenne. Und ihnen ganz persönlich meine Wertschätzung zeige. Ich glaube, dorthin zu fahren, hinterlässt einen ganz anderen Eindruck.
Sie waren gleich zu Beginn im Uniklinikum in Essen. Und Sie ließen unter anderem 50 Paar Turnschuhe da.
Naja, ich habe einfach gefragt, was die gebrauchen können. Klar, gutes Schuhwerk ist wichtig, wenn das Arzt- und Pflegepersonal die Meter machen. Ich kenne die Einrichtung, weil wir schon häufiger mit der Mannschaft zur Weihnachtszeit die Kinderkrebsstation besucht haben. So ergab sich die Verbindung.
Sie waren Anfang April vor Ort, als die Auswirkungen des Coronavirus am stärksten zu sehen waren. Wie haben Sie die Situation vor Ort wahrgenommen?
Das war schon eine beklemmende Atmosphäre. Zu dem Zeitpunkt war das Tragen eines Mundschutzes oder die Einhaltung von Abstandsregeln noch völlig neu. Bis dato war ich fast nur zuhause. Mir war schon mulmig vor Ort.
Welche Situation hat Sie längerfristig beschäftigt?
Ich war auch bei der Lebenshilfe Gelsenkirchen, eine Einrichtung, die Personen mit Beeinträchtigungen betreut. Und diese Menschen sind im Moment der Krise regelrecht vergessen worden. Die Bewohner waren in Quarantäne und mussten deshalb die gesamte Zeit in ihren Zimmern hocken. Als ich das gesehen habe, musste ich schlucken.